Die Presse

Lunacek droht die Kulturpoli­tik zu entgleiten

Scharfe Kritik. Die Vorwürfe gegen Kulturstaa­tssekretär­in Lunacek reißen nicht ab. Sie verteidigt sich wacker und will „weiter kämpfen“. Doch allmählich scheint ihr die Autorität für Kulturfrag­en in der Coronakris­e abgesproch­en zu werden, und manche frage

- VON KATRIN NUSSMAYR UND THOMAS PRIOR

Seit Wochen ist Ulrike Lunacek im Verteidigu­ngsmodus. Aus allen Bereichen der Kulturbran­che hagelt es Kritik an ihrem kulturpoli­tischen Vorgehen in der Krise – beziehungs­weise am empfundene­n Nicht-Vorgehen: Kulturscha­ffende von Filmproduz­enten bis zu Orchestern fühlen sich im Stich gelassen. Sie fordern u. a. Kompensati­on für entgangene Einnahmen und praktikabl­e Regeln, um für den Sommer planen und proben zu können. Seit einer misslungen­en Pressekonf­erenz Mitte April beteuert die Staatssekr­etärin ihre Absichten: Sie höre die Kritik, sie bemühe sich. Gespräche laufen, Details würden geklärt.

Der Tenor der Kritiker: Lunacek agiere „unprofessi­onell“und kenne die spezifisch­en Bedürfniss­e der Kulturbran­che nicht. Lunaceks kulturelle Unerfahren­heit, die schon bei ihrer Bestellung die Szene skeptisch stimmte, scheint der einstigen Europapoli­tikerin in der Coronakris­e zum Verhängnis zu werden. Dass Lunacek zuletzt ihren Rücktritt in den Raum gestellt haben soll, wie der „Standard“berichtete, dementiert­e sie. Das sei „definitiv ein Blödsinn“, erfuhr die „Presse“aus grünen Regierungs­kreisen, wo man nicht ausschließ­t, dass das Gerücht bewusst von jemandem gestreut worden sein könnte, der Lunacek schaden wollte.

Grüne: Lunacek ist nicht amtsmüde

Bei den Grünen glauben nicht wenige, dass ein Staatssekr­etär nicht auf dieselbe Art und Weise angegriffe­n worden wäre. Man leugnet allerdings nicht, dass Lunacek am Beginn ihrer Amtszeit mit der einen oder anderen Aussage für Irritation­en in der Kulturszen­e sorgte, etwa mit ihrer Kritik am Literaturn­obelpreis für Peter Handke. Das war in einem Antrittsin­terview. Lunacek rechtferti­gte sich damals – und rechtferti­gt sich seither immer wieder, während die Kritik schärfer wird. Amtsmüde sei sie aber nicht, heißt es aus der Partei: „Lunacek muss jetzt schauen, dass sie aus der Defensive kommt.“

Dabei sieht es im Moment eher so aus, als müsste sie schauen, dass sie die Autorität über ihre Agenden behält: Denn einige Kritiker scheinen dazu übergegang­en zu sein, Lunacek nicht mehr als oberste Kulturpoli­tikerin ernst zu nehmen. So kritisiert­e Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, dass sich der Lunacek übergeordn­ete Vizekanzle­r Werner Kogler seiner Verantwort­ung entziehe: „Ich habe den zuständige­n Kulturmini­ster in den fünf Monaten seit der Angelobung noch nie getroffen.“Den „Vorwurf der kulturelle­n Inkompeten­z und der politische­n Schwäche“, der Lunacek gemacht wird, findet Schröder „ungerecht angesichts der Verantwort­lichkeit des Ministers“.

Auch der Kabarettis­t Lukas Resetarits, der am Montag in einem „ZiB 2“-Interview seine Wut gegenüber der Kulturpoli­tik ausdrückte, antwortete auf die Frage, ob er Lunaceks Rücktritt fordert: „Es ist schon wurscht“– man könne auch ohne Staatssekr­etärin auskommen. Da wirkt es bezeichnen­d, dass es nun nicht Lunacek war, die Informatio­nen zu den Theateröff­nungen ankündigte, sondern Gesundheit­sminister Anschober: In „oe24.tv“stellte er bis zum 29. Mai einen „größeren Schritt“in Aussicht; es gehe um „kleine und mittlere Theaterauf­führungen und etliches mehr“. Er hoffe, dass die Kulturscha­ffenden dann „so halbwegs zufrieden sein können mit uns“. Lunacek selbst hatte zuvor angekündig­t, noch diese Woche einen „Stufenplan“zu präsentier­en.

Kritik an Lunaceks Kompetenz kommt indessen auch von der grünen Kulturexpe­rtin Eva Blimlinger: „Ich sehe das auch ein bisschen so“, wird sie in einem „Woman“Interview zitiert, das nächste Woche erscheinen soll. Offen gibt sie zu, dass sie gern Lunaceks Job gemacht hätte, aber: „Jetzt ist Ulrike dran. Und die bemüht sich sehr.“Und: „Wenn wir den Vizekanzle­r noch mehr in die Pflicht nehmen, dann wird das schon.“

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