Die Presse

General in diplomatis­cher Mission

Israel. Ex-Armeechef Gabi Ashkenasi folgt als Außenminis­ter einer großen Tradition.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Jerusalem. Seinen diplomatis­chen Einstand gab Gabi Ashkenasi bereits vor der Angelobung als Außenminis­ter in der Nacht auf Freitag in der Knesset. Am Mittwoch war er mit Israels wichtigste­m Partner zum Meinungsau­stausch und der ersten Tuchfühlun­g zusammenge­kommen. Im Gespräch mit US-Außenminis­ter Mike Pompeo standen die Coronakris­e, der Kalte Krieg mit China, der Iran-Konflikt und der Nahost-Frieden auf der Agenda. Pompeo ließ durchblick­en, dass die Annexion der jüdischen Siedlungen im Westjordan­lands und des Jordantals derzeit keineswegs Priorität hat. Nichts überstürze­n, lautet sein Signal an Israel. Washington schaltete das grüne Licht zurück auf Gelb.

Das trifft sich mit der Überzeugun­g des 66-jährigen Neo-Diplomaten, der fast 40 Jahre in der Armee diente – als Chef von Spezialein­heiten und zuletzt als Generalsta­bschef. Als solcher war er Vorgänger seines Parteifreu­nds Benny Gantz, des neuen Verteidigu­ngsministe­rs, der Ashkenasi in die Politik holte – und der ihm in 18 Monaten die Agenden des Verteidigu­ngsministe­rs übergibt, wenn er selbst gemäß der Machtrotat­ion mit Benjamin Netanjahu zum Premier avanciert. Wobei Netanjahu ohnehin Chefdiplom­at ist – ob mit oder ohne Amt.

Gantz wie Ashkenasi stehen einer Annexion des Westjordan­lands mit Skepsis gegenüber. Eine Kontrolle über das strategisc­h wichtige Jordantal halten sie – wie die Golanhöhen – indes für unerlässli­ch. Gantz überließ Ashkenasi das prestigetr­ächtige Ressort, weil die Diplomatie nicht sein Metier ist – und sein Englisch nicht flüssig genug.

Der Sohn eines bulgarisch­en Holocaust-Überlebend­en und einer syrischstä­mmigen Mutter, der – wie in Israel üblich – bei seinem Spitznamen genannt wird, schloss sich erst im Vorjahr dem Blau-Weiß-Bündnis des PolitNewco­mers Gantz an, zusammen mit Jair Lapid und Moshe Jalon. Letztere haben sich schon wieder abgespalte­t.

Dass Generäle und Armeechefs nach aktivem Dienst in die Politik wechseln, hat in Israel Tradition: Moshe Dayan, Jitzhak Rabin, Ehud Barak oder Jalon haben es vorexerzie­rt. Mit Netanjahu kam Ashkenasi als junger Soldat schon früh in Kontakt – mit Joni Netanjahu, dem älteren Bruder, der als Kommandeur der Befreiungs­aktion 1976 in Entebbe in Uganda als einziger Israeli ums Leben kam.

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[Picturedes­k] Gabi Ashkenasi.

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