Zurück ins Büro, ist jetzt wieder alles beim Alten? Natürlich nicht!
Schöne neue Arbeitswelt. Wie wir in Zukunft, nach den Home-Office- und Kurzarbeitswochen arbeiten wollen, können wir nun bestimmen.
Noch sind in Österreich über eine halbe Million Menschen arbeitslos. Bleibt die Zahl der Covid-19Neuansteckungen niedrig, wird die Wirtschaft wohl bald wieder hochgefahren. Restaurants und Cafe´ sperren auf, Dienstleister bieten ihre Angebote an; bald kehren wahrscheinlich auch mehr und mehr Arbeitnehmer aus dem Home-Office in ihre Büros zurück. Ist dann wieder alles beim Alten? Natürlich nicht; an den Folgen des wirtschaftlichen Einbruchs werden wir alle lang zu kiefeln haben. Abgesehen davon: Wollen wir die alte Normalität überhaupt zurück? Ein paar Vorschläge, was wir in der Arbeitswelt künftig besser machen könnten.
Ein Viertel der arbeitenden Österreicher wurde im März ins Home-Office geschickt. Eine enorme Doppelbelastung für viele, vor allem Frauen, nicht zuletzt weil aufgrund der geschlossenen Kindergärten und Schulen auch die Kinderbetreuung zu Hause erledigt wurde. Laut einer Umfrage von TQS Research & Consulting würden fast zwei Drittel der Befragten, die Home-Office machten, dennoch künftig gern öfter von zu Hause aus arbeiten, wenn sie dürften. Etwa, weil die zeitraubende Anreise zum Arbeitsplatz wegfällt. Das erlaubt der überwiegende Teil der österreichischen Betriebe – zumindest theoretisch. Laut der „Flexible Working“-Studie von Deloitte Österreich, die im Vorjahr publiziert wurde, finden aber 85 Prozent der befragten Unternehmen, dass physische Präsenz wichtig ist – was wohl erklärt, warum vor der Krise nur 3,8 Prozent der Österreicher „zu Hause“als ihren Hauptarbeitsplatz angaben. Nun, da sich zeigt, wie viele dieser Sitzungen eigentlich auch E-Mails sein könnten, scheint ein Umdenken möglich.
Doch werden Arbeitszeit und -pensum nicht geändert, führt Home-Office allein nicht zu einem gesünderen Leben. Psychische Erkrankungen nehmen zu, verursachen mittlerweile fast 40 Prozent der Frühpensionierungen. Warum die Normalarbeitszeit also nicht auf 30 Stunden pro Woche reduzieren? Das oberösterreichische Unternehmen eMagnetix hat das beispielsweise 2018 getan – und freut sich über produktivere Mitarbeiter. Auch das Frauenvolksbegehren äußerte diese Forderung; die Arbeitszeitreduktion kann helfen, die unbezahlte Arbeit zu Hause gerechter zwischen Männern und Frauen aufzuteilen und Frauen aus der „Teilzeitfalle“zu retten. Es bleibt zudem mehr Freizeit, ein gesünderer Lebensstil ist möglich.
Vermutlich bleibt vieles davon eine Utopie. Stattdessen droht mit der Coronakrise die Gefahr, dass mehr und mehr Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse abrutschen. Schon 2016 arbeitete ein Drittel der Österreicher in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, also befristet, in Leiharbeit oder mit Freien Dienstverträgen. Die viel gepriesene Flexibilität, für unterschiedliche Auftraggeber tätig zu sein, führt oft nur in der Theorie zu mehr Einkommen und Zufriedenheit. Instabil Beschäftigte verdienen im Schnitt um ein Viertel weniger. Die Gewerkschafterin Veronika Bohrn-Mena nennt sie in ihrem gleichnamigen Buch deshalb die „neue ArbeiterInnenklasse.“In wirtschaftlich schlechten Zeiten wie diesen droht ihr Anteil zu steigen. Schon vor der Krise galten 300.000 Menschen in Österreich als „Working Poor“: Obwohl sie arbeiten, liegt ihr Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle. BohrnMena fordert deshalb Arbeitszeitverkürzung, Lohnerhöhung und soziale Absicherung.
Mehr Gehalt für weniger Arbeit, das klingt ja fein, aber wer soll das alles zahlen? Kritiker fürchten, dass die Mehrkosten für Arbeit Unternehmen animieren, ins Ausland abzuwandern – oder die Kosten beim Steuerzahler hängen bleiben. Warum das Ganze nicht mit Vermögenssteuern gegenfinanzieren? Die Coronakrise hat nicht nur gezeigt, dass Solidarität möglich ist, sondern auch, dass unserer Gesellschaft der Schutz der Bevölkerung vor einem Virus Milliarden wert ist. Gut so. Nun ist es an der Zeit, einer gesunden Arbeitswelt auch so viel Wert beizumessen.
E-Mails an: debatte@diepresse.com
Zur Autorin:
Anna Goldenberg ist Journalistin und Autorin („Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete“, 2018, Paul Zsolnay) und lebt in Wien. Sie schreibt über Medien und Politik für den „Falter“und die „Taz“.
Morgen in „Quergeschrieben“: Christian Ortner