INLAND: Die Strategie der Regierung; Einreisestopp für Asylwerber; was uns die Krise lehren kann; wo Hilfe benötigt wird.
Geschlossene Grenzen. Flüchtlinge, die nach Österreich kommen wollen, benötigen ein gültiges Gesundheitszeugnis. In Deutschland wird die Gesundheit lediglich „überprüft“.
Wien/Berlin. Österreich hat ab sofort einen De-facto-Einreisestopp für Asylwerber verhängt: Das wurde der „Presse“am gestrigen Freitagnachmittag vom Innenministerium bestätigt. Die Gesundheit der Bevölkerung während der Coronakrise stehe an erster Stelle. Daher sei die Einreise für Asylwerber künftig – und auf unbestimmte Zeit – nur noch mit gültigem Gesundheitszeugnis möglich, heißt es. Da freilich die wenigsten Geflüchteten ein solches Zeugnis vorweisen können, dürften in den kommenden Wochen die allermeisten Asylwerber an der Grenze zurückgewiesen werden.
Am Vormittag hatte Innenminister Karl Nehammer noch „Falschinformationen und Fake News“über Asylzahlen in Österreich kritisiert. „Hier Menschen Angst zu machen ist verantwortungslos.“Er nannte zwar keine Partei beim Namen, doch der Adressat war klar: der ehemalige Koalitionspartner der Volkspartei, die FPÖ. Seit Tagen setzen die Freiheitlichen wieder auf das Thema Flucht und Asyl. Womöglich auch, um wieder mehr Aufmerksamkeit in dieser Krisenzeit zu erhalten. „Wenn jemand sagt, da kämen mehr Flüchtlinge ins Land und wir verteilten sie mutwillig, dann stimmt das nicht“, sagt Nehammer. Derzeit würden maximal zwölf Asylanträge pro Tag gestellt. „Seit Jahren gab es nicht mehr so geringe Zahlen.“Im Februar gab es in Österreich noch 1104 Asylanträge, also im Schnitt rund 38 pro Tag. Seit dem Ausbruch der Coronapandemie seien die
Zahlen in Europa allgemein deutlich zurückgegangen – um zwei Drittel. Abschiebeflüge seien zwar nicht ausgesetzt, aber nur noch eingeschränkt möglich. In vielen Ländern würde derzeit keine Landegenehmigung mehr erteilt.
Es würden also nicht mehr Menschen kommen – auch wenn die Regierung wieder geschlossene Bundesbetreuungsstellen für Flüchtlinge vorbereiten möchte. Das sei eine Vorsichtsmaßnahme: Sollte es in bestehenden Quartieren Coronafälle geben, könnten die Bundesbetreuungsstellen als Ausweichquartier dienen. „Das heißt weder, dass diese Einrichtungen ab sofort genutzt werden, noch, dass mehr Asylwerber untergebracht werden müssen“, sagt Nehammer. Denn bereits jetzt steht das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen unter Quarantäne, nachdem drei Bewohner erkrankt sind. Neu hinzugekommene Asylwerber werden also nicht mehr dort untergebracht. Kapazitäten gibt es zum Beispiel aber auch im zweiten Erstaufnahmezentrum im oberösterreichischen Thalham.
Europaweite Grenzschließungen
Im Zuge der Coronakrise haben zahlreiche EU-Mitgliedstaaten einseitige Grenzkontrollen verhängt oder die Grenzen vorübergehend ganz geschlossen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Dazu zählen neben Österreich unter anderem Ungarn, Tschechien, Dänemark, Polen, Litauen, die Schweiz, Estland, Norwegen, Portugal und Spanien. Einreisebeschränkungen gibt es bekanntermaßen auch in Deutschland – dort jedoch sind Asylwerber von dieser Maßnahme bisher nicht betroffen.
„Es gibt keine Anweisung an die Bundespolizei, Asylwerber an der Grenze generell zurückzuweisen“, sagte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums. Bei Geflüchteten werde vor der Einreise lediglich eine „individuelle Prüfung“vorgenommen, inwieweit etwaige „Gesundheitsmaßnahmen“erforderlich seien.
Rückgang auch bei unerlaubten Reisen
Zuvor hatte das Magazin „Focus“am frühen Freitagvormittag berichtet, der deutsche Innenminister, Horst Seehofer (CSU), habe die Einreisebeschränkungen an den deutschen Grenzen wegen der Coronakrise auf Geflüchtete ausgedehnt – ähnlich wie das nun in Österreich geschehen ist. Diese müssten ab sofort damit rechnen, abgewiesen zu werden. Das Magazin berief sich auf Regierungs- und Koalitionskreise. Über einen entsprechenden Erlass sei der Innenausschuss des Bundestags bereits am vergangenen Montag unterrichtet worden.
Die Regierung aber dementierte umgehend – zumal auch im deutschen Innenministerium betont wird, dass die Einreisebeschränkungen im Zuge der Coronakrise insgesamt ohnehin „zu einer drastischen Reduzierung des grenzüberschreitenden Verkehrs“geführt hätten. Demnach sei auch bei unerlaubten Einreisen „ein ganz starker Rückgang“zu verzeichnen, bestätigte der Ministeriumssprecher.