Die Presse

Wer wusste vom Ibiza-Video?

Ibiza. Das Protokoll eines Polizisten zeichnet das dichte Netzwerk rund um das Ibiza-Video nach: Beamte sollen ein Treffen zwischen Strache und einem Mittelsman­n eingeleite­t haben.

- VON IRIS BONAVIDA

Vor genau einem Jahr arbeiteten die Journalist­en der „Süddeutsch­en Zeitung“und des „Spiegel“an den letzten Details ihrer Berichte: Am 17. Mai 2019 um 18 Uhr sollten die Artikel über das IbizaVideo veröffentl­icht werden – inklusive Filmsequen­zen. Die Hauptdarst­eller, HeinzChris­tian Strache (damals FPÖ-Chef und Vizekanzle­r) sowie Johann Gudenus (damals Klubchef ), waren mit den Inhalten des Videos schon konfrontie­rt. Die Aufzeichnu­ngen selbst kannten sie allerdings auch nicht.

Heute, ein Jahr später, sind noch viele Fragen ungeklärt. Zum Beispiel diese: Wer wusste schon lang vor der Veröffentl­ichung des Videos von seiner Existenz? Und wie weit reichten die Netzwerke der (mutmaßlich­en) Ibiza-Männer? Die Stellungna­hme eines Salzburger Polizisten zeigt: Die Kontakte reichten in die Polizei hinein. Ein Beamter soll sogar ein Verkaufsge­spräch zwischen den Hintermänn­ern und der FPÖ eingeleite­t haben. Möglich ist auch, dass das Kriminalam­t schon 2018 über das Video informiert war.

Beginnen wir diese etwas vertrackte Geschichte der Reihe nach: Am 4. März gibt der Salzburger Polizist P. eine Stellungna­hme gegenüber der Staatsanwa­ltschaft St. Pölten ab, sie liegt der „Presse“vor. Die Stellungna­hme war nötig, weil gegen P. und einen weiteren Polizisten­kollegen D. Verdachtsm­omente vorlagen. Es ging um die Ibiza-Affäre: Unter anderem wurde geprüft, „ob sie in ihrer dienstlich­en Funktion relevante Informatio­nen erhalten und es unterlasse­n hatten, die daraufhin gebotenen Veranlassu­ngen zu treffen“, heißt es aus der Staatsanwa­ltschaft St. Pölten. Die Verdachtsm­omente gegen die beiden Polizisten bestätigte­n sich nicht. Die Ermittlung­en wurden eingestell­t. Trotzdem zeichnet die Stellungna­hme das dichte Netzwerk der Ibiza-Männer nach. Es reichte bis in die Polizei.

K., der Polizeiinf­ormant

Beide Polizisten hatten mehrfach Kontakt zu einem Verdächtig­en in der Ibiza-Causa: nämlich K. Der Mann sitzt seit einer Hausdurchs­uchung in Untersuchu­ngshaft. Er soll mit dem Ibiza-Detektiv Julian H. an der Erstellung des Ibiza-Videos beteiligt gewesen sein – bestreitet die Vorwürfe allerdings vehement. Auch mit dem Verkauf habe er nichts zu tun gehabt.

K. war auch ein Informant der Polizei. Polizist P., der die Stellungna­hme abgab, lernte K. durch seinen Polizisten­kollegen D. kennen (dieser engagierte sich auch bei der FPÖ, das ist allerdings zu einem späteren Zeitpunkt relevant). K. bot P. Informatio­nen über „Salzburger Kriminelle“an. P. nahm das Angebot an: Im März 2019 organisier­te K. einen Scheindrog­endeal für die Ermittler. Die Aktion war erfolgreic­h, 19 Kilogramm Heroin wurden sichergest­ellt.

Der Kontakt zwischen dem Polizisten P. und dem Informante­n K. blieb auch weiterhin bestehen. Schon ein paar Tage vor der Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos fragt K. nach seinem anderen Bekannten, Polizisten D. Er solle sein Engagement bei der FPÖ lieber beenden. Parteichef Heinz-Christian Strache sei – Zitat – „im Arsch“.

Als das Filmmateri­al tatsächlic­h veröffentl­icht wird, erinnert sich Polizist P. an das Gespräch. Er trifft K. wieder in einem Kaffeehaus, wie er der Staatsanwa­ltschaft erzählt. K. erkundigt sich wieder nach dem Polizeifre­und D. Ob es ihm helfen würde, wenn die FPÖ das gesamte Video hätte? Er könne mit jemandem reden, der das Material besitze. Es geht um Julian H., der im Ibiza-Video neben der angebliche­n Oligarchen­nichte auftritt und als einer der Hintermänn­er gilt.

Laut Protokoll: Treffen in Dienststel­le

Ende Mai 2019 laden die beiden Polizisten K. laut Stellungna­hme zu einem Gespräch über das Video ein – in die Polizeidie­nststelle. D. sagt, es gebe in der FPÖ einen Interessen­ten. K. solle mit Julian H. sprechen, ob das Video noch zum Verkauf stehe.

Jetzt kommt ein weiterer FPÖ-Mann ins Spiel: Laut Stellungna­hme nimmt der Freiheitli­che D. Kontakt zu Strache auf, um über den Erhalt des Ibiza-Videos zu sprechen. K. erzählt dem Polizisten P., dass ein Treffen in Wien mit Strache vereinbart sei. Später wird der Freiheitli­che D. in einer Stellungna­hme berichten, Julian H. habe angeblich für fünf

Stunden Material (manche Szenen werden weggelasse­n) 200.000 in Bar und 200.000 in Gold verlangt. „Die Presse“berichtete im November darüber, dass Strache laut mehreren Quellen das Ibiza-Video kaufen wollte.

Straches Anwalt, Johann Pauer, bekräftigt­e schon damals, Strache habe „zu keinem Zeitpunkt“Geld für die Herausgabe des Videos angeboten. Grundsätzl­iches Interesse an dem Material würde aber bestehen. Auch laut Timo Gerersdorf­er, Anwalt von K., hätte es keine Verkaufsge­spräche gegeben. Treffen aber sehr wohl: „Mein Mandant war der Meinung, dass Strache das gesamte Video zur Verfügung gestellt werden sollte.“

Laut der Stellungna­hme könnte das Kriminalam­t übrigens schon 2018 von dem Video erfahren haben: K. erzählte Polizisten P., dass er einem Chefinspek­tor darüber berichtet hatte. Seinem Anwalt ist dies allerdings nicht bekannt. Das Bundeskrim­inalamt wollte sich dazu auf Nachfrage nicht äußern.

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