Strom dort nutzen, wo er gewonnen wird
Nachhaltigkeit. Um mehr erneuerbare Energie in das Netz zu bringen, erforschen Wissenschaftler Energiegemeinschaften in Österreich und Europa: Die kleinräumige Stromgewinnung soll für die Zukunft fit machen.
Rechtzeitig drauf schauen, dass man’s hat, wenn man’s braucht. Diese Motivation steckt hinter dem Einsatz des Austrian Institute of Technology (AIT) bei Forschungen zu Energiegemeinschaften. Derzeit fehlt noch eine rechtliche Grundlage in Österreich, um offiziell eine echte Energiegemeinschaft zu erstellen, doch im Testlauf sind einige Gemeinden bereits stark involviert. Denn nur mit Daten aus realen Gemeinschaften können Forscher Modelle entwickeln, die uns für die große Energiewende wappnen, die – wann immer diese kommen mag – uns Stromkonsumenten in Österreich zugleich zu Produzenten machen kann.
In der Steiermark hat der 900-Einwohner-Ort Gasen als Testgemeinde Vorbildwirkung für Europa: Die Erneuerbare-EnergieGemeinschaft ist Teil des internationalen Era-Net-Forschungsprojekts „Clue“. „Hier wird in Infrastruktur investiert, die die Gemeinde vom Rathaus bis zu anderen öffentlichen Einrichtungen lokal mit Energie versorgen kann“, berichtet Friederich Kupzog, Leiter der Abteilung „Electric Energy Systems“am AIT. Hauptsächlich geht es um Fotovoltaik-Anlagen zur kleinräumigen Energiegewinnung, doch auch Kleinwasserkraftwerke, KraftWärme-Kopplungsanlagen oder Wärmepumpen können die lokalen Haushalte und Gebäude mit Strom und/oder Wärme versorgen. Die Forscher probieren in den Testgemeinden unterschiedliche Infrastrukturen und Technologien aus, um optimale Lösungen für größere Maßstäbe zu finden.
Überschüsse und Back-ups
Im Labor werden Szenarien durchgespielt, wie man in Zukunft kleinräumig gewonnene Energie an die benachbarten Nutzer bringt und Überschüsse ins Hauptnetz einspeist. Bzw. wie man aus dem öffentlichen Netz Back-up-Energie bezieht, wenn in dunklen Winterwochen nicht genug fotovoltaische Energie erzeugt wird oder in trockenen Sommern die Kleinkraftwerke stillstehen. Im Südburgenland ist das Innovationslabor act4.energy Partner des Projekts: Es vereint mehrere Gemeinden zu Energiegemeinschaften und erkundet die Möglichkeit von Energiekonten der Teilnehmer: inklusive der Einbindung von Elektromobilität, die quasi mit hausgemachter Energie betrieben werden soll. „Unsere Forschung betrachtet Energiemanagement-Systeme und vergleicht Labortests mit Feldtest jeweils über ein gesamtes Jahr, um jahreszeitliche Schwankungen zu erfassen“, betont Kupzog.
Er beobachtet mit Wohlwollen, wie in den Testgemeinden durch das intensive Befassen mit erneuerbaren Energien und lokalen Infrastrukturen „durch menschliche Interaktion immer neue Dinge entstehen“. So auch in der steirischen Testregion um die Gemeinde Heimschuh, wo bereits ein Gemeinschaftsenergiespeicher im Niederspannungsnetz vorhanden ist und 14 Kunden mit hochmoderner Technologie ausgestattet wurden: Gefördert vom Technologieministerium über den Klimaund Energiefonds werden hier Blockchain-Methoden getestet, die besondere Datensicherheit und Zuverlässigkeit für die Kunden gewähren. „Wir wollen mögliche Hürden bei der praktischen Umsetzung vom Kleinen ins Große erkunden und Lösungen für die Automatisierung finden“, sagt Kupzog. Etwa, wie die bei einem Gemeinschaftsmitglied gewonnene Energie sinnvoll vom Nachbarn genutzt werden kann, ohne den Umweg über das Hauptnetz nehmen zu müssen.