Michael Moore will uns loswerden
Dokumentarfilm. Grüne Energie ist ein Betrug, die Ökos sind korrupt: Mit „Planet of the Humans“verstört Polit-Aktivist Moore sein eigenes Lager. Da hilft nur noch das Aussterben.
Das sieht ja übel aus: Kahle Bäume säumen eine abgeholzte Bergkuppe, Nebelschwaden ziehen vorbei, die Szenerie wirkt so trostlos wie bedrohlich. Der geübte Betrachter von Öko-Dokus glaubt zu wissen, was jetzt kommt: Hier wollen böse Konzerne eine Kohlenmine graben oder Kinder in Afrika zwingen, nach giftigen Elementen zu schürfen. Aber weit gefehlt: Es geht um einen Windpark in Vermont. Denn, so die Botschaft von „Planet of the Humans“: Erneuerbare Energie ist so zerstörerisch wie fossile, Umweltaktivisten sind korrupt, und die „grüne Revolution“dient nur dazu, die Reichen noch reicher zu machen.
Eines muss man Michael Moore lassen: Er versteht es immer noch, zu provozieren. Dem gefeierten Dokumentarfilmer und Politaktivisten wäre der Applaus seines treuen
Publikums sicher gewesen, hätte er für sein Debüt im Klima-Genre der kleinen Greta zugejubelt und auf Trump eingedroschen. Aber nein, er macht sich neue Feinde im eigenen, „progressiven“Lager. Es hagelt Kritik von entsetzten Experten und Umweltschutzorganisationen. Leise kichern Moores neue Sympathisanten: Klimawandel-Leugner, ÖlLobbyisten, Rechtsextreme. So gegen den Strich zu bürsten, zeugt immerhin von Mut.
Schulfernsehen mit falschen Zahlen
Wenn nur sein Film besser wäre. Aber genau genommen ist das Machwerk, das er noch bis 20. Mai gratis auf Youtube der Weltöffentlichkeit präsentiert, gar nicht von Moore: Er tauschte mit seinem langjährigen Mitstreiter Jeff Gibbs die Rollen von Regisseur und Produzent. Gibbs war von seiner Jugend an Umweltaktivist, er klagt über geplatzte Illusionen und liefert ein paar charmante Szenen – wie jene auf einem Öko-Festival, das wegen aufziehender Wolken von Solarstrom auf Dieselgenerator umstellen muss, damit die Band weiter von der Rettung der Welt singen kann. Aber bald verflacht sich der Wille zur Gestaltung aufs Niveau von Schulfernsehen – das noch dazu gespickt ist mit Fehlern. Dass Strom aus Solarpaneelen oder Windturbinen über den Lebenszyklus der Anlagen keine bessere CO2-Bilanz hat als Strom aus fossilen Quellen, ist hundertfach widerlegt. Die Zahlen zu Effizienz und Lebensdauer sind auf dem Stand von 2009, also völlig veraltet, was Kritiker als böse Absicht deuten. Die umstrittene Verbrennung von Biomasse nimmt im Film, gemessen an ihrer Bedeutung, viel zu großen Raum ein.
Aber niemand sollte sich wundern. In Moores politischer Logik kann eine Energiewende, aus der freie Wirtschaftstreibende „Profit“ziehen, nur des Teufels sein. Der „krebsartige Kapitalismus“hat sich ein grünes Mäntelchen umgehängt, damit „Milliardäre ihren Krieg gegen den Planeten“weiter führen können. Gut: Die Behauptung, dass Wirtschaftswachstum kollektiven „Selbstmord“bedeute und technischer Fortschritt keine Umweltprobleme lösen könne, widerspricht zwar jeder Erfahrung, würde aber unter hart gesottenen Systemgegnern dennoch andächtiges Nicken auslösen.
Nur verscherzen es sich Moore und Gibbs auch mit ihnen, weil sie den Menschen das Fortpflanzen verbieten wollen. Genauer genommen schwarzen Menschen, denn nur in Afrika „explodiert“die Bevölkerung weiter. Aber was soll man machen: Die „Apokalypse“ist nah, die „menschliche Präsenz“nicht verträglich, und so heißt es für unsere Spezies: „It’s time to go“. Eine Alternative wäre, das Drehmaterial dieses Films zu vergraben. Und für immer unter der Erde zu lassen – so wie Kohle, Öl und Gas.