Wie das Geld der Reichen veranlagt wird
Investment. Wohlhabende managen ihr Vermögen meist nicht selbst. Sie greifen dafür auf Privatbanken zurück. „Die Presse“hat bei einigen nachgefragt, wie sie das Kapital ihrer Kunden derzeit durch die turbulenten Börsenkurse navigieren.
Wien. Das Coronavirus bestimmt derzeit unser Leben. Und die Börsenkurse. In einem Umfeld wie diesem die Nerven zu bewahren, fällt gar nicht so leicht. Auch die Wohlhabenden mussten in den vergangenen Wochen dabei zusehen, wie sich ihr Vermögen minimierte. Allerdings haben die meisten unter ihnen einen entscheidenden Vorteil: Spezialisten, häufig in Form von Privatbanken, kümmern sich um ihr Geld. Als Privatanleger kann man sich von den Strategien der Geldhäuser mitunter etwas abschauen, wenngleich die Experten auch nicht immer einer Meinung sind.
Bei der Schoellerbank hat man beispielsweise schon im vergangenen Oktober und November damit begonnen, Aktienpositionen zu reduzieren, ein Ansatz, den man auch zu Jahresbeginn noch weiterverfolgte, sagt Investmentvorstand Helmut Siegler. Freilich wusste man damals noch nicht, dass sich die Lage an der Börse zuspitzen wird. Doch hatte man den Eindruck, dass Bewertungen überzogen und Wirtschaftsausblicke durchwachsen seien.
Aus der Übergewichtung von Aktien wurde inzwischen eine neutrale Positionierung. Das Geld aus den rechtzeitig getätigten Aktienverkäufen nutzt man derzeit, um sich gute Werte, vor allem aus Europa und den USA, zu sichern.
„Manche Aktien sind auf Buchwertniveau zu haben“, sagt Siegler. Also vergleichsweise günstig.
Wiewohl auch Siegler davon überzeugt ist, dass es an der Börse in den kommenden Wochen durchaus noch holprig zugehen kann. Nachhaltige Entspannung würden erst positive Nachrichten bringen, wie etwa ein Rückgang an Fallzahlen, ein gut wirkendes Medikament oder ein Impfstoff. Auch in Anleihen sieht die Privatbank eine gute Möglichkeit zur Beimischung – wenngleich sie sowohl auf staatlicher als auch auf Seite der Unternehmen erstklassig sein müssten. Bei risikoreicheren Papieren sei „die Liquidität bereits kaum mehr vorhanden, und man bekommt nur schwer vernünftige
Preise gestellt“. Eines sagt Siegler aber auch: Bereits vor diesem Crash habe man dazu angehalten, sich auf „die Qualität zu verlassen, die man sich vorher ausgesucht hat“. Als Kunde habe man im Idealfall bereits zuvor die „richtige Form der Diversifizierung gewählt“.
Optimismus vs. Zurückhaltung
Auch bei der Zürcher Kantonalbank hat man die Aktienquote im Jänner und Februar etwas reduziert, um das Risiko rauszunehmen, wie Vorstandsvorsitzender Hermann Wonnebauer sagt. Die Quote bei Unternehmensanleihen fuhr man ebenfalls zurück, teils fand eine Umschichtung Richtung Staatsanleihen statt. Die defensivere Einstellung war vor allem der vorangegangenen Rallye geschuldet. Immerhin ging 2019, mit Anstiegen von über 20 Prozent, als eines der besten Börsenjahre in die Geschichte ein.
Aus heutiger Sicht, sagt Wonnebauer, würde er eher keine Aktien mehr verkaufen, „auch wenn es wohl noch schwache Tage geben wird“. Viele Anleger hätten auf Kursrückgänge wie diese gewartet. Selbst jene, die noch nicht investiert sind. Wer langfristig investiert sei, für den spiele der Crash ohnehin keine so große Rolle. Abgesehen davon bleiben die Investmentalternativen ohnehin bescheiden. „Da bleiben nur gute Aktien übrig.“
Auf Sicht von neun oder zwölf Monaten ist man – was die Aktienkurse betrifft – optimistisch. Nicht zuletzt, weil Regierungen und Notenbanken mit Billionen einspringen. Anders sieht es freilich aus, wenn sich die Coronakrise länger hinzieht als gedacht.
„Dann muss man die
Lage neu bewerten“, so Wonnebauer.
Bei der Bank Gutmann hat man bereits vor zwei Jahren damit begonnen, die Qualität des Portfolios zu überprüfen und es zu optimieren, erzählt Vorstand Friedrich Strasser. Von Randthemen wie Emerging Markets, Hochzinsanleihen oder Lokalwährungsstrategien habe man sich verabschiedet. „In den vergangenen Jahren war es immer offensichtlicher, dass höhere Zinsen auf sich warten lassen, und da wollten wir unsere Strategie schärfen“, so Strasser.
Als die Turbulenzen an den Märkten dann begonnen haben, habe man noch einmal alle Titel durchforstet und sich dafür entschieden, die Aktiengewichtung runterzufahren. Das habe einerseits damit zu tun, dass sich gewisse Hoffnungen an das Virus – etwa, dass es bei höheren Temperaturen abstirbt – nicht erfüllt hätten. Aber auch damit, dass die USA vollkommen unvorbereitet in die Coronakrise reingehen würden, so Strasser. „Das konjunkturelle Risiko ist groß und lässt uns vorsichtig sein, was den Wiedereinstieg betrifft“, ergänzt Bank-GutmannVolkswirt Andreas Auer. Sein Investmentkollege Robert Karas gibt zu bedenken, dass Tiefstände meist noch einmal unterschritten werden. Was trotzdem wichtig sei: Sich nicht komplett aus dem Markt zurückzuziehen. Denn „auch diese Krise werden wir bewältigen. Und was dann folgt, ist ein Boom.“