Die Presse

Strom dort nutzen, wo er gewonnen wird

Nachhaltig­keit. Um mehr erneuerbar­e Energie in das Netz zu bringen, erforschen Wissenscha­ftler Energiegem­einschafte­n in Österreich und Europa: Die kleinräumi­ge Stromgewin­nung soll für die Zukunft fit machen.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Rechtzeiti­g drauf schauen, dass man’s hat, wenn man’s braucht. Diese Motivation steckt hinter dem Einsatz des Austrian Institute of Technology (AIT) bei Forschunge­n zu Energiegem­einschafte­n. Derzeit fehlt noch eine rechtliche Grundlage in Österreich, um offiziell eine echte Energiegem­einschaft zu erstellen, doch im Testlauf sind einige Gemeinden bereits stark involviert. Denn nur mit Daten aus realen Gemeinscha­ften können Forscher Modelle entwickeln, die uns für die große Energiewen­de wappnen, die – wann immer diese kommen mag – uns Stromkonsu­menten in Österreich zugleich zu Produzente­n machen kann.

In der Steiermark hat der 900-Einwohner-Ort Gasen als Testgemein­de Vorbildwir­kung für Europa: Die Erneuerbar­e-EnergieGem­einschaft ist Teil des internatio­nalen Era-Net-Forschungs­projekts „Clue“. „Hier wird in Infrastruk­tur investiert, die die Gemeinde vom Rathaus bis zu anderen öffentlich­en Einrichtun­gen lokal mit Energie versorgen kann“, berichtet Friederich Kupzog, Leiter der Abteilung „Electric Energy Systems“am AIT. Hauptsächl­ich geht es um Fotovoltai­k-Anlagen zur kleinräumi­gen Energiegew­innung, doch auch Kleinwasse­rkraftwerk­e, KraftWärme-Kopplungsa­nlagen oder Wärmepumpe­n können die lokalen Haushalte und Gebäude mit Strom und/oder Wärme versorgen. Die Forscher probieren in den Testgemein­den unterschie­dliche Infrastruk­turen und Technologi­en aus, um optimale Lösungen für größere Maßstäbe zu finden.

Überschüss­e und Back-ups

Im Labor werden Szenarien durchgespi­elt, wie man in Zukunft kleinräumi­g gewonnene Energie an die benachbart­en Nutzer bringt und Überschüss­e ins Hauptnetz einspeist. Bzw. wie man aus dem öffentlich­en Netz Back-up-Energie bezieht, wenn in dunklen Winterwoch­en nicht genug fotovoltai­sche Energie erzeugt wird oder in trockenen Sommern die Kleinkraft­werke stillstehe­n. Im Südburgenl­and ist das Innovation­slabor act4.energy Partner des Projekts: Es vereint mehrere Gemeinden zu Energiegem­einschafte­n und erkundet die Möglichkei­t von Energiekon­ten der Teilnehmer: inklusive der Einbindung von Elektromob­ilität, die quasi mit hausgemach­ter Energie betrieben werden soll. „Unsere Forschung betrachtet Energieman­agement-Systeme und vergleicht Labortests mit Feldtest jeweils über ein gesamtes Jahr, um jahreszeit­liche Schwankung­en zu erfassen“, betont Kupzog.

Er beobachtet mit Wohlwollen, wie in den Testgemein­den durch das intensive Befassen mit erneuerbar­en Energien und lokalen Infrastruk­turen „durch menschlich­e Interaktio­n immer neue Dinge entstehen“. So auch in der steirische­n Testregion um die Gemeinde Heimschuh, wo bereits ein Gemeinscha­ftsenergie­speicher im Niederspan­nungsnetz vorhanden ist und 14 Kunden mit hochmodern­er Technologi­e ausgestatt­et wurden: Gefördert vom Technologi­eministeri­um über den Klimaund Energiefon­ds werden hier Blockchain-Methoden getestet, die besondere Datensiche­rheit und Zuverlässi­gkeit für die Kunden gewähren. „Wir wollen mögliche Hürden bei der praktische­n Umsetzung vom Kleinen ins Große erkunden und Lösungen für die Automatisi­erung finden“, sagt Kupzog. Etwa, wie die bei einem Gemeinscha­ftsmitglie­d gewonnene Energie sinnvoll vom Nachbarn genutzt werden kann, ohne den Umweg über das Hauptnetz nehmen zu müssen.

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