Mike Pompeos Maskendebüt: Eine diplomatische Premiere
USA/Israel. Stippvisite des US-Außenministers in Jerusalem bringt das Protokoll durcheinander und verschiebt Angelobung der neuen Regierung.
Wien/Jerusalem. Mike Pompeo hätte via Zoom oder Skype mit seinen Gesprächspartnern in Jerusalem konferieren können. Doch der USAußenminister nahm für seinen ersten Auslandstrip seit vielen Wochen – eine diplomatische Premiere in Corona-Zeiten – die Strapaze eines Transatlantikflugs auf sich. Nicht einmal acht Stunden hielt sich Pompeo am Mittwoch in Israel auf, ehe er wieder nach Washington zurückflog und nicht – wie sonst üblich – nach einem Zwischenstopp weiterreiste.
Seine Stippvisite brachte das israelische Protokoll und die Quarantänebestimmungen durcheinander. Nicht nur ersparte sich Pompeo eine zweiwöchige Quarantäne in Israel. Präsident Reuven
Rivlin verschob eigens die für Mittwoch angesetzte Angelobung der neuen Einheitsregierung um einen Tag. Nach dem politischen Patt, das 13 Monate gedauert hatte, kam es auf einen Tag auch nicht mehr an.
Sternenbanner-Schutzmaske
Bei der Ankunft auf dem verwaisten Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv überraschte Pompeo seine Gastgeber, als er sich eine Schutzmaske in den Farben des US-Sternenbanners überstreifte, um den neuen Usancen zu entsprechen. In den USA sorgte dies für Furore, da sich vom Präsidenten abwärts die Minister bisher standhaft weigerten, eine Maske überzuziehen.
US-Botschafter David Friedman, neben Trump-Schwiegersohn Jared Kushner einer der Architekten des Nahost-Friedensplans Washingtons, war wegen Krankheit bei der Begrüßung verhindert. Pompeo beließ es bei einem Nicken und der Andeutung einer Verbeugung. Für die Diplomatie sind in der Coronakrise neue Zeiten angebrochen.
Inhaltlich hatte der US-Außenminister wenig Neues im Gepäck. Er galt als ein Skeptiker des „Jahrhundert-Deals“, als den Donald Trump den Friedensplan angepriesen hatte – und er belächelt die diplomatischen Avancen des außenpolitischen Novizen Kushner, Trumps Mann für alle Fälle.
Allerdings gab Pompeo „Israel Hayom“, der Netanjahu-nahenGratiszeitung, die der US-CasinoMilliardär Sheldon Adelson und republikanischer Großfinancier herausgibt, ein Interview. Darin signalisiert er freie Hand für Israel bei der Annexion der jüdischen Siedlungen im Westjordanland und des Jordantals – ein zentraler Punkt im Koalitionsabkommen zwischen Premier Benjamin Netanjahu und seinem Ex-Rivalen Benny Gantz, dem designierten Verteidigungsminister. Das sei Sache Israels, erklärte Pompeo. Bei der Pressekonferenz mit Netanjahu stellte er Fortschritte bei der Umsetzung in Aussicht, legte sich jedoch nicht fest. Im Anschluss traf er die Newcomer und prominenten Akteure in Netanjahus fünfter Regierung: Gantz und Gabi Ashkenasi, den neuen Außenminister.
Anti-China-Mission
Vordringlicher schienen Pompeo die US-Interessen. So drängte er Israel zur Einschränkung der Beziehungen zu China, was Jerusalems Radius angesichts der schweren Wirtschaftskrise begrenzen würde. Die Anti-China-Mission avanciert zum neuen Schwerpunkt der Außenpolitik Washingtons. Bei einer Konstante ist die Agenda der USA und von Israel indessen deckungsgleich: Im Kurs gegenüber dem Regime im Iran passt kein Blatt zwischen den Hardlinern in Washington und Jerusalem.