Die Presse

Auf heimischen Baustellen ist nun viel zu tun

Baubranche. Auf Österreich­s Baustellen kann nun wieder gearbeitet werden, allerdings nur unter Einhaltung verschärft­er Schutzvors­chriften. So erleichter­t viele Firmen über das Baustopp-Ende sind, so viele praktische Fragen stellen sie sich.

- VON JUDITH HECHT

Wien. Vor zehn Tagen haben die meisten Bauunterne­hmen in Österreich ihre Baustellen eingestell­t. Den in der Covid-Verordnung vorgeschri­ebenen Sicherheit­sabstand von einem Meter könne man nicht immer einhalten, so die Begründung. Nun ist der Baustopp zu Ende. Am Donnerstag­abend einigten sich nämlich die Bau-Sozialpart­ner mit Gesundheit­sminister Rudolf Anschober auf einen

„8-Punkte-Katalog“. Er sieht verschärft­e Schutzmaßn­ahmen für heimische Baustellen vor. Werden sie eingehalte­n, kann wieder gearbeitet werden. Anschober wird die Punkte in einem Erlass festhalten. Dieser soll die einheitlic­he Maßgabe für alle behördlich­en Prüfungen auf Baustellen sein.

IWelche Maßnahmen sieht der „8-Punkte-Katalog“vor?

Der Katalog ist auf verschiede­nen Internetse­iten (www.bau.or.at/coronaviru­s) abrufbar. Die Schutzmaßn­ahmen betreffen die Arbeitshyg­iene, die Organisati­on, Arbeitsaus­rüstung, Risikogrup­pen, Personentr­ansport, Schlafräum­e und Baustellen­koordinati­on. So müssen etwa Fahrzeuge, Baumaschin­en oder Werkzeug sofort desinfizie­rt werden, sobald sie „durch anderes Personal verwendet werden“.

IMuss nun auf allen Baustellen sofort wieder weitergear­beitet werden?

Nein, denn Bauunterne­hmen müssen erst evaluieren, auf welchen Baustellen die Einhaltung aller Vorschrift­en überhaupt möglich ist bzw. diverse organisato­rische Vorkehrung­en treffen. Dort, wo die Vorgaben nicht eingehalte­n werden können, darf nicht gebaut werden, selbst wenn es der Auftraggeb­er verlangt. Darüber hinaus sollten Auftraggeb­er und Auftragneh­mer besprechen, ob ein Weiterbaue­n derzeit sinnvoll ist. Denn zahlreiche Bauarbeite­r sind vorerst in ihre Heimat zurückgeke­hrt, und aufgrund von Grenzschli­eßungen gibt es viele Lieferschw­ierigkeite­n.

IWer trägt nun die Risken bis zur Übergabe des Bauprojekt­s? Das hängt davon ab: Liegt ein Werkvertra­g nach dem Allgemeine­n Bürgerlich­en Gesetzbuch (ABGB) vor, hat grundsätzl­ich bei Ereignisse­n von höherer Gewalt der Auftragneh­mer, also das Bauunterne­hmen, alle Risken zu tragen. So sieht es das ABGB vor.

Sollten also Schäden an einem im Bau befindlich­en Wohnhaus entstehen, weil notwendige Arbeiten nicht gemacht werden können, muss die Baufirma dafür geradesteh­en. Wohlgemerk­t: Das bedeutet nicht, dass der Auftraggeb­er automatisc­h Schadeners­atz von seinem Auftragneh­mer verlangen kann, wenn das Projekt nicht bis zum vereinbart­en Termin fertig wird. „Mit Schadeners­atzforderu­ngen wird er nur dann Erfolg haben, wenn die Baufirma ein subjektive­s Verschulde­n an der Verzögerun­g trifft“, sagt Rechtsanwa­lt Thomas Frad. „Wenn aber Mitarbeite­r aufgrund der behördlich­en Schutzmaßn­ahmen eine Baustelle nicht betreten dürfen oder es wegen der Corona-Pandemie zu Lieferschw­ierigkeite­n kommt, kann man dem Bauunterne­hmen keinen Vorwurf machen.“

In der Praxis wird jedoch häufig vereinbart, dass nicht die Regelungen des ABGB, sondern die ÖNorm B2110 gelten soll. Und dann ist alles umgekehrt: „Der Auftraggeb­er hat dann dafür zu haften, wenn die Fertigstel­lung des Bauwerks unmöglich wird, wenn das auf Ereignisse zurückzufü­hren ist, die zum Vertragsab­schluss nicht vorhersehb­ar waren oder vom Auftragneh­mer nicht abgewendet hätten werden können“, sagt Frad.

IWas hat eine Baufirma zu tun, wenn ihr die Mitarbeite­r aufgrund der Corona-Krise fehlen? Wenn für den Chef einer Baufirma absehbar ist, dass ein Teil seiner Mitarbeite­r nicht so bald aus Polen oder der Slowakei zurückkomm­en wird, hat er sich jedenfalls zeitgerech­t um Ersatz für sie zu kümmern, erklärt Baurechtse­xperte Frad, und zwar auch dann, wenn die ÖNorm Grundlage des Vertrags ist. „Nachdem zahlreiche Bauvorhabe­n derzeit im Einvernehm­en beider Vertragspa­rteien nicht fortgeführ­t werden, wird es wohl genügen Kapazitäte­n am Markt geben. Es ist Bauunterne­hmen also zumutbar, sich um neues Personal zu bemühen.“

 ?? [ APA ] ?? Auch bei der Großbauste­lle am Westbahnho­f, wo eine neue Filiale von Ikea entstehen soll, könnte der Betrieb bald wieder aufgenomme­n werden.
[ APA ] Auch bei der Großbauste­lle am Westbahnho­f, wo eine neue Filiale von Ikea entstehen soll, könnte der Betrieb bald wieder aufgenomme­n werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria