In der Krise freiwillig Praxis sammeln
Praxisnähe. Das heimische Krisenmanagement scheint das Gesundheitssystem vorerst vor Personalnot zu bewahren. Tritt diese dennoch ein, könnten Medizinstudenten einspringen.
Die aktuelle Situation in den heimischen Spitälern präsentiert sich trotz steigender Infektionszahlen derzeit noch entspannt. Mit Stand Donnerstagabend scheint das Krisenmanagement vorerst gelungen. So müssen nur wenige Covid-19-Fälle (rund 100) derzeit auf der Intensivstation betreut werden, die insgesamt rund 2500 Intensivbetten gegenüberstehen.
Dennoch besteht die Gefahr, dass die personellen Ressourcen des Gesundheitssystems durch Schließungen ganzer Stationen (infolge von erkranktem Personal und anschließender Quarantäne) in Bedrängnis gebracht werden könnten. Eine Stelle, die seit Beginn der Krise überfordert scheint, ist die Gesundheits-Hotline 1450. Eine Krankenpflegerin, die dort Beratungen durchführt, berichtete vergangene Woche im Ö1-Journal von ihrer Tätigkeit „am Limit“. Sie sei ausgelaugt, da sich die medizinische Beratung für zwei Millionen Wiener auf lediglich 26 Personen pro Acht-Stunden-Schicht aufteile.
Die Forderungen nach mehr Personal wurden mittlerweile erhört. Möglich wurde das auch durch eine Ressourcenquelle, die nun öfter angezapft werden könnte: Medizinstudenten meldeten sich freiwillig, um bei der Hotline auszuhelfen. Das 1450-Team wurde dadurch binnen weniger Tage auf 300 Personen „vervielfacht“, heißt es vom Fonds Soziales Wien.
Dass Studierende nun dort einspringen, wo Personalmangel herrscht, scheint vernünftig. Während in Deutschland der Ärztekammerpräsident öffentlich an Medizinstudenten appellierte, sich freiwillig für Tätigkeiten in den Spitälern zu melden, bleibt ein ähnlicher Aufruf in Österreich vorerst aus. Eine „Presse“-Anfrage bei der Ärztekammer blieb unbeantwortet, die auf die Wiener Med-Uni und den Krankenanstaltenverbund (KAV) verwies.
Inzwischen aber zeigen viele Studierende bereits Eigeninitiative. „Wir sind der Meinung, dass Medizinstudenten demnächst gebraucht werden“, kommentiert Johannes Schmid, Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerinnen und Hochschülerschaft (ÖH) an der Med-Uni Wien, die Lage. „Wenn in Abteilungen Personal erkrankt, werden massiv andere Ressourcen gebraucht werden“, sagt er. „Viele sitzen ja jetzt zu Hause und wollen helfen.“Deshalb habe man als Studierendenvertretung bereits dazu aufgerufen, sich freiwillig zu melden. Mit Erfolg, wie die Beispiele von 1450 und dem Ärztefunkdienst, bei dem Freiwillige nun ebenfalls als telefonische Berater aushelfen, zeigen.
Mitarbeit mit Bedingungen
Viele Initiativen kommen von der Studentenschaft selbst: Derzeit würde von Studierenden aus Deutschland an einer Plattform „basteln“, die Jobangebote von Krankenanstalten und Studierende „matcht“. Die ÖH-Unterstützung aber gebe es nur unter bestimmten Voraussetzungen: „Für uns ist wichtig, dass die Bedingungen passen“, sagt Schmid. Die Freiwilligen müssten jedenfalls angemeldet werden. Wichtig sei auch, im Fall einer Tätigkeit im Spital, „dass sie entsprechende Schutzausrüstung bekommen und versichert sind“.
Sinnvoll scheint eine Mitarbeit vor allem für Studierende späterer Semester. Insbesondere für jene im fünften Jahr, die das Klinische Praktische Jahr (KPJ) absolvieren. Das betrifft in Österreich heuer etwa 1400 Studierende, 345 allein in Wien. Lisa, Studentin an der Wiener Med-Uni im fünften Jahr,
Die Versorgung von bringt die Gesundheitssysteme vieler EU-Länder arg in Bedrängnis. In Österreich scheint das Krisenmanagement zu greifen, dennoch könnte es zu Personallücken kommen. Gefüllt werden könnten diese mitunter von
Die ÖH der Med-Uni Wien hat bereits dazu aufgerufen, sich freiwillig zu melden. Einen öffentlichen Appell der Ärztekammer, wie in Deutschland, gab es bisher aber nicht. ist eine davon. „Bei mir ginge es nach Ostern eigentlich weiter mit einem Praktikum in der Intensivmedizin im AKH.“Wie und ob das Praktikum nun stattfinde, wisse sie nicht. „Wir haben noch keine Info erhalten, aber ich rechne nicht damit, dass es regulär stattfindet“, sagt die 24-Jährige.
Verwirrung beseitigt
„Viel hängen derzeit in der Luft“, kritisiert die ÖH. Vom Wiener KAV habe es zunächst keine klare Linie gegeben, ob die Praktika stattfinden oder nicht. „Da herrscht viel Unsicherheit, da geht es auch um 650 Euro Aufwandsentschädigung haben oder nicht“, sagt Schmid. Auf „Presse“-Anfrage räumt der KAV ein, dass missverständlich kommuniziert worden sei: „Mittlerweile aber ist das geregelt“heißt es. Die Praktika würden wie geplant stattfinden.
Bis dahin bleibt vielen die Zeit und die Chance, sich bei der ÖH freiwillig zu melden. Das kann sich auch Lisa vorstellen: „Wenn nötig, würde ich mich für eine Mitarbeit in der Messehalle melden“, wo 880 Notbetten für den Ernstfall vorbereitet wurden. So könne sie die Krise auch für mehr Praxis nutzen.