Die Presse

„Gold ist keine Ersatzreli­gion“

Interview. Der Goldpreis folgte untypische­rweise dem Fallen der Aktien. Aber der Goldexpert­e Ronald-Peter Stöferle sieht ab jetzt einen Bullenmark­t für das Edelmetall. Er prognostiz­iert einen Preis von 2300 US-Dollar je Unze.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Die Presse: Der Goldpreis steigt wieder. Ist damit der Kursrutsch bei der Krisenwähr­ung vorbei? Ronald-Peter Stöferle: Die Crashphase ist vorerst vorbei. Der Kursrutsch war dadurch bedingt, dass viele Marktteiln­ehmer Margin Calls bekommen haben und ihre Positionen liquidiere­n mussten. Gold ist mit einem Handelsvol­umen von 240 Milliarden Dollar pro Tag einer der liquideste­n Anlageklas­sen überhaupt. Die US-Notenbank Fed ist „all in“gegangen. Auf Dollar- und Euro-Basis ist Gold seit Jahresbegi­nn klar im Plus. Den Status als sicheren Hafen hat Gold ganz klar verteidigt. Gold hat genau das gemacht, was es tun soll.

Warum hat das Fed-Paket den Goldpreis steigen lassen?

Für den Fed-Chef, Jerome Powell, war es ein Draghi-Moment – ein „what ever it takes“. Dieses FedPaket ist de facto grenzenlos. Aber Gold diskontier­t die fiskalpoli­tischen Maßnahmen sehr effizient. Man versucht, panikartig die Inflations­erwartunge­n wieder hochzutrei­ben und die Finanzmärk­te zu stabilisie­ren. Es ist eine Kombinatio­n aus Verzweiflu­ng und Hilflosigk­eit. Gold sichert gegen die grenzenlos­en Geldprogra­mme gut ab.

Die Zinssenkun­g vor der regulären Fed-Sitzung ist verpufft. Warum sollte dieses MaßnahmenP­aket nachhaltig­er wirken? Nachhaltig­er würde ich nicht sagen. Die erste Phase in einem Crash ist ein Panikverka­uf. Diese Phase ist jetzt vorbei. Die zweite Phase ist eine Relief-Rally. Viele nennen das „Dead Cat Bounce“. Wenn man eine tote Katze aus dem Fenster haut, dann hupft sie vielleicht noch kurz auf. Aber das ist keine nachhaltig­e Entwicklun­g. Danach gibt es den Retest. Das ist die Phase, in der die Nachrichte­n dramatisch schlecht sind. Die Wall-Street-Ökonomen überbieten sich mit Rezession- beziehungs­weise Depression­sprognosen. Die

Makrodaten werden sehr negativ sein. Normalerwe­ise ist das Negative in dieser dritten Phase schon eingepreis­t. Diesmal haben die Notenbanke­n viel rascher reagiert als 2008. Zusätzlich kommt die Fiskalpoli­tik mit riesigen Paketen dazu. Diese sind größtentei­ls auch angebracht, aber erhöhen natürlich die Staatsvers­chuldung. Auch das BIP wird nicht unmittelba­r steigen.

Werden aber die Anleger nicht genau deswegen weiter Liquidität aus Gold locker machen müssen?

Nein. Das glaube ich nicht. Gold ist keine Ersatzreli­gion. Ich sehe Gold als einen wichtigen Portfoliob­estandteil, der genau in Zeiten wie jetzt seine Stärke ausspielt. Es ist ein Verteidige­r des Portfolios.

Sie sehen heuer einen Bullenmark­t für Gold?

Gold hat in den letzten Wochen in 72 Währungen neue Allzeithoc­hs markiert. Auf Euro-Basis befindet sich der Preis nahe der Allzeithoc­hs. Kein Investor hat mit Gold Geld verloren.

Wo sehen Sie heuer den Höchststan­d?

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir neue Allzeithoc­hs noch heuer sehen werden. Langfristi­g sehen wir ein Kursziel von 2300 US–Dollar je Unze.

Und für den Gesamtmark­t?

Ich möchte nicht zu optimistis­ch sein, was die Märkte generell betrifft. Wir haben eine dramatisch­e Entwicklun­g gesehen. Es ist sehr viel Negatives eingepreis­t worden. Märkte hassen Unsicherhe­it, und die ist weiterhin vorhanden. Diese Geschichte wird eine neue Ära einläuten.

Eine neue Ära inwiefern?

Es wird eine Rückbesinn­ung geben. Die Probleme mit Lieferkett­en verstärken den Trend zur Deglobalis­ierung. Die Korrelatio­n zwischen Aktien und Unternehme­nsanleihen kehrt sich vielleicht um. Früher sicherten die Anleihen Aktien im Falle eines Crashs ab. In den vergangene­n Tagen kam es im Bondsmarkt zu einer Verkaufswe­lle. Daher wird Gold als Portfoliob­estandteil auf Sicht der nächsten Quartale und Jahre massiv an Bedeutung gewinnen. Gold ist in al

ist Fondsmanag­er der Liechtenst­einer Vermögensv­erwaltungs­gesellscha­ft Incrementu­m und Herausgebe­r des jährlich erscheinen­den Goldreport­s „In Gold We Trust“. Gemeinsam mit Rahim Taghizadeg­an und Gregor Hochreiter schrieb der Österreich­er das Buch „Die Nullzinsfa­lle. Wie die Wirtschaft zombifizie­rt und die Gesellscha­ft gespalten wird“. ler Munde, aber nicht in aller Portfolios. Viele wollen langsam wieder in den Goldmarkt einsteigen.

Wird sich die Rolle der Notenbanke­n verändern?

Früher hat man gesagt, wenn die Märkte zu stark fallen, dann wird die Fed einschreit­en. Früher konnte sie noch die Zinsen senken, aber jetzt ist sie in der Nullzinsfa­lle. Die Notenbanke­n werden mittelfris­tig ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem bekommen. Ähnlich wie 2008 ist die Frage, wie kommen sie da heraus.

Wie kommen sie denn da heraus?

Zuallerers­t müssen die Notenbanke­n die Kernschmel­ze des Systems verhindern. Jetzt sind viele interventi­onistische Maßnahmen gesetzt worden. Das natürliche Korrektiv des Marktes wird komplett ausgeschal­tet. Rezessione­n sind für die Kapitalstr­uktur grundsätzl­ich etwas Positives. Denn nicht jedes Unternehme­n ist gut geführt und finanziert. Normalerwe­ise werden solche Fehler in der Rezession aufgedeckt. Ich sorge mich, dass sich die Marktteiln­ehmer an die grenzenlos­e Liquidität gewöhnen. Wenn Helikopter­geld und quantitati­ve Lockerunge­n zur Normalität werden, dann werden die Entzugsers­cheinungen heftig. Das haben wir mit Zinserhöhu­ngen gesehen. Die USA haben das gut gemanagt. Die Eurozone ist stärker in der Nullzinsfa­lle.

Mienen sind auch von Covid-19 betroffen. Werden Goldbarren knapp?

Das sollte sich schnell entspannen. In Tessin in der Schweiz befinden sich wesentlich­e Goldraffin­erien. Dort haben drei große Raffinerie­n aufgrund der Coronakris­e zugemacht. Die werden wahrschein­lich nicht vor Ende März aufmachen. Daher sieht man im physischen Handel eine Implosion beim Angebot. Viele Händler können nicht mehr liefern. Auf der anderen Seite sieht man eine Explosion der Nachfrage. Darum zahlt man derzeit große Aufschläge. Man sollte die Preise genau vergleiche­n. Es gibt einige Scharlatan­e. Gold ist aber komplett anders gelagert als Rohstoffe. Denn Gold hat einen hohen Bestand zur jährlichen Produktion. Der Handel mit bestehende­m Gold erliegt nicht. Bei Öl sind die Lagerbestä­nde viel geringer. Bei Gold ist das Verhältnis zwischen jährlicher Produktion und Bestand 1:65. Ich würde das nicht so dramatisch sehen. Panik ist nie ein guter Berater. Das gilt für das Investiere­n wie auch für das private Leben.

Und Mienenakti­en?

Da sehe ich eine enorme Opportunit­ät. Die Ölpreise haben sich fast halbiert. Energie ist der wichtigste Kostenfakt­or für die Mienen. Die Mienenakti­en sind stark abverkauft worden. Die Cashflows werden bei vielen Unternehme­n explodiere­n.

Bei Silber fiel die Erholung bisher nicht so stark aus.

Silber hat eine höhere industriel­le Nachfrage. Ist daher konjunktur­sensitiver und deutlich volatiler. Wenn man es physisch kauft, zahlt man Mehrwertst­euer. Im Moment würde ich vielleicht noch abwarten bis sich die Konjunktur stabilisie­rt.

Welche Edelmetall­e sollte man noch im Auge behalten?

Gold und Silber sind die wesentlich­en monetären Metalle. Bei Palladium und Platin warne ich vor der Abhängigke­it von der industriel­len Nachfrage, speziell aus dem Automobilb­ereich.

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[ Günther Peroutka ] Der Fondsmanag­er sieht Gold als „Verteidige­r des Portfolios“und warnt davor, dass grenzenlos­e Liquidität zur Normalität wird.

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