Wo Keime auf Reisen am liebsten wohnen
Hygiene. Keimbelastungen für Reisende warten nicht unbedingt dort, wo man denkt. Sondern dort, worüber man nicht nachdenkt. Die unreinsten Orte auf dem Flughafen und wo im Flieger und im Hotel die größten Gefahren lauern.
Selten war die Aufmerksamkeit für potenzielle Keimträger so hoch wie im Moment beziehungsweise auf den letzten Kilometern von der Urlaubsdestination nach Hause in die Quarantäne: Die Frage, welche Oberflächen Risken bergen, beschäftigt in Zeiten von Corona. Das gilt für das Reisen ganz speziell, auch wenn es derzeit in mittlere Zukunft gerückt ist. Ob auf dem Flughafen, im Flieger oder im Hotel: Man wird sich auch nach ausgestandener Krise wohl etwas genauer überlegen, nach dem Berühren welcher Oberflächen man sich unbedingt die Hände waschen sollte, ehe man sich das nächste Mal ins Gesicht fährt. Fragen, die diverse Studien und Untersuchungen in den vergangenen Jahren immer wieder beantwortet haben – allerdings zuvor meist wenig beachtet. Und das, obwohl die Antworten teils überraschend sind und potenzielle Übeltäter identifizieren, die man eher weiter hinten auf der Liste vermutet hätte.
Anfällig auf dem Flughafen
Auf dem Flughafen beispielsweise sind es gar nicht wie meist vermutet die stillen Orte, an denen sich die meisten Keime tummeln. In einer Untersuchung der Universität von Nottingham und des Finnischen Nationalen Instituts für Gesundheit und Gemeinwohl auf dem Flughafen Helsinki-Vantaa im Winter 2016 fanden sich wesentlich mehr Keime auf den Gepäckschalen an den Sicherheitskontrollen als auf den Toiletten. Was bei genauerem Nachdenken wenig verwundert, da diese deutlich seltener gereinigt werden, dafür aber unter anderem jede Menge Schuhe und Gepäckstücke aufnehmen müssen, die kurz zuvor noch auf der Straße unterwegs waren. Und bei der nächsten „Runde“dann das Handy des nächsten Reisenden, der es sich direkt nach der Sicherheitskontrolle wieder ans Ohr und damit ins Gesicht hält. Genau wie den Laptop, der kurz danach sorglos wieder aufgeklappt wird.
Hier fanden die Forscher auf der Hälfte aller Schalen für den Handgepäckscheck Spuren von mindestens einem Virus, das Atemwegserkrankungen auslösen kann. Noch schlimmer war der Test an einem Gerät im Kinderspielbereich, bei dem 67 Prozent der Abstriche positiv waren.
Weitere Stellen, an denen die Forscher auf dem Flughafen besonders fündig wurden, waren die Bezahlterminals in den Geschäften (50 Prozent), die Glasscheiben und Tische rund um die Passkontrollen (33 Prozent) sowie die Handläufe der (Roll-)Treppen (14 Prozent). Auf den Oberflächen der Toiletten konnten dagegen keine entsprechenden Viren festgestellt werden.
Keime im Flugzeug
Wer sich dem Thema Desinfizieren des Flugzeugsitzes auf unterhaltsame Weise nähern möchte, kann das auf den diversen VideoKanälen tun, indem er die Namen Naomi Campbell oder Nicole Ritchie in Kombination mit „Plane“, „Cleaning“und „Germophob“in die Suche eingibt. Beide Damen haben es mit ihren Putzaktivitäten in der Business Class zu Berühmtheit gebracht – und sind nach bisherigem Wissensstand auch von Infektionen aus dem Flieger verschont worden. Was damit zu tun haben könnte, welche Oberfläche im Flieger immer wieder als die schmutzigste von allen identifiziert wird: das Tischerl zum Herunterklappen. Und das in wirklich deutlichem Ausmaß.
Nach Messungen von Travelmath, die sich auf Hygienestudien im Reisebereich spezialisiert haben, fanden sich auf den Tischchen 2155 sogenannte CFU – eine Angabe für die Anzahl koloniebildender Einheiten von Bakterien pro Quadrat-Inch (6,5 Quadratzentimeter). Wie viele das sind, wird im Vergleich deutlich: So finden sich auf dem eigentlich verdächtigeren Spülknopf im Flugzeug-WC gerade einmal 265 CFU auf der entsprechenden Fläche. Womit dieser Knopf auch noch hinter den Schaltern für das Gebläse über dem Sitz (285 CFU), allerdings vor den Schnallen der Sicherheitsgurte (230 CFU) rangiert.
Schwachstellen im Hotel
An den üblichen Mythen ist dagegen in Hotels durchaus etwas Wahres dran, wie Philip Tierno, Professor für Mikrobiologie an der Universität von New York, gegenüber der „New York Post“erklärt hat. Denn österreichische Hygienestandards können nicht überall auf der Welt vorausgesetzt werden, und so ist es keineswegs nur ein böses Gerücht, dass überlastete und unterbezahlte Zimmermädchen im Bad durchaus einen Putzfetzen für alle zu reinigenden Bereiche nutzen – die Wanne und das Waschbecken inklusive. Und auch aufgrund des knappen Zeitfensters nicht alles immer allzu gründlich reinigen können. Deshalb rät der Biologe beispielsweise dazu, eher zu duschen als ein Bad zu nehmen, „da sich mit der Zeit in der Wanne ein gewisser Film bilden kann, der Bakterien enthält“, wie er erklärt.
Im Zimmer selbst gehört die Fernbedienung zu den größten Bazillenschleudern, wie verschiedene Untersuchungen zeigen – womit sie in den Travelmath-Untersuchungen mit gut 1,2 Millionen CFU nur leicht hinter den Waschbeckenbereich mit knapp 1,3 Millionen CFU rangiert. Die nächstschmutzige Oberfläche im Hotel ist dann der Schreibtisch mit knapp 615.000 CFU – hier spielt die Sterne-Kategorie eine Rolle: So wurden auf den Schreibtischen in Vier-Sterne-Häusern mehr Keime gefunden, was die Forscher darauf zurückführen, dass in dieser Kategorie viele Geschäftsreisende unterwegs sind, die die Schreibtische auch wirklich nutzen. Hier finden sich die Schreibtische daher meist noch vor der Fernbedienung, in den anderen Sterne-Kategorien folgt diese aber gleich auf die Sanitärräume. Daher raten die Profis dazu, die Fernbedienung einfach in einen Klarsichtbeutel zu stecken. Und alle anderen Oberflächen auf Reisen im Zweifelsfall mit einem Desinfektionstuch abzuwischen – wie das besonders gründlich geht, lässt sich bei den Promi-Damen Campbell und Ritchie auf YouTube wunderbar beobachten.