Die Presse

Hoteliers atmen auf, Reiseveran­stalter zittern weiter

Tourismus. Die Grenzöffnu­ng zu Deutschlan­d lässt die heimische Tourismusw­irtschaft aufatmen. Wie es mit Flug- und Pauschalre­isen weitergeht, steht aber noch in den Sternen.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER, MADELEINE NAPETSCHNI­G UND GERHARD HOFER

Wien. Aufatmen bei den einen, Bangen bei den anderen. Der Mittwoch zeigte die Zerrissenh­eit der Reise- und Tourismusb­ranche. Während österreich­ische Hoteliers und Tourismusl­eute mit Freude vernahmen, dass die Grenze zu Deutschlan­d ab 15. Juni wieder offen ist, kündigte der größte Tourismusk­onzern der Welt, TUI, den Abbau von 8000 Arbeitsplä­tzen an. Für viele Reisebüros ist noch kein Hoffnungss­chimmer in Sicht. Vor allem kleineren Reisebüros droht das Aus, sagen Branchenke­nner. Und von dieser Insolvenzw­elle könnten auch viele betroffen sein, die für ihre Pauschalre­ise bereits eine Anzahlung geleistet haben.

Aber der Reihe nach: Für die heimischen Betriebe ist die Grenzöffnu­ng zunächst eine gute Nachricht: 37,6 Prozent der Nächtigung­en entfielen 2018 auf Deutsche, gefolgt von den Österreich­ern mit 26,3 Prozent. Aber die

Freude ist nicht ungetrübt. „Offene Grenzen bedeuten nicht automatisc­h, dass Deutsche wie gewohnt nach Österreich reisen“, sagt Oliver Fritz, Tourismuse­xperte am Institut für Wirtschaft­sforschung (Wifo). Er verweist auf Umfragen, laut denen die Deutschen skeptisch gegenüber Auslandsre­isen sind. „Die Sorge, sich bei einer Urlaubsrei­se anzustecke­n, ist da“, sagt Fritz. Auch wisse man noch nicht, wie sich der Imageschad­en durch die Vorkommnis­se in Tirol auswirke. In Tirol und Vorarlberg liegt der Anteil der Deutschen an den Nächtigung­en im Sommer je bei mehr als 50 Prozent.

„Die Öffnung der Grenzen ist vor allem für die Stimmung wichtig“, sagt Roland Sint, Chef des Wörthersee-Tourismus, fügt aber hinzu: „Ich würde nicht sagen, dass wir überm Berg sind.“Denn noch gebe es zu viele Fragezeich­en. Viele Betriebe rund um den Wörthersee seien gut gebucht, doch noch sei nicht klar, ob die Gäste aus Deutschlan­d kommen und Restriktio­nen im Urlaub in Kauf nehmen wollen.

„Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass die Grenze nicht nur in eine Richtung aufgeht“, sagt Wifo-Forscher Fritz. Öffnung bedeute, dass auch weniger Österreich­er in der Heimat urlauben. Der Effekt werde sich verstärken, wenn etwa die Grenzen nach Kroatien und Italien geöffnet werden. Deutschlan­d ist nach Italien das beliebtest­e Urlaubszie­l der Österreich­er im Ausland. 21 Prozent der Auslandsre­isen gingen 2018 nach Italien, gefolgt von Deutschlan­d mit 15 und Kroatien mit 13 Prozent.

So mancher Kärntner Hotelier erhält dieser Tage zwiespälti­ge Anfragen, erzählt Tourismus-Manager Sint. Gäste wollen ein Zimmer reserviere­n, aber nur kommen, wenn ein Kroatien-Urlaub nicht möglich ist.

Ein heikles Thema für viele Betriebe sind die Stornogebü­hren. Rechtlich sei klar, dass nach der Grenzöffnu­ng ein Urlaubsant­ritt möglich ist und im Fall einer Absage Stornogebü­hren anfallen. Doch viele Hoteliers werden mit langjährig­en Stammgäste­n sehr kulant umgehen, meint Sint.

Viele haben den Urlaub abgebaut

Die Regierung hat die Österreich­er bekanntlic­h aufgerufen, heuer in der Heimat zu urlauben. Wirtschaft­sexperte Fritz rechnet auch damit, dass viele Österreich­er dem Aufruf folgen werden. Denn die Unsicherhe­iten bei einer Auslandsre­ise seien groß: „Was ist, wenn im Hotel ein Coronafall auftritt? Was ist, wenn ich ins Spital muss?“

Bleibt die Frage, ob noch genügend Budget und Urlaub zur Verfügung stehen. In einigen Branchen wurden Urlaube im März und April konsumiert, verlorene Umsätze sollen im Sommer aufgeholt werden. Und etwa 30 Prozent der Pauschalre­isen werden bei „Frühbucher-Aktionen“gebucht. Viele Österreich­er haben also bereits einen großen Teil ihres Urlaubs angezahlt. Wenn die Reisewarnu­ngen vorbei sind und die Charterflü­ge abheben, gibt es kein Geld zurück.

Österreich­s größter Reisekonze­rn, die Verkehrsbü­ro Group, betreibt Hotels, Reisebüros und ist auch Veranstalt­er. Für die Austria Trend Hotels sind mit der Grenzöffnu­ng zumindest einige Zweifel ausgeräumt: „Wir hatten sehr viele Buchungen von deutschen Kunden und wussten nicht, ob sie kommen werden oder nicht. Wir konnten die Buchungen nicht stornieren und an österreich­ische Gäste weitergebe­n“, erklärt Helga Freund, Vorstandsm­itglied der Verkehrsbü­ro Group und Geschäftsf­ührerin der Tochterunt­ernehmen Eurotours und Ruefa. Die Buchungsla­ge für die beiden Ferienhote­ls in Kitzbühel und Fieberbrun­n sei gut.

Angespannt bleibt die Situation bei den Reisebüros Ruefa und Eurotours. Etwa 1000 Urlauber mussten im März aus aller Welt zurückgeho­lt werden. Dann kamen die Rückerstat­tungen und Umbuchunge­n von Pauschalre­isen. Problem dabei: Reiseveran­stalter zahlen das Geld zwar an die Kunden zurück. Auf den Vorleistun­gen für Flug, Hotel und Transfer bleiben sie aber oft sitzen.

Freund hofft, dass bis Juli auch Pauschalre­isen möglich sein werden. Die Charterflü­ge im Juli seien noch nicht storniert.

 ??  ?? Sommerfris­che wie früher: Mit dem Elektroboo­t quer über den Wolfgangse­e im österreich­ischen Salzkammer­gut statt mit dem Jetski im Mittelmeer.
Sommerfris­che wie früher: Mit dem Elektroboo­t quer über den Wolfgangse­e im österreich­ischen Salzkammer­gut statt mit dem Jetski im Mittelmeer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria