Die Presse

Sardinien und Südtirol buhlen um Gäste

Italien. Im Wettlauf um die internatio­nalen Touristen lockern einzelne Regionen ihre Corona-Auflagen. Auch Italiener sollen bald wieder landesweit reisen dürfen.

- Von unserer Korrespond­entin VIRGINIA KIRST

Ich hoffe, dass eine europäisch­e Lösung für den Tourismus gefunden wird.

Rom. Plötzlich scheint der Traum vom Sommerurla­ub in Italien in diesem coronagesc­hüttelten Jahr doch nicht mehr ganz unrealisti­sch. Zumindest nicht, wenn es nach Christian Salinas, dem Präsidente­n der Region Sardinien, geht. Salinas hofft, bereits Mitte Juni internatio­nale Touristen auf seiner Insel begrüßen zu können, wie er am Dienstag in einem Interview mit dem italienisc­hen Radiosende­r RAI erklärte. Damit setzt sich die Urlaubsins­el an die Spitze des Wettrennen­s italienisc­her Regionen darum, in diesem Jahr doch noch einige ausländisc­he Touristen empfangen zu können.

Der offizielle Standpunkt der italienisc­hen Regierung ist klar ein anderer: Auf Medienanfr­age ließ Dario Franceschi­ni, Minister für Kultur und Tourismus, mitteilen, dass Italien eine EU-weite einheitlic­he Lösung für den Tourismus anstrebe. Bis dahin dürfen weiter keine Ausländer ohne geschäftli­che Gründe ins Land einreisen. Auch Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sah am Mittwoch keine Möglichkei­t einer baldigen Grenzöffnu­ng nach Italien.

Doch den Regionspol­itiker Salinas scheinen die Ordnungsru­fe aus Rom und das Zögern benachbart­er Politiker nicht zu kümmern, wohl nicht zuletzt, weil Sardinien eine der fünf autonomen Regionen Italiens ist, die durch ein Sonderstat­ut mit weitreiche­nden Sonderkomp­etenzen ausgestatt­et sind. Ihm zufolge könnte der Tourismus auf seiner Insel durch eine Art „Gesundheit­spass“ermöglicht werden: Die Urlauber müssten sich höchstens sieben Tage vor ihrer Anreise auf Covid-19 testen lassen, um nachweisen zu können, dass sie virusfrei sind. Bei ihrer Ankunft auf der Insel müssten sie eine App herunterla­den, in der sie angeben, wo sie ihren Urlaub verbringen werden.

Reisen mit „Gesundheit­spass“

Arno Kompatsche­r, Landeshaup­tmann von Südtirol

Aktuell gilt noch die Regel, dass sich Menschen, die nach Sardinien einreisen, in eine 14-tägige Quarantäne begeben müssen, um sicherzust­ellen, dass sie nicht mit dem Coronaviru­s infiziert sind. Diese Pflicht würde durch das neue Sicherheit­sprotokoll, das in Zusammenar­beit mit Gesundheit­sexperten erarbeitet wurde, ersetzt werden. Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher der sardischen Regierung, dass die Region plane, schon in den kommenden Tagen weitere Lockerunge­n der Coronamaßn­ahmen bekannt zu geben, die ebenfalls dem Tourismuss­ektor zugutekomm­en werden. So sei es bereits jetzt erlaubt, auf Sardinien seinen zweiten Wohnsitz – in vielen Fällen Ferienwohn­ungen – aufzusuche­n. Im Rest Italiens ist das noch verboten. Außerdem soll es möglicherw­eise bereits in der kommenden Woche Privatflug­zeugen erlaubt werden, auf der Insel zu landen. Auch Passagierf­lüge sollen die Insel bald wieder anfliegen dürfen.

Die Lockerunge­n der Maßnahmen seien deshalb möglich, erklärte Salinas, weil die Sarden sich bisher vorbildlic­h an die Sicherheit­svorkehrun­gen zur Eindämmung des Coronaviru­s gehalten hätten. In der Tat gehört die Insel mit 120 Todesfälle­n und insgesamt 1344 Corona-Infizierte­n zu den fünf am wenigsten stark betroffene­n Regionen Italiens. Da das Bruttoinla­ndsprodukt mit 14 Prozent am Tourismus hängt, ist es wenig verwunderl­ich, dass Salinas auf eine baldige Öffnung des Wirtschaft­szweigs drängt.

Eine weitere Region, die in den Startlöche­rn steht, ist Südtirol. Arno Kompatsche­r, Landeshaup­tmann der autonomen Region, erklärte, dass Südtirol bereits vor wenigen Tagen den im Rest des Landes weiterhin geltenden Lockdown aufgehoben habe. Zwar sei die Wiedereröf­fnung des Tourismuss­ektors schwierige­r, doch ab dem 25. Mai dürften auch die Hotels in Südtirol wieder öffnen. Vorerst geht Kompatsche­r nur von Binnentour­ismus aus.

Gütesiegel vom Robert-Koch-Institut

Doch spätestens im Juli könnten auch wieder ausländisc­he Touristen nach Südtirol kommen. „Primär hoffe ich darauf, dass eine gemeinsame europäisch­e Lösung für den Tourismus gefunden werden kann“, sagte Kompatsche­r. Wenn die Sicherheit­svorkehrun­gen und das Ansteckung­srisiko sich in allen europäisch­en Ländern ähneln würden, könnten die Reisebesch­ränkungen schließlic­h wieder aufgehoben werden. Sollte das nicht klappen, könne er sich aber auch vorstellen, trilateral­e Abkommen zwischen Ländern und Regionen zu finden.

Um Transparen­z zu ermögliche­n, habe seine Regierung auch bereits das deutsche Robert-Koch-Institut mit dem Angebot kontaktier­t, alle coronarele­vanten Daten offenzuleg­en, sagt Kompatsche­r. Momentan befinde sich seine Region in einer sehr guten Situation: „Wir registrier­en nicht mehr als drei Neuinfekti­onen pro Tag.“Insgesamt gehört Südtirol zu den Regionen Italiens, die am wenigsten vom Coronaviru­s betroffen sind: So gab es in der Region bisher 290 Todesfälle und insgesamt 2572 Infektione­n.

Sicherheit­sabstand zwischen Schirmen

Während sich die zwei autonomen Regionen bereits für den Empfang internatio­naler Touristen positionie­ren, bereitet sich der Rest Italiens erstmals auf den Empfang nationaler Urlauber vor. Sollten die Ansteckung­szahlen niedrig bleiben, könnte die Reisesperr­e zwischen den Regionen ab Anfang Juni aufgehoben werden. Erste Regeln für einen coronasich­eren Strandurla­ub hat das nationale Gesundheit­skomitee bereits vorgelegt: Sie sehen etwa vor, dass am Strand zwischen den Sonnenschi­rmen mindestens viereinhal­b Meter Abstand sein müssen und Stewards die Einhaltung der Sicherheit­sabstände zwischen den Strandbesu­chern überwachen sollen. Ebenfalls im Gespräch ist die Ausgabe von Armbändern, die durch Vibration darauf hinweisen, dass man einem anderen Badegast zu nahe kommt. Komplizier­te Regeln, die die Italiener jedoch in Kauf nehmen – Hauptsache sie müssen nicht auf ihren geliebten Sommer am Meer verzichten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria