Ein Geschenk von Alfred Hrdlicka, das Erinnerungen weckt
Das Modell des „straßenwaschenden Juden“auf meinem Schreibtisch gemahnt an die Zeit, als sich Zilk und „Krone“wegen des Mahnmals stritten.
Vor 30 Jahren stand ein Häuflein Aufrechter einer breiten Ablehnungsfront gegenüber.
Könntest du nicht die viele Zeit nützen und ein biiiisschen aufräumen?“Das „i“aus dem Mund der geliebten Frau klang lang und vorwurfsvoll. Eine Gegenfrage empfahl sich: „Wo denn?“„Schau doch auf den Arbeitstisch, biiiitte!“
Wieder das lange „i“. Natürlich hatte die Ehefrau recht. Andenken standen da: Eine Ansichtskarte mit dem Stempel der österreichischen Post in Jerusalem, ein Geschenk von Teddy Kollek; ein bunter Splitter aus der Berliner Mauer; ein Teddybär und dann, hinter dem Gipfelfoto von der Marmolata, eine kleine Bronzeplastik: das Modell des straßenwaschenden
Juden. Alfred Hrdlicka hatte es mir geschenkt. Jahrelang habe ich die gebückte Figur versteckt, zu vorwurfsvoll erschien sie mir.
Der gedemütigte Mensch, umringt von Hetzern und Gaffern. „Auschwitz war weit weg“, hatte Hrdlicka gesagt, „da konnte man sich ausreden: Ich hab’s nicht gewusst. Aber das da, die Reibpartien, das hat man gesehen. Das hat man gewusst.“
Vor knapp drei Jahrzehnten ist das Mahnmal auf dem Platz vor der Albertina enthüllt worden, und ich ärgere mich über die Medien, die diese Erinnerung verstreichen ließen. Alle möglichen und unmöglichen Gedenktage werden begangen, aber keine Silbe erinnerte im Vorjahr an den 30. Jahrestag der Enthüllung des Mahnmals gegen Krieg und Faschismus. Welche Diskussionen gab es doch um den Platz und den Künstler, wie tobten die Leitartikler, wie die Politiker! Vergleichbar war der Streit nur mit dem über die Uraufführung von „Heldenplatz“im Burgtheater. Das Stück ist recht rasch von den Spielplänen verschwunden, aber man entsinnt sich. Hrdlicka, der Kämpfer und Künstler, ist keiner Erinnerung wert.
Vor 30 Jahren stand ein Häuflein Aufrechter, angeführt vom kulturbewussten Bürgermeister, einer engagiert-intellektuellen Kulturstadträtin und ein paar Mitarbeitern, einer breiten Ablehnungsfront gegenüber.
Für das Publikum war’s eine Hetz. Aus der ersten Reihe fußfrei konnte man das Match Zilk gegen „Krone“verfolgen. Hrdlicka selbst befeuerte es mit allen Kräften. Medienwirksam bezeichnete er sich als Bolschewiken, worüber selbst seine Künstlerfreunde den Kopf schüttelten. Die „Kronen Zeitung“griff das auf – und das Rathaus an. In dieser Situation fand sich ein Himmelsgeschenk: ein Auktionskatalog mit Werken von Hrdlicka. Ihm war zu entnehmen, dass eines seiner Werke, ein Torso des Boxers Sonny Liston, einen Käufer gefunden hatte. Es war der „Krone“-Herausgeber. Mehr noch: Er hatte die Großplastik sogar im Eingang des Pressehauses aufgestellt. Kunstsammler Hans Dichand hatte Hrdlickas Werk gekauft, während seine Zeitung gegen den „Bolschewiken“schoss. Die Statue verschwand aus dem Pressehaus, die „Krone“wurde leiser, und Jahre später lächelte der große Zeitungsmacher Dichand über die Episode.
Mein Arbeitstisch ist übrigens immer noch nicht aufgeräumt. Zu viele Erinnerungen stehen da.