Ein Meter Abstand – auch bei Politikern
Aufregung um Besuch des Kanzlers im Kleinwalsertal.
Wien. Der Kanzler besucht das Kleinwalsertal, eine Menschenmenge empfängt ihn, und die Opposition ist empört. Denn die von der Regierung festgelegten Corona-Abstandsregeln wurden rund um den Besuch von Sebastian Kurz am Mittwoch nicht eingehalten. Die Neos prüfen Anzeigen, die SPÖ spricht von „Skandalbildern“, und die FPÖ ortet in Kurz einen „Lebensgefährder“. Das Kanzleramt erklärte, dass man sich im Vorfeld und beim Besuch um die Abstandsregeln bemüht habe. Aber wie nahe darf man als Politiker der Bevölkerung eigentlich noch kommen? Und welche Regeln gelten für die anstehenden Gemeinderatswahlkämpfe in der Steiermark, in Vorarlberg oder in Wien?
Grundsätzlich sind Veranstaltungen mit mehr als zehn Personen untersagt. Eine Ausnahme gibt es für Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz. Nun könnte man politische Veranstaltungen im Freien als Versammlung abhalten. Aber diesfalls müsste das Ereignis vorab bei der Behörde angemeldet werden, die dann bestimmte Vorschriften machen oder die Versammlung ganz untersagen kann. Aber die EinMeter-Abstandsregel sei in allen Szenarien einzuhalten, erklärt Verfassungsjurist Karl Stöger von der Universität Graz im Gespräch mit der „Presse“.
Wird gegen die Abstandsregeln verstoßen, drohen nach der Corona-Verordnung Strafen. Und zwar jeder einzelnen Person, die sie nicht einhält. Ein Politiker selbst kann aber grundsätzlich nicht dafür belangt werden, wenn seine Anhänger sich untereinander zu nahe kommen. Doch dem Veranstalter einer Kundgebung (Gemeinde, Bürgermeister, Partei) könnten Verwaltungstrafen nach dem Epidemiegesetz drohen, wenn er im Wahlkampf Regeln missachtet.
Im Kleinwalsertal waren die Einwohner von der Gemeinde Mittelberg im Vorfeld dazu aufgerufen worden, anlässlich des Kanzlerbesuchs die Häuserfassaden zu beflaggen und sich für Bekundungen an die Walserstraße zu stellen. Ein persönlicher Kontakt mit dem Kanzler wurde nicht angekündigt. Wenngleich der Kanzler dann mit den anwesenden Bürgern auch sprach. Man hätte die Veranstaltung als Versammlung anmelden müssen, meint Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk, Dekan der SigmundFreud-Privatuniversität. (aich)