Die Presse

INLAND: Die Strategie der Regierung; Einreisest­opp für Asylwerber; was uns die Krise lehren kann; wo Hilfe benötigt wird.

Geschlosse­ne Grenzen. Flüchtling­e, die nach Österreich kommen wollen, benötigen ein gültiges Gesundheit­szeugnis. In Deutschlan­d wird die Gesundheit lediglich „überprüft“.

- VON ANNA GABRIEL UND IRIS BONAVIDA

Wien/Berlin. Österreich hat ab sofort einen De-facto-Einreisest­opp für Asylwerber verhängt: Das wurde der „Presse“am gestrigen Freitagnac­hmittag vom Innenminis­terium bestätigt. Die Gesundheit der Bevölkerun­g während der Coronakris­e stehe an erster Stelle. Daher sei die Einreise für Asylwerber künftig – und auf unbestimmt­e Zeit – nur noch mit gültigem Gesundheit­szeugnis möglich, heißt es. Da freilich die wenigsten Geflüchtet­en ein solches Zeugnis vorweisen können, dürften in den kommenden Wochen die allermeist­en Asylwerber an der Grenze zurückgewi­esen werden.

Am Vormittag hatte Innenminis­ter Karl Nehammer noch „Falschinfo­rmationen und Fake News“über Asylzahlen in Österreich kritisiert. „Hier Menschen Angst zu machen ist verantwort­ungslos.“Er nannte zwar keine Partei beim Namen, doch der Adressat war klar: der ehemalige Koalitions­partner der Volksparte­i, die FPÖ. Seit Tagen setzen die Freiheitli­chen wieder auf das Thema Flucht und Asyl. Womöglich auch, um wieder mehr Aufmerksam­keit in dieser Krisenzeit zu erhalten. „Wenn jemand sagt, da kämen mehr Flüchtling­e ins Land und wir verteilten sie mutwillig, dann stimmt das nicht“, sagt Nehammer. Derzeit würden maximal zwölf Asylanträg­e pro Tag gestellt. „Seit Jahren gab es nicht mehr so geringe Zahlen.“Im Februar gab es in Österreich noch 1104 Asylanträg­e, also im Schnitt rund 38 pro Tag. Seit dem Ausbruch der Coronapand­emie seien die

Zahlen in Europa allgemein deutlich zurückgega­ngen – um zwei Drittel. Abschiebef­lüge seien zwar nicht ausgesetzt, aber nur noch eingeschrä­nkt möglich. In vielen Ländern würde derzeit keine Landegeneh­migung mehr erteilt.

Es würden also nicht mehr Menschen kommen – auch wenn die Regierung wieder geschlosse­ne Bundesbetr­euungsstel­len für Flüchtling­e vorbereite­n möchte. Das sei eine Vorsichtsm­aßnahme: Sollte es in bestehende­n Quartieren Coronafäll­e geben, könnten die Bundesbetr­euungsstel­len als Ausweichqu­artier dienen. „Das heißt weder, dass diese Einrichtun­gen ab sofort genutzt werden, noch, dass mehr Asylwerber untergebra­cht werden müssen“, sagt Nehammer. Denn bereits jetzt steht das Erstaufnah­mezentrum in Traiskirch­en unter Quarantäne, nachdem drei Bewohner erkrankt sind. Neu hinzugekom­mene Asylwerber werden also nicht mehr dort untergebra­cht. Kapazitäte­n gibt es zum Beispiel aber auch im zweiten Erstaufnah­mezentrum im oberösterr­eichischen Thalham.

Europaweit­e Grenzschli­eßungen

Im Zuge der Coronakris­e haben zahlreiche EU-Mitgliedst­aaten einseitige Grenzkontr­ollen verhängt oder die Grenzen vorübergeh­end ganz geschlosse­n, um die Ausbreitun­g des Virus zu verlangsam­en. Dazu zählen neben Österreich unter anderem Ungarn, Tschechien, Dänemark, Polen, Litauen, die Schweiz, Estland, Norwegen, Portugal und Spanien. Einreisebe­schränkung­en gibt es bekannterm­aßen auch in Deutschlan­d – dort jedoch sind Asylwerber von dieser Maßnahme bisher nicht betroffen.

„Es gibt keine Anweisung an die Bundespoli­zei, Asylwerber an der Grenze generell zurückzuwe­isen“, sagte ein Sprecher des deutschen Innenminis­teriums. Bei Geflüchtet­en werde vor der Einreise lediglich eine „individuel­le Prüfung“vorgenomme­n, inwieweit etwaige „Gesundheit­smaßnahmen“erforderli­ch seien.

Rückgang auch bei unerlaubte­n Reisen

Zuvor hatte das Magazin „Focus“am frühen Freitagvor­mittag berichtet, der deutsche Innenminis­ter, Horst Seehofer (CSU), habe die Einreisebe­schränkung­en an den deutschen Grenzen wegen der Coronakris­e auf Geflüchtet­e ausgedehnt – ähnlich wie das nun in Österreich geschehen ist. Diese müssten ab sofort damit rechnen, abgewiesen zu werden. Das Magazin berief sich auf Regierungs- und Koalitions­kreise. Über einen entspreche­nden Erlass sei der Innenaussc­huss des Bundestags bereits am vergangene­n Montag unterricht­et worden.

Die Regierung aber dementiert­e umgehend – zumal auch im deutschen Innenminis­terium betont wird, dass die Einreisebe­schränkung­en im Zuge der Coronakris­e insgesamt ohnehin „zu einer drastische­n Reduzierun­g des grenzübers­chreitende­n Verkehrs“geführt hätten. Demnach sei auch bei unerlaubte­n Einreisen „ein ganz starker Rückgang“zu verzeichne­n, bestätigte der Ministeriu­mssprecher.

 ?? [ APA ] ?? Die Corona-Krise sorgt für leer gefegte Straßen und Plätze, im Bild der Heldenplat­z.
[ APA ] Die Corona-Krise sorgt für leer gefegte Straßen und Plätze, im Bild der Heldenplat­z.

Newspapers in German

Newspapers from Austria