Unter den Masken
Expedition Europa: Der Aufbruch zum Hofer fühlt sich an wie ein Abschied an die Front.
Seit ich mit meiner Familie in Selbstisolation lebe, gehe ich nur noch mit Gesichtsmaske einkaufen. Ich trage keine FFP3, von diesem Mercedes unter den Atemschutzmasken kann ich nur träumen, sondern ein Fetzerl von einem eingegangenen Sommerkleid, aus dem mir Frau und Tochter einen Mundschutz genäht haben. Ich geniere mich unsagbar, denn manchmal bin ich beim Neusiedler Hofer der einzige Maskenträger, manchmal schleicht noch ein zweiter herum, wobei der immer ein Unsympathler ist. Der Aufbruch zum Hofer fühlt sich seither an wie ein Abschied an die Front: Maske rauf, Einweghandschuhe rauf, Einkauf unter Blicken, die zu verbergen suchen, dass sie mich für einen Kranken anschauen, Einweghandschuhe runter, Hände desinfizieren, Maske zu Hause in die Waschmaschine, Hände waschen. Ich kaufe jetzt nur noch einmal die Woche ein.
Es ist meine slowakische Frau, die mich zum Tragen der Maske zwingt. Ihre Regierung schreibt Vermummung an allen öffentlichen Orten vor, meine Regierung empfiehlt das Gesunden nicht, und obwohl wir in mehreren Ecken Europas an ein Heimatgefühl andocken können, befördert die Seuche auch bei uns das Phänomen des Zusammenrückens im jeweiligen Nationalstaat. Ich persönlich habe zum Thema Maske keine Meinung. Zwischen meiner Frau und meiner Regierung stehend, wähle ich, weil es weniger Ärger einbringt, die Frau.
Burgenländische Einschicht
Die Slowakei, meine zweite Heimat, hat als erstes Land in der Gegend die Grenzen geschlossen. Ich habe seit mehr als zwei Wochen Einreiseverbot, bin abgeschnitten von meinem Cafetier, meiner Schwiegermutter und meinen Unterstützern aus schweren Zeiten, meine Winterpullover sitzen in der Putzerei drüben fest. Die Slowakei hat ihre raschen radikalen Maßnahmen in höchster Not verhängt: Den Krankenhäusern fehlt schon im Normalbetrieb das Klopapier, und die „Staatsverwaltung der Materialreserven“fand in der Krise keine Reserven, was damit behoben wurde, dass der Materialreserven-Chef Gesichtsmasken zum zehnfachen Preis von einer Briefkastenfirma kaufte und seinem Buben anderntags zwei Wohnungen im Zentrum der Hauptstadt. Dass in den Supermärkten drüben nur noch Maskierte zu sehen sind, löst einen neuen AtemmaskenHurra-Patriotismus aus, ein plötzliches Überlegenheitsgefühl gegenüber uns Zurückgebliebenen im Westen. Wollen wir hoffen, dass die Slowakei damit so gute Ergebnisse wie asiatische Länder erzielt. Der lang gediente Journalist Martin Hanus reibt sich jedenfalls die Augen: „Wer hätte das noch vor ein paar Wochen gesagt, dass die Slowaken Europas erste Asiaten werden?“
Seit wir isoliert sind, schaue ich dutzendmal täglich mit Entsetzen auf die Totenzahlen, ansonsten nimmt sich die burgenländische Einschicht geradezu idyllisch aus. Meine Schreibarbeit passiert ohnehin im Home-Office, und meine Frau ist noch bei den Babys zu Hause. Wir streiten weniger als sonst. Vielleicht weil das Virus nah ist – es gibt im Dorf zwei Infizierte, vielleicht auch weil die Monotonie des verlangsamten Alltags weniger Anlässe liefert.
Meine Flüge nach Reykjav´ık und Beirut sind gestrichen, jetzt ist Leithagebirge und Neusiedler See. Wir sammeln Bärlauch im Wald, oder wir wandern auf einem wenig begangenen Weg in den Schilfgürtel hinein. Große Bündel geschnittenen Schilfrohrs, rostige Raupen, viel Wirtschaft war hier auch vor Corona nicht. Zwei, drei Kilometer weiter der abenteuerlich schiefe Rumpf eines Hochstands mit herrlicher Aussicht We