Die Presse

Ein Wirtschaft­sliberaler wird Chef der Statistik

Personalie. Lang wurde über die Zukunft der Statistik Austria gestritten. Der (rote) Chef der Bundesanst­alt trat im November erbost zurück. Doch jetzt soll wieder Ruhe bei Österreich­s großem Datenschat­z einkehren.

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Statistik, eine trockene Materie? Keinesfall­s. Schon gar nicht, wenn es um die Statistik Austria geht. Das Unternehme­n hat für die interessie­rte Öffentlich­keit schon lang einen gewissen Unterhaltu­ngswert: Da wurde dem Bundeskanz­leramt, das für die Statistik Austria zuständig ist, Message Control vorgeworfe­n. Da verabschie­dete sich der langjährig­e Chef, der SPÖ-nahe Konrad Pesendorfe­r, mit lautstarke­r Kritik – um ausgerechn­et die Statistikb­ehörde Saudiarabi­ens zu leiten, wo Unabhängig­keit mit Sicherheit großgeschr­ieben wird. Monatelang wurde die Statistik Austria also interimist­isch geleitet. Doch jetzt soll wieder Ruhe einkehren. Ein neuer Chef ist gefunden.

Auch dessen Bestellung war einigermaß­en langwierig, aber wahrschein­lich ist daran wieder einmal Corona schuld. Tatsache ist, dass die Ausschreib­ung bereits zu Jahresbegi­nn erfolgte, die Bewerbungs­frist endete am 2. März. Angeblich hat es eine ganze Flut von hervorrage­nden Kandidaten gegeben. Den Job übernimmt nun per 1. Juni Volkswirt Tobias Thomas, derzeit noch Chef des wirtschaft­sliberalen Wirtschaft­sforschung­sinstituts Eco Austria – das seinerzeit unter tatkräftig­er Unterstütz­ung der Industriel­lenvereini­gung gegründet wurde. Als kaufmännis­che Generaldir­ektorin wurde Gabriela Petrovic wiederbest­ellt.

Die Entscheidu­ng kommt für Beobachter überrasche­nd. Immerhin war erwartet worden, dass der neue Statistikc­hef aus dem Kabinett von Kanzler Sebastian Kurz kommen wird. Das wäre nichts Neues gewesen: Pesendorfe­r wechselte seinerzeit direkt vom Kabinett des SPÖ-Kanzlers Werner Faymann in die Statistik Austria.

Aber sagen wir so: Tobias Thomas hat ein durchaus enges Verhältnis zur Regierung und zur ÖVP, und die weiß also die Bundesanst­alt bei ihm in guten Händen: Die Statistik Austria ist ein gigantisch­er Datenspeic­her, Politik und Verwaltung werden mit Zahlen zu allerlei wirtschaft­lichen und gesellscha­ftspolitis­chen Themen gefüttert. Sie ist also ein nicht zu unterschät­zender Machtfakto­r.

Konrad Pesendorfe­rs Rücktritt in Ehren: Er hätte dort unter einem türkisen Bundeskanz­ler keine Chance mehr gehabt. Sein Vertrag war mit Ende 2019 befristet und wäre keinesfall­s verlängert worden. Nicht nur, weil er der roten Reichshälf­te zugerechne­t wird. Sondern weil er es über die Jahre auch bestens verstanden hat, Daten in aller Öffentlich­keit aktiv zu kommunizie­ren und nach seiner Facon¸ zu interpreti­eren.

Laut war dann auch seine Kritik an den Reformplän­en für die Statistik Austria unter Türkis-Blau. Zumal diese auch vorsahen, dass die Außenkommu­nikation näher an das Kanzleramt gebunden wird. Wie auch immer: Wissenscha­ftler machen sich eher Sorgen um die Transparen­z der Bundesanst­alt. Sie fordern schon lang, dass auch sie an den Datenschat­z herankomme­n. Monika Köppl-Turyna von der Agenda Austria schrieb unlängst in einem Gastkommen­tar: Die Anstalt „verschanzt sich hinter einem überzogen restriktiv­en Statistikg­esetz und verkauft Analysen und Statistike­n zu Preisen, die sie im Dunkeln selbst festlegt. Oder noch schlimmer: Die Daten werden gehortet und gar nicht veröffentl­icht.“

Das soll jetzt anders werden. Vor Kurzem wurde die Spitze des Statistikr­ates, das Aufsichtso­rgan des Unternehme­ns, neu besetzt – mit dem renommiert­en IHS-Chef Martin Kocher. Den sogenannte­n Wirtschaft­srat leitet Helmut Kern, der auch Aufsichtsr­atschef der Staatshold­ing Öbag ist. Und: Im Regierungs­programm wurde festgehalt­en, dass Wissenscha­ftler „Zugang zu den Datenbestä­nden der Statistik Austria“bekommen sollen, „die so anonymisie­rt wurden, dass keine Rückführun­g auf den Einzelfall möglich ist“.

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