Die Wirte öffnen wieder
Gastronomie. Mit ungewöhnlichen Lösungen wie Schaufensterpuppen als Abstandhalter, digitalen Speisekarten und Ampeln soll der Betrieb in Lokalen vorschriftsmäßig funktionieren.
Wie der Betrieb in der Gastronomie nach der Öffnung mit neuen Regeln funktionieren soll. Und eine Geschichte des Wirtsbzw. Gasthauses.
Wien. Not macht erfinderisch. Das wird ab Freitag in der heimischen Gastronomie gut zu beobachten sein. Denn endlich dürfen Restaurants, Kaffeehäuser, Beisl, Bars und andere Lokale (zwischen 6 und 23 Uhr) wieder aufsperren, allerdings nicht wie gewohnt. Es gilt bekanntlich auch hier, die Sicherheitsvorschriften einzuhalten.
Das bedeutet in erster Linie Abstand halten und auf die Hygiene achten. Und dabei zeigt sich die Gastronomie durchaus kreativ. Die einen setzen auf Schaufensterpuppen als Abstandhalter oder auf rosa Glaswände. Andere wiederum versuchen ihre Gästen auf die Verwendung von digitalen Speisekarten, die mit dem Mobiltelefon gelesen werden und teils einen Bestell- und Bezahlfunktion haben, zu überzeugen. Immerhin erspart das die Desinfektion der in Plastik folierten Speisekarten oder den Einsatz von Einwegspeisekarten.
Und vielleicht ist so mancher Koch gar nicht so traurig darüber, dass jetzt nicht mehr auf jedem Tisch unbedacht zu Salz und Pfeffer gegriffen werden kann. Immerhin hat er sich beim Abschmecken der Speisen ja wohl etwas gedacht. Wer nachwürzen will, muss die Menage schon ordern. Und auch sie muss nach jedem Gebrauch vorschriftsmäßig gereinigt werden.
Modeschau in der Bar
Etwas gewöhnungsbedürftig dürfte die Aktion in der Bar Kleinod Prunkstücke sein, die bereits 30 Schaufensterpuppen platziert hat. Damit soll nicht nur das Abstandhalten einfacher sein. Die Puppen wurden von Designer Philipp Maly eingekleidet, der so auch gleich seine Mode präsentieren kann. In der kleinen Bar werden Tische nur gegen Reservierung vergeben. An der Bar selbst darf man, wie überall, nicht sitzen, nur an Tischen.
Andere Abstandhalter kommen hingegen im Heuer im Karlsplatz zum Einsatz, wobei diese nur als zusätzlicher Schutz zur Verfügung stehen. Die Tische wurden nämlich so platziert, dass 1,5 bis zwei Meter Abstand eingehalten werden. „Ich wollte aber noch mobile Trennwände, die man auf
Wunsch vom Gast aufstellen kann. So sind besonders sichere Zonen möglich“, sagt Betreiber Andreas Wiesmüller. Die Wände hat er aus Glas anfertigen lassen, zwei Prototypen sind schon da, der Rest wird kommende Woche geliefert. „Eine Acryl-Schutzwand, also Plexiglas, lässt sich nicht mit Desinfektionsmittel, die für Covid-19–Desinfektion empfohlen werden, reinigen, da sie das Material beschädigen und sich die Wand irgendwann auflöst“, sagt Wiesmüller. Außerdem sind Kunststoffwände viel zu leicht, nicht windfest und somit nicht für den Gastgarten geeignet.
Kontaktlos bestellen
Und auch auf digitale Speisekarten setzt das Heuer, wobei eine klassische Karte auf Wunsch auch ausgegeben wird. Auf dem Tisch stehen zwei Barcodes (für Speisen und Getränke), die der Gast mit seinem Smartphone fotografiert und so auf die Speisekarte des Lokals kommt. Digitale Bestellung und Bezahlung gibt es im Heuer nicht. „Das finde ich nicht gut, wird sind keine Systemgastronomie und wollen den Gast beraten.“
Andere Lokale wiederum setzen sehr wohl auf digitale Speisekarten, mit denen auch bestellt und bezahlt werden kann. Der österreichische Anbieter Getsby hat schon vor der Krise rund 70 Lokale, vorwiegend in Wien, als Kunden für die App. „Mit Corona werden es täglich mehr“, sagt Mathias Müller, Co-Gründer der App. Wobei bei Getsby die kontaktlose Bestellung und Bezahlung im Vordergrund steht, was aber eine Beratung nicht ausschließt.
Auch deutsche Anbieter wie Menuvice oder Resmio und Schweizer Firmen wie Pogastro bieten digitale Systeme an. „Wir haben schon vor Corona oft gehört, dass Gäste die Speisekarte nicht so gerne in die Hand nehmen“, sagt Thomas Holenstein von Pogastro. Jetzt sei aber die Nachfrage nach digitalen Lösungen enorm gestiegen.
Ein Berliner Unternehmen geht einen Schritt weiter und hat eine Ampel entwickelt, mit der die Gäste gezählt werden. Bei Grün darf man eintreten. In Österreich ist die Gastampel, wie sie sich nennt, noch nicht im Einsatz.