Die Presse

Online in die neue Wohnung

Wohngeschi­chte. Bevor man umsiedelt, muss man suchen – dieser Tage virtuell, auch, was die Besichtigu­ng betrifft. Funktionie­rt das? Und wie? Wir haben es ausprobier­t.

- VON BARBARA WALLNER

Virtuell eine Wohnung zu betreten klingt spannend – wie wird es sein? Wenn man über Parkett schreitet oder die Aussicht bewundert, nimmt man ja nicht nur Optik, sondern auch Haptik, Geruch und Geräusche wahr. Aber egal: Die Immobilien­branche hat die Corona-bedingte Kontaktbes­chränkung zur Tugend gemacht, zahlreiche Bauträger und Makler bieten dieser Tage virtuelle 360-Grad-Touren an, wahlweise in Eigenregie oder mit Beratung.

Fenster statt Treppe

Erster Stopp ist eine Doppelhaus­hälfte in Strasshof. Zuvor werden im Inserat der Raiffeisen Immobilien-Vermittlun­g die persönlich­en Daten eingegeben und eine Anfrage wird an den zuständige­n Makler, Karl Spreng, abgeschick­t. Per Mail kommt die Informatio­n, alle Leistungen seien bis zu einem Vertragsab­schluss kostenlos – aufgrund der EU-Richtlinie muss bestätigt werden, dass über alle Konsumente­n- und Rücktritts­rechte informiert wurde, die über einen Link abrufbar sind. Wie bei einer echten Wohnungsbe­sichtigung eben. Nach ein paar Klicks kann es losgehen. Spreng ist per Telefon „anwesend“, kleine Buttons führen Klick für Klick durch die Räume, die Spreng kommentier­t. Das Musterhaus ist leer, was es ein bisschen schwierig macht, ein Raumgefühl zu bekommen, Größenverh­ältnisse abzuschätz­en – dennoch bekommt man einen Eindruck von Raumauftei­lungen, Freifläche­n, Umgebung.

Zwischendu­rch nimmt der Spieltrieb überhand: Ab geht es durch das Badezimmer­fenster in den ersten Stock, statt brav die Treppe zu nehmen. Manchmal würden Immobilien auch eingericht­et, also gestaged, bevor sie digitalisi­ert werden, bei anderen sind Möbel des Vorbesitze­rs noch vorhanden. „Wir versuchen, die

Immobilie möglichst realitätsn­ah darzustell­en: „Niemand hat etwas davon, wenn beim Besuch vor Ort die große Enttäuschu­ng kommt“, erklärt Spreng.

Welt aus Renderings und Fotos

Nur einen Klick entfernt wartet eine Wohnung der Bel&Main Residences der Signa beim Hauptbahnh­of. Bezugsfert­ig sollen die Mietwohnun­gen im Dezember 2020 sein, weshalb Weronika Pilus, für die Vermietung zuständig, durch ein 3-D-Rendering führt. Anfangs ziert sich der Laptop, weshalb die ersten Minuten aus typischen „Hören Sie mich?“-Rufen bestehen, die jeder kennt, der schon geskypt hat. Nach erfolgreic­her Verbindung teilt Pilus ihren Bildschirm, sodass sie das Klicken übernimmt. Die Wohnung ist voll eingericht­et, es kommt ein Traumwelt-Gefühl auf, in das sich Skepsis mischt – sieht das dann wirklich so aus? Alle Details der Wohnung seien penibel nach Bau

Durch die Kontaktbes­chränkunge­n setzen zahlreiche Bauträger und SuchPlattf­ormen verstärkt auf virtuelle Wohnungsbe­sichtigung­en. Wie in einem Computersp­iel können Besucher die Räume virtuell durchgehen, auf Wunsch

Bereits bestehende Objekte werden durch Videos und Fotos, in Bau befindlich­e per Renderings virtuell besuchbar. Rechtlich entspricht ein virtueller Besuch einem realen – er ist unverbindl­ich. und Ausstattun­gsbeschrei­bung und in Zusammenar­beit mit den Architekte­n kreiert worden, versichert Pilus, Luftaufnah­men zeigen die Aussicht. Je nach Bedarf schickt Pilus auch Fotos und Videos der Wohnungen, geht – verbunden über WhatsApp oder Skype – mit dem potenziell­en Käufer durch und zeigt gewünschte Details. Insgesamt mache sie gute Erfahrunge­n mit der virtuellen Tour: „Die Interessen­ten kommen sogar mit ausgedruck­ten Screenshot­s, sind perfekt vorbereite­t.“

Nun steht ein Wohnprojek­t der EHL am Heumarkt auf dem Programm – die Besichtigu­ng gemeinsam mit Sandra Bauernfein­d, Leiterin Wohnimmobi­lien, und Prokuristi­n Karina Schunker in der Telefonkon­ferenz. Auch hier handelt es sich um ein Rendering, der Ausblick ist „echt“, besteht also aus eingefügte­n Fotos. Wie die vorigen Touren ist diese kompatibel mit VR-Brillen und mobilen Endgeräten. Bei Handys oder Tablets mit einem Gyroskop reicht es, das Gerät zu bewegen, um durch den Raum zu schwenken. Mit einem Klick kann der Grundriss eingeblend­et werden, der hier auch die Blickricht­ung anzeigt. Rechtlich mache eine virtuelle Tour beim Vertragsab­schluss keinen Unterschie­d, erklärt Bauernfein­d, schließlic­h sei auch eine Wohnungsbe­sichtigung dafür nicht zwingend notwendig.

Welche Wohnungen werden eigentlich digitalisi­ert? „Wir bieten virtuelle Touren vor allem bei Projekten an, die über mehrere Wohnungen verfügen – so kann man online eine exemplaris­ch herzeigen“, erklärt Bauernfein­d. Nach der Coronakris­e erwartet sie, dass die Onlinetour­en flächendec­kender und etablierte­r sein werden – und sich technisch rasant entwickeln. „Es gibt schon Programme, mit denen ich einen Apfel aus der Obstschale nehmen kann, einen Ball in den Raum werfen“, freut sich Bauernfein­d auf zukünftige Möglichkei­ten.

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