Was das Parlament wissen darf
Kontrolle. Bei Internetauftritten der Regierung ist nicht entscheidend, wem der Account gehört.
Wien. Wer steckt hinter einem mysteriösen Tweet, der über den Account des Kommunikationschefs von Kanzler Sebastian Kurz verschickt wurde? Parlamentarische Anfragen von SPÖ und Neos zu dem Thema ließ Kurz inhaltlich unbeantwortet. Er verwies insbesondere darauf, dass es sich um einen privaten Account seines Mitarbeiters handle. Doch wann muss ein Regierungsmitglied eigentlich auf Fragen von Abgeordneten antworten? Und welche Möglichkeiten haben Parlamentarier, wenn ihnen eine Antwort nicht passt?
1 Was ist der Sinn von parlamentarischen Anfragen?
Aufgabe des Nationalrats ist es, das Wirken der Regierung zu überprüfen. Wenn fünf Abgeordnete sich zusammenschließen, können sie eine parlamentarische Anfrage an ein Regierungsmitglied stellen. Die Fragen dürfen Regierungsakte und Verwaltungsangelegenheiten umfassen. Darunter fallen auch dienstliche Aktivitäten von Mitarbeitern der Regierungsriege.
2 Welche Fragen muss die Regierung nicht beantworten?
Nicht zulässig sind Fragen zum Privatleben. Ebenso wenig dürfen Abgeordnete erfragen, was der Kanzler in seiner Funktion als Parteichef macht. Über die Abgrenzung zum Regierungsamt kann man aber schon streiten. Auch datenschutzrechtliche Fragen können ein Streitfall werden. Der zuständige Ausschuss im Parlament sprach sich in der Vergangenheit dafür aus, dass das Fragerecht des Nationalrats vorgehe. Der Verfassungsdienst (im Kanzleramt angesiedelt) vertritt die Meinung, dass man im Einzelfall entscheiden müsse, ob der Datenschutz oder das Auskunftsrecht des Nationalrats Vorrang hat.
Grundsätzlich sei das Fragerecht des Parlaments aber nach der juristischen Lehre großzügig auszulegen, sagt Karl Stöger, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Graz, zur „Presse“.
3 Was können Abgeordnete machen, wenn ihnen die Antwort missfällt?
Die Sache sei „aufklärungsbedürftig und der Herr Bundeskanzler wird noch Gelegenheit bekommen, sie aufzuklären“, meint SPÖMandatar Thomas Drozda. Er verlangt nun eine Besprechung der Anfragebeantwortung im Nationalrat. Mit den Neos wolle er beratschlagen, welche der beiden (ähnlichen) Anfragen der Fraktionen zum Thema gemacht werde.
Fünf Abgeordnete können so eine Besprechung im Nationalrat verlangen. Jede Fraktion (allen voran die antragstellende) darf dabei ihre Meinung kundtun. Das Regierungsmitglied muss kommen und seine Sicht begründen.
4 Und was ist, wenn der Opposition die Antwort weiterhin nicht reicht?
Der Nationalrat kann beschließen, dass er die Antwort des Regierungsmitglieds (diesfalls des Kanzlers) nicht zur Kenntnis nimmt. Dafür braucht es aber einen Mehrheitsbeschluss. Den es in aller Regel nicht gibt, weil das jeweilige Regierungsmitglied die Mehrheit im Nationalrat hinter sich hat.
Aus demselben Grund würde auch ein Misstrauensantrag gegen ein nicht auskunftwilliges Regierungsmitglied im Sand verlaufen.
5 Durfte Kurz nun die Antwort auf die Fragen verweigern?
„Was für eine peinliche Inszenierung! Warum muss der Kurz eine Konferenz zur AUA und zu Flugverkehr und Grenzkontrollen machen, was geht ihn das überhaupt an!? Lasst den Anschober machen! Da fühl ich mich wohler“, hieß es in dem Anfang März verschickten Tweet. Gerald Fleischmann, Kommunikationsstratege des Kanzlers, erklärte, er habe diesen Text nicht verfasst. Jemand anderer müsse seinen Account benutzt haben.
Zur Frage, wer das Tweet verschickt habe, erklärte Kurz, dass es sich um einen privaten Account handle. Das sei aber nicht entscheidend, sagt Jurist Stöger. Relevant sei der Inhalt, nicht, wer den Account angemeldet habe. „Die Regierung kann sich so nicht der Kontrolle entziehen“, sagt der Professor. So wie Pressekonferenzen Teil von parlamentarischen Anfragen sein könnten, gelte das auch für Tweets von Regierungsmitarbeitern zu Pressekonferenzen.
Während die Frage nach dem Absender des Tweets also eine berechtigte ist, habe Kurz andere Fragen der Opposition (wer hat Zugriff auf Fleischmanns Account?) tatsächlich nicht beantworten müssen, sagt Stöger. Denn diesfalls könne der Kanzler sehr wohl mit dem Datenschutz argumentieren.