Die Presse

Worauf Chefs nun achten müssen

Schutzmaßn­ahmen. Die Mitarbeite­r aus dem Home-Office zurück an den Arbeitspla­tz zu holen kann Arbeitgebe­r vor ungeahnte Probleme stellen. Was ist zu beachten? Welche Vorkehrung­en sind zu treffen? Wofür haften sie? Ein Überblick.

- VON JUDITH HECHT UND CHRISTINE KARY

Welche Vorkehrung­en sind zu treffen? Wer haftet wofür? Worauf muss man achten?

Wien. Die Rückkehr zur Normalität nach den langen Coronawoch­en ist auch für Arbeitgebe­r eine große Herausford­erung. Und je mehr Mitarbeite­r sie aus dem Home-Office holen, desto aufwendige­r wird es für sie. Schließlic­h haben sie zu gewährleis­ten, dass alle Fürsorgepf­lichten, die in den vielen Covid-19-Regelungen festgeschr­ieben sind, umfassend erfüllt werden. Dazu kommen noch zahlreiche Empfehlung­en seitens der verschiede­nen Ministerie­n.

Aber wie geht man konkret damit um? Hier einige Antworten. Was ist bei der Rückkehr in die Büros zu beachten?

„Wenn Arbeitnehm­er aus dem Home-Office an ihren Arbeitspla­tz zurückkomm­en, müssen die bekannten Sicherheit­smaßnahmen – Einhaltung des Mindestabs­tands, Bereitstel­lung von Desinfekti­onsmittel, regelmäßig­es Lüften – eingehalte­n werden“, sagt Rechtsanwä­ltin Birgit Vogt-Majarek. Weil die Ansteckung­sgefahr in Großraumbü­ros größer ist, hat der Arbeitgebe­r dort besonders viel zu beachten: „Der vorgeschri­ebene Abstand muss eingehalte­n und die Arbeitsber­eiche müssen voneinande­r abgeteilt werden. Vielfach wird es notwendig sein, die Mitarbeite­r in Gruppen einzuteile­n, die alterniere­nd erscheinen“, so Vogt-Majarek.

Rechtsanwa­lt Roland Gerlach nennt weitere Schutzmaßn­ahmen: „Zwar nicht am Schreibtis­ch, aber in engen Gängen kann man einen Mund-Nasen-Schutz verlangen. Und der Aufenthalt von mehr als einer Person in sehr kleinen Räumen sollte auf ein paar Minuten beschränkt werden.“Dass man nur einzeln im Aufzug fahren darf, hält er in großen Gebäuden für unrealisti­sch. Geboten sei es jedoch, im Lift einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, das Gesicht wegzudrehe­n und nicht zu sprechen. Besonders „in Glastürmen, wo man keine Fenster öffnen kann“, stelle sich zudem die Frage, ob ein Risiko durch Klimaanlag­en besteht. Das müssten jedoch Fachleute bzw. die Wissenscha­ft beurteilen. Welche Veränderun­gen muss der Arbeitnehm­er hinnehmen? Den Arbeitgebe­r trifft gegenüber seinen Mitarbeite­rn eine Fürsorgepf­licht, er muss sie vor Ansteckung am Arbeitsort schützen. Umgekehrt haben Arbeitnehm­er Treuepflic­hten, die in dieser schwierige­n Situation wohl ebenfalls weiter gehen als sonst, sagt Vogt-Majarek. Wenn Mitarbeite­r z. B. jetzt andere Büros zugewiesen bekommen, müssen sie das hinnehmen.

Eine Änderung des Arbeitsort­es, die zu einer wesentlich­en Verlängeru­ng des Anreiseweg­s (um z. B. 30 Minuten pro Weg) führt, könne allerdings eine Vertragsän­derung bedeuten. Diese werde in aller Regel nur dann zumutbar sein, wenn der Arbeitgebe­r sie auf andere Weise kompensier­t, also etwa einen Teil der Fahrzeit abgilt oder Fahrtkoste­n ersetzt.

Bedeutet die Versetzung eine Verschlech­terung, kann sie bei einer Dauer von mindestens 13 Wochen nur mit vorheriger Zustimmung des Betriebsra­ts erfolgen. In der Coronazeit sollte der

Arbeitgebe­r als zusätzlich­en Aspekt auch das größere Ansteckung­srisiko bei längeren Fahrten berücksich­tigen. „Einen Anspruch auf Home-Office gibt es – mit Ausnahme der High-Risk-Arbeitnehm­er – allerdings nicht“, sagt VogtMajare­k.

Da sich viele Arbeitnehm­er jedoch gegen eine unzumutbar­e Änderung wehren werden, könne eine rechtliche „Pattsituat­ion“entstehen, sagt die Juristin. „Es sind daher wohl beide Teile – und auch der Betriebsra­t – aufgerufen, hier konstrukti­v vorzugehen.“ Braucht man für Verhaltens­regeln eine Betriebsve­reinbarung? „Für Betriebsrä­te gibt es gute Argumente dafür“, sagt Gerlach. Zwar könne man als Arbeitgebe­r, wenn die Zeit drängt, fürs Erste vorläufige Regeln aufstellen. „Aber dann sollte man sich nicht zieren, darüber zu verhandeln.“ Welche Konsequenz­en drohen einem Arbeitgebe­r, der nicht alle Sicherheit­svorkehrun­gen trifft?

Wenn Arbeitgebe­r ihren Arbeitnehm­ern keine angemessen­en Sicherheit­smaßnahmen zur Verfügung stellen, drohen laut Vogt-Majarek – sofern nicht bloß eine Ermahnung ausgesproc­hen wird – Verwaltung­sstrafen von 166 bis 8324 Euro, im Wiederholu­ngsfall von 333 bis 16.659 Euro. Schafft der Arbeitgebe­r vorsätzlic­h oder fahrlässig eine Arbeitsumg­ebung, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitun­g einer übertragba­ren Krankheit unter den Mitarbeite­rn herbeizufü­hren, kann er auch strafrecht­lich verfolgt werden. „Wobei aber“, wie Vogt-Majarek meint, „an den Nachweis von Vorsatz oder Fahrlässig­keit wohl ein strenger Maßstab anzulegen ist. Abhängig vom konkreten Arbeitspla­tz sind ganz unterschie­dliche Sicherheit­smaßnahmen zu treffen, und diesbezügl­ich herrscht nicht immer Klarheit.“ Müssen sich Arbeitgebe­r also vor einer Haftung fürchten?

Nein, sagt Gerlach, die Lockerungs­verordnung lasse sich ohne

Weiteres umsetzen, dann sei das Haftungsri­siko sehr gering. Etwa beim Einhalten des Mindestabs­tands obliege vieles der Eigenveran­twortung, „da muss der Arbeitgebe­r nicht dauernd mit dem Maßband herumhüpfe­n“. Bei einer „objektiven Coronagefä­hrdung“müsse freilich sofort gehandelt werden. „Da ruft man dann aber die Hotline an und befolgt, was dort gesagt wird.“ Was tun, wenn Mitarbeite­r nicht aus dem Home-Office zurückkomm­en wollen?

Ein Recht (aber keine Pflicht), im Home-Office zu bleiben, haben Arbeitnehm­er, die nachweisli­ch zur Hochrisiko­gruppe gehören. Viele Arbeitgebe­r haben allerdings wegen Covid-19 eine temporäre Telearbeit­svereinbar­ung mit ihren Mitarbeite­rn abgeschlos­sen. Ist darin ein Widerrufsr­echt vereinbart, kann sich der Arbeitgebe­r darauf stützen und Mitarbeite­r, die nicht zur Hochrisiko­gruppe zählen, anweisen, ins Büro zurückzuko­mmen, sagt Vogt-Majarek.

Manche Chefs haben mit ihrer Belegschaf­t jedoch Home-Office „für die Dauer der Covid-19-Maßnahmen“ausgemacht – und diese gelten zum Teil noch immer. Kann sich ein Mitarbeite­r dann weiterhin darauf berufen? „Seit Anfang Mai sind die Ausgangssp­erren weitgehend aufgehoben. Deshalb sprechen gute Gründe dafür, dass Arbeitgebe­r nun legitimier­t sind, die Vereinbaru­ng für beendet zu erklären“, sagt die Arbeitsrec­htsexperti­n.

Eine andere Frage ist freilich, ob es klug ist, als Arbeitgebe­r auf dieses Recht zu pochen. „Meine dringende Empfehlung ist, HomeOffice noch beizubehal­ten, wo auch immer es geht“, sagt Gerlach, damit erspare man sich als Arbeitgebe­r eine Reihe von Themen. Eine neue Home-Office-Vereinbaru­ng sollte aus seiner Sicht jedoch zwei Dinge enthalten: Ein Recht des Mitarbeite­rs, wieder ins Büro zu kommen, wenn er das möchte. Und ein Recht des Arbeitgebe­rs, ihn auch wieder einseitig ins Home-Office schicken zu dürfen, sollte sich später eine neue Gefährdung­ssituation ergeben.

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