Lunacek droht die Kulturpolitik zu entgleiten
Scharfe Kritik. Die Vorwürfe gegen Kulturstaatssekretärin Lunacek reißen nicht ab. Sie verteidigt sich wacker und will „weiter kämpfen“. Doch allmählich scheint ihr die Autorität für Kulturfragen in der Coronakrise abgesprochen zu werden, und manche frage
Seit Wochen ist Ulrike Lunacek im Verteidigungsmodus. Aus allen Bereichen der Kulturbranche hagelt es Kritik an ihrem kulturpolitischen Vorgehen in der Krise – beziehungsweise am empfundenen Nicht-Vorgehen: Kulturschaffende von Filmproduzenten bis zu Orchestern fühlen sich im Stich gelassen. Sie fordern u. a. Kompensation für entgangene Einnahmen und praktikable Regeln, um für den Sommer planen und proben zu können. Seit einer misslungenen Pressekonferenz Mitte April beteuert die Staatssekretärin ihre Absichten: Sie höre die Kritik, sie bemühe sich. Gespräche laufen, Details würden geklärt.
Der Tenor der Kritiker: Lunacek agiere „unprofessionell“und kenne die spezifischen Bedürfnisse der Kulturbranche nicht. Lunaceks kulturelle Unerfahrenheit, die schon bei ihrer Bestellung die Szene skeptisch stimmte, scheint der einstigen Europapolitikerin in der Coronakrise zum Verhängnis zu werden. Dass Lunacek zuletzt ihren Rücktritt in den Raum gestellt haben soll, wie der „Standard“berichtete, dementierte sie. Das sei „definitiv ein Blödsinn“, erfuhr die „Presse“aus grünen Regierungskreisen, wo man nicht ausschließt, dass das Gerücht bewusst von jemandem gestreut worden sein könnte, der Lunacek schaden wollte.
Grüne: Lunacek ist nicht amtsmüde
Bei den Grünen glauben nicht wenige, dass ein Staatssekretär nicht auf dieselbe Art und Weise angegriffen worden wäre. Man leugnet allerdings nicht, dass Lunacek am Beginn ihrer Amtszeit mit der einen oder anderen Aussage für Irritationen in der Kulturszene sorgte, etwa mit ihrer Kritik am Literaturnobelpreis für Peter Handke. Das war in einem Antrittsinterview. Lunacek rechtfertigte sich damals – und rechtfertigt sich seither immer wieder, während die Kritik schärfer wird. Amtsmüde sei sie aber nicht, heißt es aus der Partei: „Lunacek muss jetzt schauen, dass sie aus der Defensive kommt.“
Dabei sieht es im Moment eher so aus, als müsste sie schauen, dass sie die Autorität über ihre Agenden behält: Denn einige Kritiker scheinen dazu übergegangen zu sein, Lunacek nicht mehr als oberste Kulturpolitikerin ernst zu nehmen. So kritisierte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, dass sich der Lunacek übergeordnete Vizekanzler Werner Kogler seiner Verantwortung entziehe: „Ich habe den zuständigen Kulturminister in den fünf Monaten seit der Angelobung noch nie getroffen.“Den „Vorwurf der kulturellen Inkompetenz und der politischen Schwäche“, der Lunacek gemacht wird, findet Schröder „ungerecht angesichts der Verantwortlichkeit des Ministers“.
Auch der Kabarettist Lukas Resetarits, der am Montag in einem „ZiB 2“-Interview seine Wut gegenüber der Kulturpolitik ausdrückte, antwortete auf die Frage, ob er Lunaceks Rücktritt fordert: „Es ist schon wurscht“– man könne auch ohne Staatssekretärin auskommen. Da wirkt es bezeichnend, dass es nun nicht Lunacek war, die Informationen zu den Theateröffnungen ankündigte, sondern Gesundheitsminister Anschober: In „oe24.tv“stellte er bis zum 29. Mai einen „größeren Schritt“in Aussicht; es gehe um „kleine und mittlere Theateraufführungen und etliches mehr“. Er hoffe, dass die Kulturschaffenden dann „so halbwegs zufrieden sein können mit uns“. Lunacek selbst hatte zuvor angekündigt, noch diese Woche einen „Stufenplan“zu präsentieren.
Kritik an Lunaceks Kompetenz kommt indessen auch von der grünen Kulturexpertin Eva Blimlinger: „Ich sehe das auch ein bisschen so“, wird sie in einem „Woman“Interview zitiert, das nächste Woche erscheinen soll. Offen gibt sie zu, dass sie gern Lunaceks Job gemacht hätte, aber: „Jetzt ist Ulrike dran. Und die bemüht sich sehr.“Und: „Wenn wir den Vizekanzler noch mehr in die Pflicht nehmen, dann wird das schon.“