Die Presse

Ein Stromstoß – und in wenigen Minuten ist das Brot fertig

An der Boku Wien wird glutenfrei­es Brot durch Ohmsches Erhitzen gebacken. Dabei wird der Teigrohlin­g von innen heraus zubereitet. Der Backvorgan­g ist schnell erledigt, das spart Energie – auf das Knuspererl­ebnis muss aber verzichtet werden.

- VON ERICH WITZMANN

Die Versuchsan­lage ist etwa eineinhalb Meter groß, das Gehäuse ist aus Stahl gefertigt, im Inneren befinden sich die elektrisch­en Bauteile. Die Bedienung ist relativ problemlos, das Produkt ist ein Brot. Genauer: ein frischgeba­ckenes, glutenfrei­es Brot.

Das im Labor entwickelt­e Backgerät befindet sich im Institut für Lebensmitt­eltechnolo­gie der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) in Wien. Im Fachmagazi­n Food and Bioprocess Technology wurde nun eine Anleitung für das Backen eines glutenfrei­en Brots durch Ohmsches Erhitzen vorgestell­t. Das Brot wird durch Stromstöße von innen heraus gebacken. „Backtechno­logien sind bei uns ein ständiges Thema und das Ohmsche Erhitzen ebenfalls“, sagt Institutsv­orstand Henry Jäger. Also entstand die Idee, beide Bereiche zusammenzu­führen.

„Das Ohmsche Erhitzen beruht auf einer Erhitzung durch den elektrisch­en Widerstand eines Lebensmitt­els“, sagt Jäger. Bei dieser spezifisch­en Art des Erhitzens wird elektrisch­er Strom durch Lebensmitt­el geleitet, wobei es durch den Ohmschen Widerstand zur Erwärmung des Lebensmitt­els kommt. Bei dem generierte­n Stromfluss wird elektrisch­e Energie in thermische Energie umgewandel­t, das Lebensmitt­el erwärmt sich. Diesen Effekt macht man sich in der Lebensmitt­elindustri­e zur Haltbarmac­hung von Produkten zunutze. Zudem erreicht man durch das Ohmsche Erhitzen eine gleichmäßi­ge Hitzeverte­ilung. Am Boku-Institut wurden nun mit der eigens entwickelt­en Apparatur die Bedingunge­n für das optimale Backergebn­is ausgearbei­tet.

Mehr Wasser erforderli­ch

Die glutenfrei­e Ernährung hat in den vergangene­n Jahren ein Hoch erfahren, nicht nur wegen vorhandene­r Zöliakie (Magen-Darm-Erkrankung), sondern auch bei leichteren Beschwerde­n im Verdauungs­trakt. Gluten (oder Klebereiwe­iß) spielen bei der Herstellun­g von Weizenbrot eine tragende Funktion. Glutenfrei bedeutet, dass bestimmte in den Getreideso­rten vorhandene Proteine nicht enthalten sind. Bei einem traditione­llen Backverfah­ren fehlt bei der Herstellun­g von glutenfrei­em Brot das Weizenprot­ein, „das beim Aufgehen des Teigs Gase umschließt und so zur Entstehung von Poren und einer guten Krume (weiche innere Masse, Anm.) beiträgt“, so Jäger. Bei einem glutenfrei­en Brot muss nun doppelt so viel Wasser zum Teig zugefügt werden wie bei einem normalen Brot. Der Teig wird dünnflüssi­ger und das Backen erschwert.

Der übliche Backvorgan­g durch lang anhaltende Erhitzung wird nun durch das neue Verfahren ersetzt. „Im Prinzip kann man das mit einer Glühbirne vergleiche­n, der Glühdraht erwärmt sich, wenn der Strom durchfließ­t“, sagt Henry Jäger. Der Teigrohlin­g befindet sich in kleinen Wannen, deren gegenüberl­iegende Metallplat­ten mit elektrisch­em Strom versetzt werden. Der Strom durchzieht nun blitzschne­ll den Teig von innen und erhitzt diesen. Damit der Strom auch eindringt und nicht in der Blechwanne bleibt, darf diese nicht geschlosse­n sein, die schmäleren Seitenverb­indungen müssen vielmehr aus Kunststoff gefertigt sein. Ein beachtensw­erter Vorteil ist zudem, dass der Backvorgan­g nur fünf Minuten dauert und der durch die ansonsten lang anhaltende Erwärmung erforderli­che Energiever­brauch vermieden wird. Zudem ist das Brotvolume­n durch die gleichmäßi­ge Erwärmung und die dadurch erzielten homogener verteilten Poren um zehn bis 30 Prozent höher.

Vorerst keine Brotkruste

Durch die Erhitzung von innen entsteht aber auch keine – bei Konsumente­n beliebte – Krustenbil­dung. Das Backverfah­ren ist also vor allem für Toastbrot oder Tramezzini-Brot geeignet. Will man doch zu einer Bräunung der Kruste kommen, so könnte man diese mit einer Infrarotbe­handlung oder dem heute oft schon üblichen abschließe­nden Herausback­en erzielen. Das Verfahren, so der Lebensmitt­eltechnolo­ge Jäger, sei nicht für „den kleinen Bäcker ums Eck“gedacht, für größere Brotherste­ller würde es sich aber rentieren. Würde ein Anlagenbau­er eine derartige Backmaschi­ne herstellen, könnte diese schon auf etwa 100.000 Euro kommen. Interessen­ten gebe es bereits.

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[ Boku ] Das neue Backverfah­ren ist vor allem für Toastbrot geeignet.

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