Die große Krise steht uns noch bevor
Die Regierung bekommt aktuell viel Lob. Es ist aber zu erwarten, dass sich die Corona-Krise bald zu einer politischen Krise entwickeln wird.
In der christlichen Eschatologie hat das Osterfest eine besondere Bedeutung, symbolisiert es doch die Gewissheit der Befreiung von aller Verdammnis. Nach einer 40-tägigen Fastenzeit feiert die Christenheit mit der Auferstehung Jesus Christi den Sieg über den Tod. Wir alle, ob gläubig oder nicht, fiebern im Moment in seltener Einigkeit und großer Erwartung dem Osterfest entgegen. Denn an diesem symbolträchtigen Datum wird sich weisen, ob die Macht des Virus, das Österreich in den Ausnahmezustand versetzt hat, noch länger anhalten wird oder aber eine langsame Rückkehr zu unseren gewohnten, liberal geprägten Lebensformen vertretbar erscheint.
In den Wochen des Ausnahmezustands haben wir gelernt, wie schnell sich die Dinge verkehren können: Abstand zu halten gilt unter dem Diktat des Virus als Gebot der Fürsorge, Kontaktvermeidung wird zur höchsten Form der Solidarität. Um die Wirksamkeit der Krisenpolitik zu verbessern, sind wir bereit, politische Bedenken bezüglich der Nutzung von Handydaten zum Zweck der Mobilitätskontrolle hintanzustellen. Um Leben zu schützen (potenziell unser eigenes), akzeptieren wir die vorübergehende Einschränkung individueller Freiheitsrechte, die zum Kern der Demokratie gehören.
Das ist es, was der französische Philosoph Michel Foucault mit Blick auf die Seuchenbekämpfung im 18. und 19. Jahrhundert als „Biopolitik“charakterisiert hat: Um das Leben produktiver, besser, lebenswerter zu machen, muss es überwacht, klassifiziert und administriert werden.
Diese Sorge um das Leben legitimiert die Ausübung von Macht, mitunter auch die Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen, die geeignet sind, das Selbstverständnis der liberalen Demokratie auf die Probe zu stellen. Im Moment läuft, könnte man sagen, ein groß angelegter demokratischer Stresstest in Echtzeit, man denke etwa an die Einschränkung der Versammlungsfreiheit, an Begrenzungen der Mobilität oder an Eingriffe in die freie Ausübung der Religion oder des Berufs.
Ein Ausnahmezustand, wie wir ihn derzeit erleben, lebt von der Suggestion einer Gefahr für Leib und Leben, wie sie eigentlich für den militärischen Notfall typisch ist. Wahrscheinlich bedient sich genau deshalb die höchste politische Ebene so instinktsicher einer aufschlussreichen Kriegsmetaphorik. Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, alarmierte in einer Fernsehansprache seine Landsleute, Frankreich stehe im Krieg gegen einen „unsichtbaren Feind“. US-Präsident Donald Trump, der die Gefahren einer Corona-Pandemie lange Zeit heruntergespielt hatte, erklärte, als sich die Realität nicht mehr länger wegtwittern ließ, kurzerhand: „Wir sind im Krieg.“Und aus Italien verlau