Die Presse

Deutschlan­d: Kriminelle­n Firmen drohen bald hohe Strafen

Unternehme­n. Die Reform des Unternehme­nsstrafrec­hts sorgt für Empörung. Verantwort­liche Manager würden zu Unrecht geschützt, so die Kritiker.

- VON JUDITH HECHT

Wien. Die Diesel-Affäre und der Cum-Ex-Skandal haben auch die letzten Kritiker in Deutschlan­d davon überzeugt, dass eine Reform des Wirtschaft­sstrafrech­ts längst notwendig ist. Darum haben sich die Koalitions­partner auch darauf geeinigt, sie in dieser Legislatur­periode umzusetzen.

Kürzlich hat nun die deutsche Justizmini­sterin, Christine Lambrecht (SPD), nach langwierig­en Verhandlun­gen mit der CDU einen Gesetzesen­twurf präsentier­t. Für ihn ist das österreich­ische Unternehme­nsstrafrec­ht Pate gestanden. Österreich hat bereits im Jahr 2006 das sogenannte Verbandsve­rantwortli­chkeitsges­etz erlassen. Bei unseren Nachbarn soll das neue Regelwerk den klingenden Namen „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“tragen.

Viel höhere Strafen

Ob das hehre Ziel damit erreicht wird, daran haben allerdings Kritiker von allen Seiten starke Zweifel.

Doch dazu später. Im Unterschie­d zu der derzeit geltenden Rechtslage haben deutsche Staatsanwa­ltschaften künftig jedenfalls zwingend zu ermitteln, wenn ein Anfangsver­dacht für eine Straftat eines Unternehme­ns vorliegt. Bisher lag das allein im Ermessen der Behörde.

Das neue Sanktionsr­echt sieht auch vor, dass Unternehme­n, „aus denen heraus Straftaten begangenen werden“, mit drastische­n Strafen rechnen müssen. Bei Delikten wie Betrug, Korruption oder Umweltdeli­kten drohen Sanktionen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsa­tzes. Konzerne können im Ernstfall also durchaus zweistelli­ge Milliarden­beträge ausfassen.

Doch was empört viele Anwälte, Rechtsgele­hrte und Wirtschaft­svertreter an dem aktuellen Entwurf eigentlich so sehr? Der Hauptvorwu­rf ist, dass Behörden lieber die individuel­l Verantwort­lichen – also die mächtigen Manager – zur Verantwort­ung ziehen sollten, als gegen das Unternehme­n vorzugehen.

Wenn die Gesellscha­ft und nicht die Firmenboss­e die hohen Strafen zu berappen hat, würden damit schlussend­lich die Falschen bestraft werden: Nämlich die Stakeholde­r, also die Aktionäre, aber auch die Mitarbeite­r, die unter den hohen Strafen genauso zu leiden haben, sagt der deutsche Wirtschaft­swissensch­aftler Christian Strenger. „Es braucht kein Sanktionsr­echt gegenüber Unternehme­n“, kritisiert auch der Vorstand der deutschen Stiftung für Familienun­ternehmen. „Die individuel­len Verursache­r gehörten verfolgt, aber nicht die Geldbußen gegen Unternehme­n erhöht.“

Auch in Österreich ist das so

Interessan­t ist, dass es in Österreich, als das Verbandsve­rantwortli­chkeitsges­etz vor 14 Jahren beschlosse­n wurde, eine Diskussion wie in Deutschlan­d über diesen Punkt überhaupt nicht gab. Dabei sieht § 11 des Gesetzes ausdrückli­ch vor, dass sich Unternehme­n, wenn sie wegen eines Delikts bestraft werden, nicht an den Entscheidu­ngsträgern oder Mitarbeite­rn schadlos halten dürfen.

Strafrecht­sexperte Gerald Ruhri hält diese Regelung auch für ausgesproc­hen sinnvoll und kann die ganze Aufregung in Deutschlan­d zum Thema „Managerreg­ress“nicht verstehen. „Nehmen wir das Beispiel VW: Wenn der Vorstand eine Straftat zum (vermeintli­chen) Vorteil des Unternehme­ns begeht, dann hat selbstvers­tändlich die Gesellscha­ft die Strafe zu zahlen. Denn ihren Organen ist der Vorwurf zu machen, dass sie eine Führungskr­aft ausgewählt haben, die bereit ist, strafbare Handlungen zu begehen. Zum anderen waren die internen Kontrollme­chanismen offenbar so schlecht, dass niemand bemerkt hat, was der Vorstand tut.“

Das alles heißt freilich nicht, dass Winterkorn und Co. ohne Strafe davonkomme­n. Jeder Manager, der die Bilanz fälscht oder einen Betrug begeht, wird ohnehin persönlich strafrecht­lich verfolgt.

 ?? [ Imago ] ?? Der Volkswagen­Abgasskand­al war einer der Anlassfäll­e für die Reform des deutschen Unternehme­nsstrafrec­hts.
[ Imago ] Der Volkswagen­Abgasskand­al war einer der Anlassfäll­e für die Reform des deutschen Unternehme­nsstrafrec­hts.

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