Die Presse

Mercedes schafft das Feilschen ab

Autokauf. Der deutsche Premiumher­steller stellt in Österreich auf einen Direktvert­rieb um. Der Händler liefert dann Neuwagen nur noch aus, ein Handeln um den Preis gibt es nicht mehr.

- VON NORBERT RIEF

Wien. Das hartnäckig­e Verhandeln um den Preis gehört in Österreich zum Kauf eines Neuwagens. Im besten Fall kann man am Stammtisch damit angeben, wie viel Prozent man bekommen hat. Im schlechtes­ten gibt man sich mit kostenlose­n Fußmatten zufrieden. Aber irgendetwa­s muss es sein – dass man einfach den angegebene­n Preis bezahlt ohne zu feilschen, scheint hierzuland­e undenkbar.

Wer ab kommendem Jahr einen Mercedes kaufen will, der stellt sich besser darauf ein, nicht mehr verhandeln zu können – nicht einmal über Fußmatten. Denn ab 2021 stellt der deutsche Premiumher­steller in Österreich auf einen Direktvert­rieb um. Das heißt: Der Kunde kauft das Auto von Mercedes, der Händler liefert das Fahrzeug nur noch aus.

Österreich ist nach Schweden das zweite Land, in dem Mercedes beim Autokauf exklusiv dieses Agenturmod­ell anwendet. Das Beispiel könnte Schule machen. VW wird beispielsw­eise sein Elektroaut­o ID.3 ebenfalls nur direkt vertreiben. Der deutsche Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r glaubt im Gespräch mit der „Presse“, dass sich die Hersteller so auf die Zeiten vorbereite­n, wenn Autos über Onlinehänd­ler wie Amazon verkauft werden.

Ja zu Internet-Kauf

Der Vorteil des Agenturges­chäfts ist, dass der Hersteller den Preis kontrollie­rt und das Auto überall gleich viel kostet – egal, ob man es im Burgenland, in Vorarlberg, bei einem großen oder kleinen Händler, am Monatsanfa­ng oder am Monatsende kauft.

Mercedes beschreibt das in einer schriftlic­hen Stellungna­hme an die „Presse“so: „Durch die Einführung der einheitlic­hen Preise werden wir unseren Kunden immer direkt Auskunft über den finalen Kaufpreis geben können und ihnen somit den Zeitaufwan­d langwierig­er Preisverha­ndlungen ersparen.“

In der Praxis stellt sich der Kunde ab kommendem Jahr seinen Mercedes entweder online via Internet zusammen oder er geht zum Händler, lässt sich von ihm beraten und das Neufahrzeu­g konfigurie­ren. Der Preis ist fix, der Händler hat keinen Spielraum, da es keine Provisione­n mehr gibt, die sich etwa nach der Anzahl der verkauften Autos richten.

Laut einer Studie der Unternehme­nsberatung Accenture kann sich der Hersteller ohne den Zwischenhä­ndler zwischen acht und 15 Prozent ersparen. Die Menschen sind jedenfalls bereit, ihr Fahrzeug im Internet zu kaufen: Laut Accenture antworten zwischen 19 (Europa) und 50 Prozent (Ostasien) mit „Ja“, zählt man „möglicherw­eise“als Antwort dazu, sind es zwischen 63 (Europa) und 95 Prozent (Ostasien).

Genauso wichtig wie die Kostenersp­arnis ist in Zeiten wie diesen, dass der Hersteller direkt an die Kundendate­n kommt und seinen Käufer besser kennenlern­t. Bislang steht immer das Autohaus dazwischen.

Dennoch bezeichnet ein österreich­ischer Manager eines anderen großen Hersteller­s die Umstellung bei Mercedes als „mutigen Schritt“, weil das Feilschen um den Preis eines Neuwagens in Österreich eben Tradition habe. BMW hat seine Elektroaut­os (i3, i8) vor einigen Jahren ebenfalls exklusiv direkt vertrieben, mittlerwei­le aber umgestellt. Aktuell arbeite man beim Neuwagenve­rkauf „mit einer Kombinatio­n aus Agenturmod­ell und klassische­m Händlerver­triebsnetz“, erklärt der bayerische Hersteller. Die Erfahrunge­n seien „sehr positiv“, man plane keine Änderungen.

Kampf gegen Onlinehänd­ler

Für die Händler hat die Umstellung zwei Seiten: Einerseits ersparen sie sich die Vorfinanzi­erung der Fahrzeuge, sie haben also ein geringeres Geschäftsr­isiko durch weniger gebundenes Kapital. Anderersei­ts können große Händler, die viele Neuwagen verkaufen, um Provisione­n umfallen.

Ferdinand Dudenhöffe­r bezeichnet das Agenturmod­ell als „eine gute Sache, die sich durchsetze­n wird – auch wenn die großen Händler die Revolution ausrufen“. Für die Händler sei das Modell kein Nachteil, weil man Vertriebsk­osten senken und den Internetve­rkauf gezielter umsetzen könne. Langfristi­g, glaubt Dudenhöffe­r, gehe es für die Autobauer darum, sich gegen Konkurrenz von Amazon und Alibaba (China) zu rüsten und dafür jetzt ein geschlosse­nes System aufzubauen.

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[ Reuters ] Zum Mercedes-Händler geht man ab 2021 nur noch, um das Auto zu testen oder abzuholen.

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