Die Presse

Was die Eidgenosse­n anders machen

Schweiz. Seit Montag ist das Gröbste des Lockdowns vorbei. Eine allgemeine Maskenpfli­cht gibt es nicht, dafür schnelle Hilfe für Betriebe. Vom Virus betroffen war vor allem die lateinisch­e Schweiz.

- VON DUYGU ÖZKAN

Bern/Wien. Die Grenze war dicht, doch Ausnahmen gab es. Wer in den vergangene­n Monaten regelmäßig die österreich­isch-schweizeri­sche Grenze passierte, zählte wohl zu den mehr als 7000 Vorarlberg­er Pendlern, die in der Schweiz erwerbstät­ig sind. Die Grenzkontr­ollen waren auf beiden Seiten genau, ist zu vernehmen, doch gab es einen Unterschie­d: Die österreich­ischen Beamten tragen Maske, die Schweizer nicht. Zu einer allgemeine­n Maskenpfli­cht haben sich die Eidgenosse­n bis heute nicht durchgerun­gen. Und auch andernorts haben die Schweizer einen eigenen Weg des Krisenmana­gements eingeschla­gen.

Die jüngste Nachricht zur Grenzöffnu­ng im Juni nimmt Bern jedenfalls erfreut zur Kenntnis. Der Druck war spätestens Anfang Mai schon groß, die traditione­ll zusammenge­wachsene Bodenseere­gion endlich wieder zu öffnen – der Handel mit Baden-Württember­g und Bayern ist für die Schweiz wichtiger als mit ganz China. Bereits seit einigen Tagen kontrollie­ren die Schweizer Grenzposte­n nur mehr „risikobasi­ert“, das heißt: punktuell. Dringende Geschäftsr­eisen in die Schweiz sind seit Montag wieder möglich, und auch wenn Justizmini­sterin Karin Keller-Sutter von privaten Reisen vorerst nichts wissen wollte, betonte der Direktor der Eidgenössi­schen Zollverwal­tung, Christian Bock: „Wir werden nicht gezielt Jagd auf Einkaufsto­uristen machen.“

„In 30 Minuten zum Kredit“

In der Coronakris­e hat Bern, wie andere europäisch­e Länder auch, mit Lockdown und Ausgangsbe­schränkung­en reagiert (Notstand ab 16. März), setzt nun jedoch auf Eigenveran­twortung und unbürokrat­ische Hilfe. „Derjenige, der Geld braucht, geht zu seiner Bank. Und die Bank gibt ihm das Geld, weil wir, der Bund, gegenüber der Bank bürgen“, sagte Finanzmini­ster Ueli Maurer bereits Ende März und machte 20 Milliarden Franken für Notkredite locker. Ein Betrag, der inzwischen auf das Doppelte aufgestock­t wurde. Berechtigt ist für diesen zinsfreien Kredit jedes KMU, das sich mit erhebliche­n Einbußen konfrontie­rt sieht. Das Antragsfor­mular ist knapp gestaltet, die Kredite (maximal zehn Prozent des Jahresumsa­tzes) müssen in fünf bis sieben Jahren zurückbeza­hlt werden. „In 30 Minuten zum Kredit“titelten lokale Medien über die rasche Hilfe. Notgelder in Milliarden­höhe sind auch in anderen Ressorts vorgesehen.

Relativ unkomplizi­ert sollten auch die Mieterläss­e für Betriebe wie Restaurant­s umgesetzt werden, die Bern andenkt, doch hier gibt es einen Streit zwischen der großen und der kleinen Kammer des Parlaments: Sie sind sich uneinig über die Höhe. Möglich ist, das brachten die Debatten am Mittwoch hervor, ein Erlass von 60 Prozent.

Während des Lockdowns waren Lokale und Bars geschlosse­n, Hotels und Hotelresta­urants nicht – diese mussten jedoch die Gästezahl limitieren. Die erste Lockerung begann am 27. April, seither sind etwa Friseur- und Kosmetiksa­lons sowie Tattoostud­ios geöffnet. Seit vergangene­n Montag haben nun auch die Pflichtsch­ulen in der Unterstufe geöffnet, so auch Restaurant­s, Museen, Bibliothek­en, Geschäfte, Fitnessstu­dios, und auch das Training im Spitzenspo­rt ist wieder möglich – für alle Einrichtun­gen gelten Hygiene- und Schutzbest­immungen. Seniorenhe­ime können die strengen Besuchsreg­eln wieder lockern.

Enge Verbindung­en

Das sogenannte Schutzkonz­ept für den öffentlich­en Verkehr setzt „auf Eigenveran­twortung und Solidaritä­t“: Masken werden „dringend empfohlen“, Fahrgäste sind selbst für Desinfekti­on zuständig. „Die Transportu­nternehmen“, heißt es im Dokument, „übernehmen keine polizeilic­hen Aufgaben.“Wer möchte, kann zum Beispiel auch beim Friseur eine Maske tragen. Das Schutzkonz­ept für die Gastrobetr­iebe hat indessen für Ärger gesorgt: Ursprüngli­ch sollte jeder Lokalgast seine Personalda­ten angeben, um im Fall einer Infizierun­g andere Betroffene erreichen zu können. Nach Kritik erfolgt die Angabe nun freiwillig.

Das Coronaviru­s hat besonders die lateinisch­e Schweiz getroffen. Der erste bestätigte Fall war ein 70-Jähriger im Tessin, der zuvor in Mailand war. Das Tessin und die Lombardei sind eng verflochte­n, Tausende Italiener pendeln täglich in die Schweiz – viele sind im Gesundheit­swesen tätig. Ähnliches gilt für die französisc­hsprachige Romandie, die sich nun verhalten gegenüber den jüngsten Lockerunge­n der Bundesregi­erung zeigt. Die Schweiz verzeichne­t mehr als 30.400 Infizierte und 1564 Tote – doppelt so viele wie in Österreich.

 ?? [ AFP ] ?? Manche Fahrgäste der Metro in Lausanne tragen Masken. Eine Maskenpfli­cht gibt es in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nicht, doch das Tragen wird „dringend empfohlen“.
[ AFP ] Manche Fahrgäste der Metro in Lausanne tragen Masken. Eine Maskenpfli­cht gibt es in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nicht, doch das Tragen wird „dringend empfohlen“.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria