Patient muss jeden Arzt einzeln auf Allergien hinweisen
Schadenersatz. Mann starb, weil Zahnarzt Infos nicht an den Anästhesisten weitergab.
Wien. Wer Vorerkrankungen hat, sollte diese jedem Arzt einzeln nennen. Und nicht darauf vertrauen, dass der eine Mediziner dem Kollegen die Informationen weitergibt, auch wenn diese zusammenarbeiten. Ansonsten kann nicht nur eine Minderung des Schmerzengelds, sondern sogar der Tod drohen, wie ein tragischer Fall rund um eine Zahnbehandlung zeigt.
Dabei hatte der Mann bei seinem Zahnarzt in einem Fragebogen ausdrücklich seine Probleme angegeben. Er vermerkte, auf Voltaren bzw. dessen Wirkstoff Diclofenac allergisch zu sein. Und er gab an, Medikamente wegen Bluthochdrucks, erhöhter Zuckerwerte und wegen der Schilddrüse zu nehmen.
Der Zahnarzt schlug dem Mann für das Unterkiefer eine Teilprothese vor, während im Oberkiefer alle noch vorhandenen Zähne entfernt und durch eine Totalprothese ersetzt werden sollten. Der Mediziner riet zu einer Lokalanästhesie, weil diese ausreiche, um den Eingriff schmerzfrei zu überstehen. Der Patient bestand aber auf eine Vollnarkose.
Für diese war ein Anästhesist zuständig. Der Zahnarzt sagte das dem Patienten und erklärte ihm, dass er alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Narkose stellen, mit dem anderen Arzt besprechen solle. Den Fragebogen, in dem der Patient seine Allergien geschildert hatte, gab der Zahnarzt aber nicht an seinen Kollegen weiter.
Es kam auch noch zu einem Aufklärungsgespräch zwischen dem Anästhesisten und dem Patienten. Als es um Allergien und Unverträglichkeiten ging, erklärte der Patient diesmal aber nur, dass er einmal auf einen Bienenstich allergisch reagiert habe. Von Problemen mit Voltaren sagte der Mann nichts. Ebendieses wurde bei der totalintravenösen Anästhesie aber mitverabreicht.
Der Mann erlitt einen anaphylaktischen Schock und starb während der Einlieferung ins Spital.
Die Witwe des Mannes forderte nun Schadenersatz und klagte beide Ärzte. Der Anästhesist hätte mit dem Zahnarzt Rücksprache halten müssen, meinte die Frau. Die Mediziner argumentierten damit, dass keine Vorschrift den Zahnarzt verpflichte, den Anästhesisten über die Allergien des Patienten zu informieren.
Das Landesgericht St. Pölten wies die Klage der Witwe ab. Es sei zwar grenzwertig, dass der Anästhesist das Aufklärungsgespräch erst kurz vor dem Eingriff geführt habe. Aber beide Ärzte hätten ausreichend informiert.
Das Oberlandesgericht Wien bestätigte diese Entscheidung. Jeder Arzt habe ein eigenes Anamnesegespräch zu führen, meinte es. Und ein Patient sei dabei stets zur aktiven Mitarbeit verpflichtet.
OGH: Zahnarzt ist mitschuldig
Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) kam zum Schluss, dass dem Anästhesisten kein Vorwurf zu machen ist. Beim Zahnarzt schaue die Sache anders aus. Dieser habe den Patienten gezielt in einem Formblatt auf seine Vorleiden hin befragt. Unter diesen Umständen dürfe man als Patient davon ausgehen, dass das dort Vermerkte bei der Behandlung auch berücksichtigt werde. Dafür hätte der Zahnarzt durch organisatorische Maßnahmen sorgen müssen, meinte der OGH.
Dem Patienten aber müsse man ein „massives Mitverschulden“anlasten, befanden die Höchstrichter. Denn er habe dem Anästhesisten die Allergie verschwiegen. Unterm Strich befand der OGH (6 Ob 179/19w), dass der Zahnarzt und der Patient zu gleichen Teilen schuld an dem Unglück seien. Dementsprechend bekommt die Witwe nun zwar doch noch Schadenersatz, aber nur die Hälfte dessen, was ihr sonst zustünde.