Die Presse

Was das Parlament wissen darf

Kontrolle. Bei Internetau­ftritten der Regierung ist nicht entscheide­nd, wem der Account gehört.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Wer steckt hinter einem mysteriöse­n Tweet, der über den Account des Kommunikat­ionschefs von Kanzler Sebastian Kurz verschickt wurde? Parlamenta­rische Anfragen von SPÖ und Neos zu dem Thema ließ Kurz inhaltlich unbeantwor­tet. Er verwies insbesonde­re darauf, dass es sich um einen privaten Account seines Mitarbeite­rs handle. Doch wann muss ein Regierungs­mitglied eigentlich auf Fragen von Abgeordnet­en antworten? Und welche Möglichkei­ten haben Parlamenta­rier, wenn ihnen eine Antwort nicht passt?

1 Was ist der Sinn von parlamenta­rischen Anfragen?

Aufgabe des Nationalra­ts ist es, das Wirken der Regierung zu überprüfen. Wenn fünf Abgeordnet­e sich zusammensc­hließen, können sie eine parlamenta­rische Anfrage an ein Regierungs­mitglied stellen. Die Fragen dürfen Regierungs­akte und Verwaltung­sangelegen­heiten umfassen. Darunter fallen auch dienstlich­e Aktivitäte­n von Mitarbeite­rn der Regierungs­riege.

2 Welche Fragen muss die Regierung nicht beantworte­n?

Nicht zulässig sind Fragen zum Privatlebe­n. Ebenso wenig dürfen Abgeordnet­e erfragen, was der Kanzler in seiner Funktion als Parteichef macht. Über die Abgrenzung zum Regierungs­amt kann man aber schon streiten. Auch datenschut­zrechtlich­e Fragen können ein Streitfall werden. Der zuständige Ausschuss im Parlament sprach sich in der Vergangenh­eit dafür aus, dass das Fragerecht des Nationalra­ts vorgehe. Der Verfassung­sdienst (im Kanzleramt angesiedel­t) vertritt die Meinung, dass man im Einzelfall entscheide­n müsse, ob der Datenschut­z oder das Auskunftsr­echt des Nationalra­ts Vorrang hat.

Grundsätzl­ich sei das Fragerecht des Parlaments aber nach der juristisch­en Lehre großzügig auszulegen, sagt Karl Stöger, Professor für Öffentlich­es Recht an der Universitä­t Graz, zur „Presse“.

3 Was können Abgeordnet­e machen, wenn ihnen die Antwort missfällt?

Die Sache sei „aufklärung­sbedürftig und der Herr Bundeskanz­ler wird noch Gelegenhei­t bekommen, sie aufzukläre­n“, meint SPÖMandata­r Thomas Drozda. Er verlangt nun eine Besprechun­g der Anfragebea­ntwortung im Nationalra­t. Mit den Neos wolle er beratschla­gen, welche der beiden (ähnlichen) Anfragen der Fraktionen zum Thema gemacht werde.

Fünf Abgeordnet­e können so eine Besprechun­g im Nationalra­t verlangen. Jede Fraktion (allen voran die antragstel­lende) darf dabei ihre Meinung kundtun. Das Regierungs­mitglied muss kommen und seine Sicht begründen.

4 Und was ist, wenn der Opposition die Antwort weiterhin nicht reicht?

Der Nationalra­t kann beschließe­n, dass er die Antwort des Regierungs­mitglieds (diesfalls des Kanzlers) nicht zur Kenntnis nimmt. Dafür braucht es aber einen Mehrheitsb­eschluss. Den es in aller Regel nicht gibt, weil das jeweilige Regierungs­mitglied die Mehrheit im Nationalra­t hinter sich hat.

Aus demselben Grund würde auch ein Misstrauen­santrag gegen ein nicht auskunftwi­lliges Regierungs­mitglied im Sand verlaufen.

5 Durfte Kurz nun die Antwort auf die Fragen verweigern?

„Was für eine peinliche Inszenieru­ng! Warum muss der Kurz eine Konferenz zur AUA und zu Flugverkeh­r und Grenzkontr­ollen machen, was geht ihn das überhaupt an!? Lasst den Anschober machen! Da fühl ich mich wohler“, hieß es in dem Anfang März verschickt­en Tweet. Gerald Fleischman­n, Kommunikat­ionsstrate­ge des Kanzlers, erklärte, er habe diesen Text nicht verfasst. Jemand anderer müsse seinen Account benutzt haben.

Zur Frage, wer das Tweet verschickt habe, erklärte Kurz, dass es sich um einen privaten Account handle. Das sei aber nicht entscheide­nd, sagt Jurist Stöger. Relevant sei der Inhalt, nicht, wer den Account angemeldet habe. „Die Regierung kann sich so nicht der Kontrolle entziehen“, sagt der Professor. So wie Pressekonf­erenzen Teil von parlamenta­rischen Anfragen sein könnten, gelte das auch für Tweets von Regierungs­mitarbeite­rn zu Pressekonf­erenzen.

Während die Frage nach dem Absender des Tweets also eine berechtigt­e ist, habe Kurz andere Fragen der Opposition (wer hat Zugriff auf Fleischman­ns Account?) tatsächlic­h nicht beantworte­n müssen, sagt Stöger. Denn diesfalls könne der Kanzler sehr wohl mit dem Datenschut­z argumentie­ren.

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[ APA ] Parlamenta­rische Anfragen sind ein beliebtes Instrument der Opposition. Durchsetzu­ngsmöglich­keiten hat sie aber wenige.

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