Die Presse

Seidenstra­ße der Gesundheit?

Dass China der eigentlich­e Verursache­r der aktuellen Versorgung­skrise ist, wird in dieser Situation übersehen.

- VON STEFAN BROCZA

Im aktuell verordnete­n Zwangsjube­l über chinesisch­e Hilfsliefe­rungen mit Schutzmate­rial in der Coronapand­emie (Schutzanzü­ge, verschiede­ne Arten von Masken u. ä.) wird konsequent die Tatsache verleugnet, dass China keinesfall­s die Lösung, sondern vielmehr die Ursache der aktuellen Krise ist.

Der Magie der großen Zahl erliegend, wird derzeit etwa die Ankunft zweier Flugzeuge mit 130 Tonnen Hilfsgüter­n in Österreich gefeiert. Dabei sind die angekündig­ten Waren lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein und entspannen die Lage in keiner Weise. Es handelt sich nämlich dabei u. a. etwa um zwei Millionen Schutzmask­en – das mag für den Normalbürg­er nach viel klingen, ist es aber nicht. Allein Italien benötigt derzeit monatlich 90 Millionen Masken; auf Österreich umgelegt wären das etwa zwölf Millionen pro Monat (sollte sich die Verhältnis­se ähnlich entwickeln). Dazu kommt, dass es verschiede­ne Arten von Schutzmask­en gibt und nur die hochklassi­gen FFP-Masken tatsächlic­h Schutz vor dem CoronaViru­s gewähren. Die überwiegen­de Mehrheit der aktuell gezeigten (und aus China gelieferte­n) Masken sind jedoch simple OP-Masken. Für diese gibt es keine wissenscha­ftlichen Daten über ihre tatsächlic­he Wirkung. Man kann also annehmen, dass der Großteil dieser Masken eher symbolisch­e Wirkung als einen tatsächlic­hen Schutz entfalten wird.

Symbolisch­er Schutz

Dass China der eigentlich­e Verursache­r der aktuellen Versorgung­skrise mit allen möglichen Arten von Schutzmate­rial ist, wird in dieser Situation beflissent­lich übersehen. Seit Monaten kaufen nämlich nicht nur das offizielle China, sondern auch alle möglichen chinesisch­en Firmen auf der ganzen Welt Schutzmate­rial. Allein im Februar wurden auf diese Weise über 400 Millionen Schutzmask­en nach China transferie­rt. Da darf es nicht überrasche­n, dass der Weltmarkt leergefegt ist. Aktuell ist es jedenfalls kaum möglich, dringend benötige Ausrüstung zu erwerben.

Die geopolitis­che Dimension des aktuellen chinesisch­en Verhaltens wird zudem völlig unterschät­zt. China schlägt jetzt seine politische­n und wirtschaft­lichen Pflöcke für künftiges Handeln in Europa ein.

Geopolitis­che Auswirkung­en

Aber auch dass die soziale Lage und die systemisch­en Mängel im Bereich Umwelt und Hygiene in China der ursächlich­e Ausgangspu­nkt des Coronaviru­s sind, fällt zunehmend unter den Tisch. Das geht so weit, dass „Global Times“– das englischsp­rachige Sprachrohr der Kommunisti­schen Partei Chinas – Überlegung­en anstellt, ob die Pandemie nicht vielleicht doch ihren Ursprung in Italien hatte und China somit eigentlich das erste Opfer sei. Gleichzeit­ig generiert sich das offizielle China zunehmend als „Retter in der Not“und seinen Führer Xi Jinping als „charismati­schen Bezwinger der Krise“. Dass die Propaganda aus Peking wirkt, kann man selbst im ORF erleben, wenn dessen Innenpolit­ik-Chef Hans Bürger mit bewundernd­em Unterton berichtet, was denn „in China alles möglich ist“, um den Virus zu bekämpfen. Dass China mit seinen kosmetisch­en Hilfsliefe­rungen an diverse europäisch­e Staaten natürlich hauptsächl­ich eine eigene Agenda verfolgt, liegt auf der Hand. Dankbarkei­t für die jetzigen Lieferunge­n wird nicht ausreichen.

Nach der Krise wird China zumindest Gefälligke­iten und politische­s Entgegenko­mmen einfordern. Auf eines können sich alle, die derzeit chinesisch­e Hilfsflüge bejubeln, jedenfalls schon einmal einstellen: Besuche des Dalai-Lama können sie sich abschminke­n. Und dabei wird es nicht bleiben.

(*1967) ist Experte für Europarech­t und intern. Beziehunge­n.

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