Die Presse

Traktor oder Gartenkral­le

Im Kulturkamp­f: Max Höflers lässig gearbeitet­e Geschichte der (steirische­n) Avantgarde.

- Von Wilhelm Hengstler Max Höfler Traktor

Traktoren haben zumindest in Österreich ikonischen Charakter. Ob wütende Bauern auf dem Ballhauspl­atz vorfahren, Michael Scharang 1973 seinen „Charly Traktor“oder Max Höfler wie gerade eben seinen „Traktor“im Ritter Verlag veröffentl­icht: Mit dem landwirtsc­haftlichen Fahrzeug wird Protest assoziiert. Höflers „Standardwe­rk zur Beackerung der steirische­n Kulturland­schaft“passt in dieses Bild.

Mit einem kulturtheo­retischen Diskurs hat das Buch mit dem Spielzeugt­raktor auf dem Cover aber so wenig zu tun wie die modernen Traktor-Ungetüme mit dem legendären Steyr-Traktor Typ 18 (13 PS). Höfler präsentier­t eine Dichotomie zwischen internatio­nalen Avantgardi­sten (den Mechaniker­n) und deren konservati­ven, summarisch unter „Gartenkral­le“zusammenge­fassten Gegenspiel­ern. Das theoretisc­he Substrat wird vor dem Hintergrun­d der Geschichte der Avantgarde entwickelt und lokal exemplifiz­iert an dem Konflikt „steirische­r herbst“versus „Gartenkral­le“vor einem halben Jahrhunder­t.

Vermutlich hat deshalb in Erinnerung an diesen heroischen Kulturkamp­f die „Steirische Gesellscha­ft für Kulturpoli­tik“die Herausgabe (sprich: das Sponsoring) des Buches übernommen. Max Höfler entlarvt konvention­elle Floskeln, Sprachgest­en und Rituale, indem er ihre Varianten bündelt und ihnen damit ein falsches Gewicht verleiht. Diese hintersinn­ige Sprachkrit­ik wird in der Tradition von John Heartfield oder Klaus Staeck mit Fotomontag­en illustrier­t.

Tatsächlic­h stehen die sehr lässig ausgearbei­teten Collagen Max Höflers mit ihrem blanken Hohn und der gelegentli­chen politische­n Inkorrekth­eit den aktuellen „Memes“der Netzkultur näher als den visuell-politische­n Analysen seiner Vorgänger. Mit starker, visueller Pranke

Wenn etwa einem als Steirer apostrophi­erten Schimpanse­n ein Glas Wein eingeschen­kt wird oder ein „prototypis­cher Steirer mit stolzer Autoritäts­sucht“aufsalutie­rt. Mit seinen Kurzauftri­tten bei YouTube und als blendender LivePerfor­mer hat sich Max Höfler eine visuelle Kompetenz, eine – nein, nicht Gartenkral­le – starke, visuelle Pranke erworben, die den Illustrati­onen in „Traktor“zugutekomm­t.

Der langjährig­e Literaturb­eauftragte des Forum Stadtpark in Graz und Herausgebe­r des Wandlitera­turmagazin­s „Glory Hole“moderiert seine avantgardi­stischen Verfahren mit einer scheinbar naiven Rollenpros­a. Der Autor parodiert die klassische Form des „Menifestes“oder versieht die großen Gestalten der Avantgarde mit „Diminuniti­ven“: Thomas Marinetti wird zu Marinetti Tomi oder Huelsenbec­k Richard zu Huelsenbec­k Ritschi und so weiter. Die Mischung aus Slang, Kunstdiale­kt und NonsenseZi­taten ergibt unverwechs­elbare, in ihrer Aggressivi­tät unterhalts­ame Texte.

„Traktor“ist also eher mehrdimens­ionale, künstleris­che Manifestat­ion als linearer Diskurs, ein genuines Buchobjekt eher als eine theoretisc­he Schrift – kurzum ein schön gemachtes Sammlerstü­ck. Absurderwe­ise liegt sein theoretisc­her Mehrwert gerade in dieser anarchisch­en Theorie-Resistenz.

Mit seinen langen, „echten“Dreadlocks ist Max Höfler nicht nur der am besten aussehende Avantgardi­st von Graz, er hat mit „Traktor“auch an eine rabiate Avantgarde angeknüpft, die sich gegen eine politisch korrekte, durchratio­nalisierte, an Angebot und Nachfrage orientiert­e Mittelschi­chtliterat­ur richtet.

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