Wie digitale Kontrolle aussehen könnte
Kenne man drei, vier Bewegungspunkte, lasse sich auf die Person rückschließen. Aus diesem Grund stehen auch die Grünen einem solchen Modell – Einwilligung hin oder her – skeptisch gegenüber.
Novid20, eine neue App, die ebenfalls in Österreich entwickelt wurde und die diese Woche präsentiert werden soll, hat den rechtlichen Rat von Forgo´ eingeholt. Sie will trotzdem unter anderem auch eine Variante mit Bewegungsprofilen anbieten.
Fraglich ist allerdings, ob es sinnvoll ist – Stichwort: kritische Masse –, wenn in einem Land verschiedene Apps zum Einsatz kommen.
Lockangebot
Die Idee existiert vor allem als Gerücht. Demnach plane die ÖVP in der Phase der schrittweisen Normalisierung des Alltags jene, die die App (eventuell die Rot-KreuzApp) herunterladen, mit schnelleren Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen zu belohnen. Die Ratio: Mit diesem „Lockangebot“könnte man Menschen motivieren, die
App zu verwenden. Freilich: Beim Roten Kreuz weiß man davon nichts. Christof Tschohl würde auch dezidiert davon abraten, diese Art von Druck zu erzeugen.
Auch datenschutzrechtlich ist das nicht so einfach. Denn der Staat ist eben kein Unternehmen mit Bonusklubkarte: Forgo´ zitiert die Datenschutz-Grundverordnung, wonach die Einwilligung nur dann freiwillig ist, wenn die Person eine echte Wahl hat, also Nein sagen kann, ohne Nachteile zu erleiden. Darauf sei vor allem bei „Ungleichgewicht“der Vertragspartner zu achten. In diesem Fall sei Freiwilligkeit „unwahrscheinlich“und die Einwilligung „keine gültige Rechtsgrundlage“. Kurz: Forgo´ hat „erhebliche Vorbehalte“.
Per Gesetz
Eine flächendeckende Überwachung ist möglicherweise effektiv und rechtlich nicht unmöglich. Das Grundrecht auf Datenschutz kann für die Zwecke der öffentlichen Gesundheit eingeschränkt werden, auch ohne Einwilligung dürfen dafür personenbezogene
Daten verarbeitet werden, z. B. HandyStandortdaten. Dafür braucht es aber eine gesetzliche Grundlage, und der Eingriff muss verhältnismäßig sein. Das wird in mehreren Stufen geprüft. Insbesondere muss die Maßnahme überhaupt geeignet sein, um das Ziel zu erreichen, also die Zahl der Infektionen und Toten zu senken, sagt Forgo.´ Auch muss die Maßnahme im Verhältnis zum Eingriff, nämlich einer Totalüberwachung, stehen – „es wäre jedenfalls ein Tabubruch“. Auch die Grünen ziehen hier eine rote Linie: „Ich will keine individuelle Überwachung, nicht jetzt und auch nicht in der Zukunft“, so Justizministerin Alma Zadic´ zur „Presse“.
Schon jetzt darf man aber in Ausnahmefällen Personen via Handy orten – etwa bei Suizidgefahr oder bei schweren Straftaten. Wäre es denkbar, Infizierte in Quarantäne per Handyortung zu überwachen? Das müsste man gesetzlich extra regeln, sagt Forgo.´ Er ist skeptisch – wiederum vor allem wegen der Verhältnismäßigkeit. Außerdem: Was, wenn der Infizierte das Handy daheim lässt? International ist die QuarantäneÜberwachung via Handy meist an zusätzliche Vorgaben (z. B. in Abständen Selfies zu schicken) gekoppelt.