Den Banken ein Schnippchen schlagen
Da Bauen immer teurer wird, knobelt man an neuen Modellen. Eine Baugruppe in St. AndräWördern setzt bei ihrem Gemeinschaftsprojekt auf einen Vermögenspool.
So die Coronavirus-Epidemie dem Ganzen nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht, rollen im Sommer auf einem 6000 Quadratmeter großen Grundstück in St. Andrä-Wördern bei Klosterneuburg die Bagger an. In den folgenden Monaten wird dort eine kleine Siedlung mit 25 Wohneinheiten entstehen, die sich auf acht Mehrfamilienhäuser und ein Gemeinschaftshaus verteilt. Die Bauweise ist ökologisch ausgerichtet, als Materialien kommen vorzugsweise Lehm, Stroh und Holz zum Einsatz. Das Heizsystem wird eine Grundwasserwärmepumpe und ein Niedertemperatur-Nahwärmenetz umfassen, Strom soll mit Fotovoltaikanlagen generiert werden. Alle Wohnungen sind bereits vergeben, insgesamt 45 Erwachsene und viele Kinder werden nach Fertigstellung in die kleine Siedlung einziehen. Es handelt sich um eine Baugruppe, deren Gründer bereits seit Herbst 2017 an dem Projekt arbeiten und die sich im Laufe der Zeit von acht Personen auf die nunmehrige Anzahl erweitert hat.
Private Reserven anzapfen
Initiativen von Gleichgesinnten, die sich zum Zweck eines Wohnprojekts zusammenschließen, gibt es inzwischen viele und auch die betont ökologische Ausrichtung gehört mittlerweile zum Standard. Neu ist hingegen das Finanzierungsmodell: Die „Auenweide“, wie man die Siedlung getauft hat, soll weniger mit Bankkrediten als vielmehr mit einem genossenschaftlichen „Vermögenspool“finanziert werden. „Damit wollen wir es auch weniger finanzkräftigen Menschen ermöglichen, ihren Traum vom Leben in einer ökosozialen Siedlung zu verwirklichen“, sagt Teresa Distelberger, Gründungsmitglied der ersten Stunde. „Erfunden“hat das Konzept ihr Vater Markus Distelberger, ein Rechtsanwalt, der schon seit vielen Jahren Baugruppen und andere Gemeinschaftsprojekte berät. Es basiert auf der Idee, dass Menschen, die über Geldreserven verfügen, die sie gerade nicht benötigen, in einen Pool einzahlen, um damit anderen die Finanzierung eines bestimmten Projekts zu ermöglichen. Für die Einzahlungen, die quartalsmäßig bei Bedarf wieder entnommen werden können, gibt es zwar keine reale Verzinsung, sie sind aber in Höhe der Inflation wertgesichert. „Die Anleger bilden eine Fördergemeinschaft, die im Grundbuch abgesichert wird und bekommen bei Bedarf ihre Beiträge zuzüglich der Inflation wieder ausbezahlt“, erläutert Markus Distelberger. Das klingt auf den ersten Blick nach wenig, in Zeiten der Nullzinspolitik und krachender Börsen erreicht man damit aber zumindest einen Werterhalt des eingesetzten Kapitals. Das sehen die Anleger offensichtlich ähnlich: Aktuell steht der Vermögenspool der Auenweide bei 4,5 Millionen Euro und damit knapp vor der Erreichung des angepeilten Ziels von rund fünf Millionen. Die andere Hälfte des benötigten Kapitals soll ganz klassisch mittels eines Bankkredits aufgebracht werden.
Bei den Initiatoren betont man besonders den Sicherheitsaspekt. „Im Unterschied zum traditionellen Crowdfunding handelt es sich hier nicht um Nachrangdarlehen“, erläutert Teresa Distelberger. „Das angelegte Kapital ist hypothekarisch besichert, was den Anlegern im Krisenfall einen direkten Zugriff auf die Immobilien ermöglicht. Und der Pool, der von einem Vermögenstreuhänder verwaltet wird, wird erst angetastet, sobald ihm reale Vermögenswerte gegenüberstehen.“So wurde der Grundstückkauf etwa mit Mitteln des Vermögenspools finanziert, Planungs- und andere Kosten in der Vorphase hingegen mit Darlehen der Baugruppenmitglieder, wie Distelberger ausführt.
Erfahrungswerte noch gering
Zum ersten Mal erprobt wurde ein Vermögenspool beim 2006 gestarteten Gemeinschaftsprojekt „Garten der Generationen“in Herzogenburg und in jüngerer Zeit bei mehreren gemeinschaftlichen Revitalisierungsvorhaben. „Das Konzept ist noch relativ neu, und man muss erst schauen, wie es sich bewährt“, sagt Wolfgang Amann, geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Immobilien Bauen und Wohnen (IIBW). Grundsätzlich, meint er, sei alles, was Bauen und Wohnen erschwinglicher macht, zu begrüßen, gleichzeitig dürfe man aber gewisse Risken nicht ausblenden. Ein solches sieht er etwa darin gegeben, „dass bestimmte Ereignisse Anleger veranlassen könnten, ihr Geld gleichzeitig aus dem Pool zu nehmen. Das wäre dann der Fall, wenn etwa Unregelmäßigkeiten in der Finanzgebarung bekannt würden oder grundsätzlich das Vertrauen unter den Beteiligten erodierte.“Im Gegenzug verweist er auf den genossenschaftlichen Wohnbau: „Dabei handelt es sich um ein ähnliches Modell, das ein ausgeprägtes Revisionssystem umfasst, das sich seit über 100 Jahren bewährt hat“, betont er.
Christoph Laimer, Research Fellow für Immobilienwirtschaft und Standortentwicklung an der TU Wien, warnt obendrein, den zeitlichen Aufwand einer VermögenspoolKampagne nicht zu unterschätzen: „Das betrifft das Erstellen von Broschüren und Informationsmaterialien oder die Öffentlichkeitsarbeit genauso wie die Organisation von Veranstaltungen oder Social Media-Arbeit.“
Die Auenweide-Baugruppenmitglieder Georg und Danica Vesely lassen sich von solchen Einwänden nicht abschrecken. „Es gibt so viele Sicherheitsmechanismen bei dem Modell und die Stimmung unter allen Beteiligten ist so gut, da kann einfach nichts schief gehen“, meint Georg Vesely.