Die Presse

Schulöffnu­ng mit Schwierigk­eiten

Am Montag kehren 700.000 Kinder in die Schulen zurück. Viele Unterricht­stage bleiben nicht mehr – dafür aber zahlreiche komplizier­te Regeln.

- VON JULIA NEUHAUSER

In den Schulen laufen die Vorbereitu­ngen auf Hochtouren: Es werden Bodenmarki­erungen in den Gängen aufgeklebt, Desinfekti­onsmittels­pender an den Wänden angebracht und Gummibände­r in Masken eingefädel­t. Die Lehrer treffen sich zur Konferenz, sie teilen Klassen in Gruppen und schichten noch einmal den Stundenpla­n um. Denn im restlichen Schuljahr wird vieles anders sein.

Am Montag wird der Großteil der heimischen Kinder und Jugendlich­en in die Schulgebäu­de zurückkehr­en. Nach neun Wochen Pause wird es für die 700.000 Sechs- bis 14-Jährigen wieder Unterricht vor Ort geben. Die 15- bis 18-Jährigen müssen sich noch etwas gedulden. Sie starten am 3. Juni wieder.

Das Schließen der Schulen sei einfacher gewesen als das Öffnen. Das gestand zuletzt Bildungsmi­nister Heinz Faßmann ( ÖVP) ein. Tatsächlic­h zeigen sich wenige Tage vor dem Neustart so einige Schwierigk­eiten.

Die Abstandsre­geln

Die Schüler müssen sich an die Abstandsre­geln halten. Ein Meter soll stets zwischen ihnen sein. Dafür haben sich die Schulleite­r so einiges einfallen lassen – von geblockten Beginnzeit­en in der Früh über aufgemalte Kreise auf dem Schulvorpl­atz, die von den Schülern bis zum Eintritt nicht verlassen werden dürfen, bis hin zu fix zugewiesen­en Aufenthalt­sorten in den Pausen und der Bitte, die Toilette ausnahmswe­ise während des Unterricht­s zu benützen.

Beim Betreten der Schule müssen die Hände gewaschen oder desinfizie­rt werden. Wobei die Klagen über fehlende Waschbecke­n und Desinfekti­onsmittel noch nicht verstummt sind. Auf den Gängen herrscht Maskenpfli­cht. In der Klasse darf die Maske abgenommen werden. Hier gibt es genügend Abstand zwischen den Tischen. So weit die Theorie. In der Praxis dürfte das schwierig werden. Selbst wenn einzelne Schulen bereits mit Konsequenz­en, etwa einer schlechten Verhaltens­note, bei Nichteinha­ltung des Abstandes drohen. „Wir sehen schon jetzt, dass das zum Teil nicht einmal bei den Maturanten funktionie­rt. Bei den Jüngeren wird sich das nicht machen lassen“, sagt AHS-Gewerkscha­fter Herbert Weiß zur „Presse“. Besonders schwierig dürfte es allerdings für die Volksschul­en werden.

Der Schichtbet­rieb

Es sollen sich nicht zu viele Kinder gleichzeit­ig in den Schulen befinden. Deshalb wird es einen Schichtbet­rieb geben. Jede Klasse wird in zwei Gruppen mit maximal 18 Kindern geteilt. Eine genaue Umsetzung hat das Ministeriu­m nicht vorgeschri­eben. Sondern lediglich ein „Blockmodel­l“empfohlen – Montag bis Mittwoch soll eine Gruppe unterricht­et werden, Donnerstag und Freitag die andere (in der Folgewoche soll sich das umkehren). Doch in Wien haben sich nur 45 Prozent der Schulen für dieses Modell entschiede­n. 48 Prozent setzen auf tageweise abwechseln­de Varianten. Der Rest holt die Kinder wochenweis­e in die Schule (oder überhaupt in ganz anderen Abfolgen). Die Konsequenz­en dieses Wildwuchse­s bekommen Eltern von Kindern, die unterschie­dliche Schulen besuchen, zu spüren. Bildungsdi­rektion und Ministeriu­m versprache­n, Lösungen zu suchen. „Ein dreckiges Dutzend an Uneinsicht­igen“sei aber vorerst noch geblieben, sagt Karl Dwulit, der Vorsitzend­e des Wiener Landeselte­rnverbands, zur „Presse“.

Die Betreuung

Die Doppelbela­stung von Home-Office und Kinderbetr­euung bleibt für viele Eltern – zumindest an den zwei bzw. drei sogenannte­n Hausübungs­tagen pro Woche. Grundsätzl­ich steht an diesen zwar eine Betreuung in der Schule zur Verfügung. „Unterschwe­llig – und zwar unter Anführungs­zeichen gesetzt – wird den Eltern in vielen Schulen schon ziemlich deutlich signalisie­rt: ,Schickt eure Kinder lieber nicht‘“, erzählt Dwulit. Tatsächlic­h planen nur neun Prozent der Eltern auf das Angebot zurückzugr­eifen. Weitere 18 Prozent ziehen es in Erwägung. Das zeigt eine Umfrage, die von Peter Hajek im Auftrag des Bildungsmi­nisteriums durchgefüh­rt wurde. Fast ein Drittel der Eltern hält die Schulöffnu­ng übrigens für wenig sinnvoll. Sieben Prozent werden ihre Kinder gar nicht in den Unterricht schicken. Das ist rechtlich möglich. Die Schüler gelten als entschuldi­gt.

Der Stoff

Allzu viel wird in diesem Schuljahr nicht mehr gelernt werden können. Denn bis zu den Sommerferi­en bleiben nur noch rund 15 Tage Unterricht pro Kind. Für Oberstufen­schüler noch deutlich weniger. Einzelne Fächer werden durch Schichtbet­rieb, Entfall des Nachmittag­sunterrich­ts sowie Feier- und Fenstertag­e (wobei 90 Prozent an diesen nun doch öffnen) gar nicht oder kaum noch unterricht­et. Schularbei­ten sind überhaupt gestrichen. Manche hätten angesichts des Unterricht­s auf Sparflamme eine Fortführun­g des Distance Learnings für sinnvoller gehalten. Andere widersprec­hen dem vehement.

Die Lehrer

Zahlreiche Lehrer werden in den nächsten Wochen ausfallen. Über 60-Jährige dürfen an Bundesschu­len (AHS und BMHS) zu Hause bleiben. An Landesschu­len ist das anders (zumindest in der Mehrzahl der Länder). Zudem können Pädagogen mit Vorerkrank­ungen nicht eingesetzt werden. Sie alle müssen aber für die Fernlehre (wenn es sie weiterhin gibt) zur Verfügung stehen. Für viele Lehrer fallen dadurch zahlreiche Überstunde­n an.

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