Worauf Chefs nun achten müssen
Schutzmaßnahmen. Die Mitarbeiter aus dem Home-Office zurück an den Arbeitsplatz zu holen kann Arbeitgeber vor ungeahnte Probleme stellen. Was ist zu beachten? Welche Vorkehrungen sind zu treffen? Wofür haften sie? Ein Überblick.
Welche Vorkehrungen sind zu treffen? Wer haftet wofür? Worauf muss man achten?
Wien. Die Rückkehr zur Normalität nach den langen Coronawochen ist auch für Arbeitgeber eine große Herausforderung. Und je mehr Mitarbeiter sie aus dem Home-Office holen, desto aufwendiger wird es für sie. Schließlich haben sie zu gewährleisten, dass alle Fürsorgepflichten, die in den vielen Covid-19-Regelungen festgeschrieben sind, umfassend erfüllt werden. Dazu kommen noch zahlreiche Empfehlungen seitens der verschiedenen Ministerien.
Aber wie geht man konkret damit um? Hier einige Antworten. Was ist bei der Rückkehr in die Büros zu beachten?
„Wenn Arbeitnehmer aus dem Home-Office an ihren Arbeitsplatz zurückkommen, müssen die bekannten Sicherheitsmaßnahmen – Einhaltung des Mindestabstands, Bereitstellung von Desinfektionsmittel, regelmäßiges Lüften – eingehalten werden“, sagt Rechtsanwältin Birgit Vogt-Majarek. Weil die Ansteckungsgefahr in Großraumbüros größer ist, hat der Arbeitgeber dort besonders viel zu beachten: „Der vorgeschriebene Abstand muss eingehalten und die Arbeitsbereiche müssen voneinander abgeteilt werden. Vielfach wird es notwendig sein, die Mitarbeiter in Gruppen einzuteilen, die alternierend erscheinen“, so Vogt-Majarek.
Rechtsanwalt Roland Gerlach nennt weitere Schutzmaßnahmen: „Zwar nicht am Schreibtisch, aber in engen Gängen kann man einen Mund-Nasen-Schutz verlangen. Und der Aufenthalt von mehr als einer Person in sehr kleinen Räumen sollte auf ein paar Minuten beschränkt werden.“Dass man nur einzeln im Aufzug fahren darf, hält er in großen Gebäuden für unrealistisch. Geboten sei es jedoch, im Lift einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, das Gesicht wegzudrehen und nicht zu sprechen. Besonders „in Glastürmen, wo man keine Fenster öffnen kann“, stelle sich zudem die Frage, ob ein Risiko durch Klimaanlagen besteht. Das müssten jedoch Fachleute bzw. die Wissenschaft beurteilen. Welche Veränderungen muss der Arbeitnehmer hinnehmen? Den Arbeitgeber trifft gegenüber seinen Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht, er muss sie vor Ansteckung am Arbeitsort schützen. Umgekehrt haben Arbeitnehmer Treuepflichten, die in dieser schwierigen Situation wohl ebenfalls weiter gehen als sonst, sagt Vogt-Majarek. Wenn Mitarbeiter z. B. jetzt andere Büros zugewiesen bekommen, müssen sie das hinnehmen.
Eine Änderung des Arbeitsortes, die zu einer wesentlichen Verlängerung des Anreisewegs (um z. B. 30 Minuten pro Weg) führt, könne allerdings eine Vertragsänderung bedeuten. Diese werde in aller Regel nur dann zumutbar sein, wenn der Arbeitgeber sie auf andere Weise kompensiert, also etwa einen Teil der Fahrzeit abgilt oder Fahrtkosten ersetzt.
Bedeutet die Versetzung eine Verschlechterung, kann sie bei einer Dauer von mindestens 13 Wochen nur mit vorheriger Zustimmung des Betriebsrats erfolgen. In der Coronazeit sollte der
Arbeitgeber als zusätzlichen Aspekt auch das größere Ansteckungsrisiko bei längeren Fahrten berücksichtigen. „Einen Anspruch auf Home-Office gibt es – mit Ausnahme der High-Risk-Arbeitnehmer – allerdings nicht“, sagt VogtMajarek.
Da sich viele Arbeitnehmer jedoch gegen eine unzumutbare Änderung wehren werden, könne eine rechtliche „Pattsituation“entstehen, sagt die Juristin. „Es sind daher wohl beide Teile – und auch der Betriebsrat – aufgerufen, hier konstruktiv vorzugehen.“ Braucht man für Verhaltensregeln eine Betriebsvereinbarung? „Für Betriebsräte gibt es gute Argumente dafür“, sagt Gerlach. Zwar könne man als Arbeitgeber, wenn die Zeit drängt, fürs Erste vorläufige Regeln aufstellen. „Aber dann sollte man sich nicht zieren, darüber zu verhandeln.“ Welche Konsequenzen drohen einem Arbeitgeber, der nicht alle Sicherheitsvorkehrungen trifft?
Wenn Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern keine angemessenen Sicherheitsmaßnahmen zur Verfügung stellen, drohen laut Vogt-Majarek – sofern nicht bloß eine Ermahnung ausgesprochen wird – Verwaltungsstrafen von 166 bis 8324 Euro, im Wiederholungsfall von 333 bis 16.659 Euro. Schafft der Arbeitgeber vorsätzlich oder fahrlässig eine Arbeitsumgebung, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter den Mitarbeitern herbeizuführen, kann er auch strafrechtlich verfolgt werden. „Wobei aber“, wie Vogt-Majarek meint, „an den Nachweis von Vorsatz oder Fahrlässigkeit wohl ein strenger Maßstab anzulegen ist. Abhängig vom konkreten Arbeitsplatz sind ganz unterschiedliche Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, und diesbezüglich herrscht nicht immer Klarheit.“ Müssen sich Arbeitgeber also vor einer Haftung fürchten?
Nein, sagt Gerlach, die Lockerungsverordnung lasse sich ohne
Weiteres umsetzen, dann sei das Haftungsrisiko sehr gering. Etwa beim Einhalten des Mindestabstands obliege vieles der Eigenverantwortung, „da muss der Arbeitgeber nicht dauernd mit dem Maßband herumhüpfen“. Bei einer „objektiven Coronagefährdung“müsse freilich sofort gehandelt werden. „Da ruft man dann aber die Hotline an und befolgt, was dort gesagt wird.“ Was tun, wenn Mitarbeiter nicht aus dem Home-Office zurückkommen wollen?
Ein Recht (aber keine Pflicht), im Home-Office zu bleiben, haben Arbeitnehmer, die nachweislich zur Hochrisikogruppe gehören. Viele Arbeitgeber haben allerdings wegen Covid-19 eine temporäre Telearbeitsvereinbarung mit ihren Mitarbeitern abgeschlossen. Ist darin ein Widerrufsrecht vereinbart, kann sich der Arbeitgeber darauf stützen und Mitarbeiter, die nicht zur Hochrisikogruppe zählen, anweisen, ins Büro zurückzukommen, sagt Vogt-Majarek.
Manche Chefs haben mit ihrer Belegschaft jedoch Home-Office „für die Dauer der Covid-19-Maßnahmen“ausgemacht – und diese gelten zum Teil noch immer. Kann sich ein Mitarbeiter dann weiterhin darauf berufen? „Seit Anfang Mai sind die Ausgangssperren weitgehend aufgehoben. Deshalb sprechen gute Gründe dafür, dass Arbeitgeber nun legitimiert sind, die Vereinbarung für beendet zu erklären“, sagt die Arbeitsrechtsexpertin.
Eine andere Frage ist freilich, ob es klug ist, als Arbeitgeber auf dieses Recht zu pochen. „Meine dringende Empfehlung ist, HomeOffice noch beizubehalten, wo auch immer es geht“, sagt Gerlach, damit erspare man sich als Arbeitgeber eine Reihe von Themen. Eine neue Home-Office-Vereinbarung sollte aus seiner Sicht jedoch zwei Dinge enthalten: Ein Recht des Mitarbeiters, wieder ins Büro zu kommen, wenn er das möchte. Und ein Recht des Arbeitgebers, ihn auch wieder einseitig ins Home-Office schicken zu dürfen, sollte sich später eine neue Gefährdungssituation ergeben.