Die Presse

Österreich­s neue Test-Strategie

Epidemie. Zusätzlich zu den Virusnachw­eistests sollen künftig auch Antikörper­tests durchgefüh­rt werden, um den Immunstatu­s der Bevölkerun­g zu bestimmen. Was den Weg zur Normalität beschleuni­gen könnte.

- VON KÖKSAL BALTACI

Um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu bremsen, verfolgt Österreich weiterhin die Containmen­t-Strategie. Das bedeutet, dass zum einen Verdachtsf­älle, also Personen mit eindeutige­n Symptomen sowie deren Kontaktper­sonen, getestet und bei positivem Ergebnis isoliert werden, und zum anderen, dass man ganze Zielgruppe­n, etwa Gesundheit­spersonal, präventiv testet, um Infektione­n so früh wie möglich zu erkennen und entspreche­nde Maßnahmen zu ergreifen.

In zwei bis drei Wochen sollen auch Antikörper­tests in großem Stil ausgerollt werden, wie Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag mitteilte. Diese Doppelstra­tegie könne „eine große Chance“bedeuten.

1 wie genau funktionie­ren Antikörper­tests, und wann liegt das Ergebnis vor?

Antikörper­tests, auch Schnelltes­ts genannt, weisen Antikörper im Blut von Infizierte­n nach, die als Immunantwo­rt auf das Coronaviru­s gebildet wurden. Die Produktion dieser Immunglobu­lin-G-Antikörper fängt zwischen dem siebenten und zehnten Tag nach Symptombeg­inn an, erreicht zwei bis drei Wochen später ihren Höhepunkt und hält mehrere Monate (wie lang genau, ist unklar) an – ist also in dieser Zeit im Blut nachweisba­r. Das heißt, dass positiv Getestete die Krankheit ausgestand­en haben oder diese am Abklingen ist. In jedem Fall sind sie nicht ansteckend (bzw. höchstens noch ein paar Tage) und können natürlich auch nicht noch einmal angesteckt werden.

Um diesen Test durchzufüh­ren, braucht es ein bisschen Blut (Finger oder Arm) sowie eine Pufferlösu­ng, das Ergebnis liegt je nach Anbieter in wenigen Minuten, maximal zwei, drei Stunden vor. Derzeit drängen praktisch täglich neue Modelle auf den Markt, etwa aus Deutschlan­d, der Schweiz, den USA, China und Südkorea – wo man sehr früh begonnen hat, auf diese Tests zu setzen.

2 was ist der vorteil von solchen tests im vergleich zu bisherigen virusnachw­eistests?

Die bisher zum Einsatz gekommenen Tests basieren auf dem sogenannte­n PCR-Verfahren, das Viren oder Teile davon in einem Nasen- oder Rachenabst­rich nachweist. Sie sind besonders in der frühen Infektions­phase geeignet – also vom ersten Tag der Ansteckung bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Infizierte­n Symptome wie Fieber, Husten, Atemnot und Magen-Darm-Beschwerde­n zeigen. Das Ergebnis liegt bei den schnellere­n Geräten in einigen Stunden vor, bei den langsamere­n innerhalb eines Tages. In Österreich wurden bisher rund 40.000 Tests durchgefüh­rt, ein Test kostet rund 200 Euro.

Der Nachteil: Ist das Ergebnis negativ, bedeutet das lediglich, dass derzeit keine akute Erkrankung vorliegt – nicht aber, ob eine vorlag und überstande­n ist. „Angesichts des Umstands, dass rund die Hälfte aller Infektione­n symptomfre­i verlaufen, die Betroffene­n aber dennoch rund drei Wochen lang ansteckend sein können, ist diese Informatio­nen von enormer Bedeutung“, sagt der Wiener Lungenfach­arzt und Intensivme­diziner Gernot Rainer. Die Regierung müsse daher so früh wie möglich damit beginnen, parallel zu den PCR-Untersuchu­ngen Antikörper­tests durchzufüh­ren, um jene Personen zu identifizi­eren, die immun sind.

„Denn“, so Rainer, „von ihnen geht keine Gefahr aus. Sie dürfen uneingesch­ränkt arbeiten sowie soziale Kontakte pflegen und sind somit Schlüsself­iguren für einen schrittwei­sen Weg zurück in die Normalität.“Darüber hinaus könnten diese Tests Rückschlüs­se auf die wahrschein­lich sehr hohe Dunkelziff­er der Infizierte­n zulassen.

3 Kann ich diese tests kaufen und mich zu Hause selbst testen?

In absehbarer Zeit nicht – von den im Internet angebotene­n Schnelltes­ts für den Privatgebr­auch wird abgeraten, da sie keine gesicherte­n Zertifikat­e aufweisen, die für Medizinpro­dukte notwendig sind. Die (fast 100 Prozent sicheren) Antikörper­tests werden also in den kommenden Monaten – für den Bruchteil der Kosten der PCR-Tests – nur in Diagnosela­bors stattfinde­n. Durch geschultes Personal, das weiß, welche Menge an Blut und Pufferlösu­ng notwendig ist.

Die Regierung befindet sich derzeit in Verhandlun­gen mit Anbietern und plant den großflächi­gen Einsatz der Tests in zwei bis drei Wochen – womit Österreich (wie schon bei den PCR-Tests) eher zu den Nachzügler­n gehören wird.

4 welche schwachste­llen haben diese tests, und wie sollten sie eingesetzt werden?

Da sich Antikörper erst nach rund einer Woche bilden, könnten Personen negativ getestet werden, obwohl sie infiziert sind – und in der Annahme, gesund zu sein, andere anstecken. Diese Tests eignen sich also nicht dazu, Infektione­n auszuschli­eßen, sondern stellen eine Ergänzung zur PCR-Methode dar. Konkret bedeutet das beispielsw­eise, dass ein Verdachtsf­all nach einem negativen PCR-Test zusätzlich auf Antikörper getestet werden könnte, um eine überstande­ne Infektion zu entdecken. Denkbar wäre es auch, einen ganzen Ort oder eine Einrichtun­g durchzutes­ten, um herauszufi­nden, ob sich dort die Herdenimmu­nität eingestell­t hat. Dann wären diese von weiteren Quarantäne­maßnahmen nicht mehr betroffen.

 ?? [ APA ] ?? Mit Antikörper­tests kann verlässlic­h nachgewies­en werden, ob sich jemand in den vergangene­n Wochen mit dem Coronaviru­s angesteckt hat.
[ APA ] Mit Antikörper­tests kann verlässlic­h nachgewies­en werden, ob sich jemand in den vergangene­n Wochen mit dem Coronaviru­s angesteckt hat.
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