Online in die neue Wohnung
Wohngeschichte. Bevor man umsiedelt, muss man suchen – dieser Tage virtuell, auch, was die Besichtigung betrifft. Funktioniert das? Und wie? Wir haben es ausprobiert.
Virtuell eine Wohnung zu betreten klingt spannend – wie wird es sein? Wenn man über Parkett schreitet oder die Aussicht bewundert, nimmt man ja nicht nur Optik, sondern auch Haptik, Geruch und Geräusche wahr. Aber egal: Die Immobilienbranche hat die Corona-bedingte Kontaktbeschränkung zur Tugend gemacht, zahlreiche Bauträger und Makler bieten dieser Tage virtuelle 360-Grad-Touren an, wahlweise in Eigenregie oder mit Beratung.
Fenster statt Treppe
Erster Stopp ist eine Doppelhaushälfte in Strasshof. Zuvor werden im Inserat der Raiffeisen Immobilien-Vermittlung die persönlichen Daten eingegeben und eine Anfrage wird an den zuständigen Makler, Karl Spreng, abgeschickt. Per Mail kommt die Information, alle Leistungen seien bis zu einem Vertragsabschluss kostenlos – aufgrund der EU-Richtlinie muss bestätigt werden, dass über alle Konsumenten- und Rücktrittsrechte informiert wurde, die über einen Link abrufbar sind. Wie bei einer echten Wohnungsbesichtigung eben. Nach ein paar Klicks kann es losgehen. Spreng ist per Telefon „anwesend“, kleine Buttons führen Klick für Klick durch die Räume, die Spreng kommentiert. Das Musterhaus ist leer, was es ein bisschen schwierig macht, ein Raumgefühl zu bekommen, Größenverhältnisse abzuschätzen – dennoch bekommt man einen Eindruck von Raumaufteilungen, Freiflächen, Umgebung.
Zwischendurch nimmt der Spieltrieb überhand: Ab geht es durch das Badezimmerfenster in den ersten Stock, statt brav die Treppe zu nehmen. Manchmal würden Immobilien auch eingerichtet, also gestaged, bevor sie digitalisiert werden, bei anderen sind Möbel des Vorbesitzers noch vorhanden. „Wir versuchen, die
Immobilie möglichst realitätsnah darzustellen: „Niemand hat etwas davon, wenn beim Besuch vor Ort die große Enttäuschung kommt“, erklärt Spreng.
Welt aus Renderings und Fotos
Nur einen Klick entfernt wartet eine Wohnung der Bel&Main Residences der Signa beim Hauptbahnhof. Bezugsfertig sollen die Mietwohnungen im Dezember 2020 sein, weshalb Weronika Pilus, für die Vermietung zuständig, durch ein 3-D-Rendering führt. Anfangs ziert sich der Laptop, weshalb die ersten Minuten aus typischen „Hören Sie mich?“-Rufen bestehen, die jeder kennt, der schon geskypt hat. Nach erfolgreicher Verbindung teilt Pilus ihren Bildschirm, sodass sie das Klicken übernimmt. Die Wohnung ist voll eingerichtet, es kommt ein Traumwelt-Gefühl auf, in das sich Skepsis mischt – sieht das dann wirklich so aus? Alle Details der Wohnung seien penibel nach Bau
Durch die Kontaktbeschränkungen setzen zahlreiche Bauträger und SuchPlattformen verstärkt auf virtuelle Wohnungsbesichtigungen. Wie in einem Computerspiel können Besucher die Räume virtuell durchgehen, auf Wunsch
Bereits bestehende Objekte werden durch Videos und Fotos, in Bau befindliche per Renderings virtuell besuchbar. Rechtlich entspricht ein virtueller Besuch einem realen – er ist unverbindlich. und Ausstattungsbeschreibung und in Zusammenarbeit mit den Architekten kreiert worden, versichert Pilus, Luftaufnahmen zeigen die Aussicht. Je nach Bedarf schickt Pilus auch Fotos und Videos der Wohnungen, geht – verbunden über WhatsApp oder Skype – mit dem potenziellen Käufer durch und zeigt gewünschte Details. Insgesamt mache sie gute Erfahrungen mit der virtuellen Tour: „Die Interessenten kommen sogar mit ausgedruckten Screenshots, sind perfekt vorbereitet.“
Nun steht ein Wohnprojekt der EHL am Heumarkt auf dem Programm – die Besichtigung gemeinsam mit Sandra Bauernfeind, Leiterin Wohnimmobilien, und Prokuristin Karina Schunker in der Telefonkonferenz. Auch hier handelt es sich um ein Rendering, der Ausblick ist „echt“, besteht also aus eingefügten Fotos. Wie die vorigen Touren ist diese kompatibel mit VR-Brillen und mobilen Endgeräten. Bei Handys oder Tablets mit einem Gyroskop reicht es, das Gerät zu bewegen, um durch den Raum zu schwenken. Mit einem Klick kann der Grundriss eingeblendet werden, der hier auch die Blickrichtung anzeigt. Rechtlich mache eine virtuelle Tour beim Vertragsabschluss keinen Unterschied, erklärt Bauernfeind, schließlich sei auch eine Wohnungsbesichtigung dafür nicht zwingend notwendig.
Welche Wohnungen werden eigentlich digitalisiert? „Wir bieten virtuelle Touren vor allem bei Projekten an, die über mehrere Wohnungen verfügen – so kann man online eine exemplarisch herzeigen“, erklärt Bauernfeind. Nach der Coronakrise erwartet sie, dass die Onlinetouren flächendeckender und etablierter sein werden – und sich technisch rasant entwickeln. „Es gibt schon Programme, mit denen ich einen Apfel aus der Obstschale nehmen kann, einen Ball in den Raum werfen“, freut sich Bauernfeind auf zukünftige Möglichkeiten.