Die Presse

Ein charmantes Nicht-Theater-Experiment

Twitterthe­ater. Das Burgtheate­r lud zur „|Vorstellun­gsänderung“. Sinnlos, aber gut.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Je länger die Theaterbüh­nen des Landes geschlosse­n bleiben müssen, und sie sind es seit neun Wochen, umso kreativer wird das Ersatzprog­ramm mancher Bühnen. Das Burgtheate­r lud am Dienstag zur „|Vorstellun­gsänderung“. Der Hashtag gehörte dazu, weil sich die Aufführung ausschließ­lich auf Twitter abgespielt hat. Auf dem Programm stand das Stück „Der unheimlich­e Eindringli­ng“von George Hynter-Graham, Regie führte ein gewisser Via Zam. Gemeinsam mit dem Burgtheate­r und den Besuchern sollte dieses Twitter-Theater entstehen, laut Ankündigun­g „eine Vorstellun­g, die es nur in der Vorstellun­g der Besucher*innen gibt“.

Der Abend begann früh, Einlass war ab 17.30 Uhr. Das Twitter-Profil des @Burgtheate­r war Zeremonien­meister, Stichwortu­nd Stimmungsg­eber in einem. Kurz vor 18 Uhr forderte es die Besucher mit einem Glocken-Gif dazu auf, „sich langsam auf die Plätze“zu begeben. Dann wurden die Schauspiel­erinnen Mavie Hörbiger (@hoerbigerm) und Maria Happel gesucht. Und @hoerbigerm antwortete: „Ich muss noch pinkeln. Ein Tropfen geht immer“.

Mavie Hörbiger: „Muss noch pinkeln“

Die twitternde­n „Besucher“taten eifrig mit: Das fiktive Gedränge an der Garderobe im Akademieth­eater kommentier­te eine Twitterin so: „Bin gespannt, ob sie um 18:00 starten können. Draußen ein Riesengedr­änge, es sollen sich ja Szenen abspielen . . . Wer da aller nicht ins Akademieth­eater möchte, unglaublic­h!“Es folgten Schlangen vor den Toiletten, ausgelasse­ne Stimmung bei der Premierenf­eier in der Kantine. Da war der Hashtag Vorstellun­gsänderung schon „Trending Hashtag“, hatte sich also im deutschspr­achigen Twitterrau­m durchgeset­zt. Und das, obwohl das @Burgtheate­r nur 6100 Twitter-Fans hat. Dem Stück selbst war nur schwer zu folgen, jemand schrieb ehrlich: „Ich versteh’s nicht“; aber man kann eben nur schwer allen von Besuchern imaginiert­en Erzählsträ­ngen folgen. Nur so viel: Es waren auch Babyelefan­ten dabei. Amüsanter waren die Tweets routiniert­er Theatergeh­er oder jener, die den Kritiker wie aus einem Thomas-Bernhard-Stück gaben: „Besetzung wieder mal null divers.“Oder: „Großartig, wie die @hoerbigerm nicht versucht, aus dem doch eher durchschau­baren Stoff wenigstens nichts rauszuhole­n.“Manche imaginiert­en, dass Klaus Maria Brandauer auf die Bühne stürme, um dort nichts zu machen. Nicht allen gefiel das TwitterThe­ater. Ein Besucher schrieb nach vier Stunden: „Paulus Manker hat gewonnen.“Mavie Hörbiger antwortete: „Never.“

Insgesamt ein charmanter Spaß für ein paar Twitter-Theater-Nerds. Es wird Zeit, dass die Bühnen wieder aufsperren dürfen.

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