Nicht nur auf Lieblingsaktien setzen
Anlagestrategien. Pharmafirmen und Zusteller scheinen unter der Krise weniger zu leiden als etwa Industriefirmen. Nur auf solche zu setzen, kann sich aber als Fehler herausstellen.
Wien. In den vergangenen Wochen haben sich Investoren massiv von Aktien getrennt, die von der Krise schwer getroffen werden dürften, und solche gekauft, die zu profitieren versprechen. Mit der Folge, dass potenzielle Anleger bei der Aktienauswahl vor dem gleichen Dilemma stehen wie auch in guten Zeiten: Soll man jetzt die vielversprechenden Aktien aus dem Bereich Pharma, Biotech oder der Zustellerbranche kaufen, die möglicherweise schon ein wenig gehypt sind? Oder soll man als lang
fristig orientierter Anleger gerade jetzt zu den billig gewordenen Industrie- und Ölwerten oder gar Unternehmen der Luftfahrtbranche greifen, die es mit einem großen Rabatt gibt, auch wenn die Zukunftsaussichten unsicher sind?
Die Hypothese der Markteffizienz besagt, dass alle bekannten Faktoren in den Aktienpreisen bereits enthalten sind. Schlechtes wäre daher zu Recht billig, Gutes zu Recht noch relativ teuer. Doch gibt es auch unbekannte Faktoren, weshalb Anleger am besten streuen: über Branchen, Regionen und Anlageklassen.
Doch welche Aktien sind nun weniger gefallen, welche stark und warum? Ein Überblick:
Idiepresse.com/wirtschaft/boerse
Bisher krisenfeste Aktien: Papiere wie der Essenszusteller Hellofresh oder der IT-Dienstleister Teamviewer erfreuten sich in den vergangenen Wochen starker Beliebtheit bei Anlegern, die im Home-Office arbeiten, sich Essen zustellen lassen und hoffen, dass die entsprechenden Unternehmen gestärkt aus der Krise hervorgehen werden. Als „Stay-at-Home“-Aktien wurden diese Papiere zuletzt häufig bezeichnet. Sie könnten tatsächlich nachhaltig profitieren, weil sie neue Kunden gewinnen. Doch rechnet der Markt bereits damit, die Erwartungen sind dementsprechend hoch. Billig sind sie auch nicht. Das zeigt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Bei Teamviewer beträgt es 46 gemessen an den geschätzten Gewinnen 2020. Das bedeutet, dass man für die Aktie das 46-Fache des erwarteten Gewinns hinlegen muss. Bei Hellofresh liegt es bei 66.
Wenn die Unternehmen entsprechend stark wachsen, muss das nicht zu hoch sein. Technologieriesen wie Amazon oder Netflix waren zeitweise noch höher bewertet, haben in den vergangenen Jahren aber ihren Gewinn so stark gesteigert, dass das KGV kleiner geworden ist, obwohl die Kurse gestiegen sind. Seit Ausbruch der Krise haben die beiden Aktien relativ kleine Kursverluste hinnehmen müssen. Billig sind sie aber auch jetzt nicht, und Netflix könnte zudem unter der wachsenden
Konkurrenz (Disney+) zu leiden haben.
Der beste Dow-Jones-Wert während der Krise ist bis dato der Einzelhändler Walmart, dessen Aktie nur wenig verloren hat. Grund für den relativen Optimismus der Anleger: Lebensmittel werden auch in der Krisen gekauft. Die Credit Suisse ist zuversichtlich für Walmart, auch wenn man kurzfristig vorsichtiger auf den US-Einzelhandel blicke. Die „unschöne Zeit“werde aber das Einkaufsverhalten verändern. Walmart, das stark in Mitarbeiter und Technologie investiere, sei gut positioniert.
IDas Mittelfeld: Leicht zweistellig verloren haben einige große Pharmakonzerne wie Merck & Co. oder Pfizer, IT-Firmen wie Microsoft und SAP oder Konsumgüterhersteller wie Procter & Gamble, Johnson & Johnson und LVMH. Diese Werte waren vor der Krise nicht ganz billig. Jetzt bekommt man einen kleinen Rabatt. Ein sicheres Pflaster sind sie auch nicht: Wenn die Krise etwa den Konsumgüterherstellern schwerer zusetzt als bisher angenommen, könnten auch diese Kurse weiter sinken.
IGefallene Aktien: Schlimm erwischt mit Kursrückgängen von mehr als 40 Prozent hat es Aktien von Flughafenbetreibern, Airlines und Flugzeugherstellern. Airbus etwa ist jetzt um die Hälfte billiger als noch vor fünf Wochen und hat damit fast genauso schwere Kursrückgänge einstecken müssen wie der US-Konkurrent Boeing (der aber keineswegs nur unter der Krise leidet, sondern auch unter dem schlechten Krisenmanagement im Zusammenhang mit Flugzeugabstürzen). Hier könnte schon viel Schlimmes eingepreist sein. Doch ist nicht gesagt, dass sich nach der Krise immer jene Werte am stärksten erholen, die am stärksten gefallen sind. Europäische Bankwerte etwa sind jetzt noch billiger als nach der Finanzkrise 2008/09.