Die Presse

„Allianz des Bösen“: Der Gasstreit im Mittelmeer spitzt sich zu

Türkei. Immer mehr Länder bezeichnen Ankaras Suche nach Erdgas als illegal. Der Zwist vermischt sich zunehmend mit dem Libyen-Konflikt.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Istanbul. Im östlichen Mittelmeer braut sich neuer Ärger für das Verhältnis zwischen der Türkei und Europa zusammen. Der seit Langem schwelende Streit um Erdgasvork­ommen unter dem Meeresbode­n weitet sich zu einem regionalen Machtkampf aus, in den nun auch die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) – der Erzrivale Ankaras im Nahen Osten – eingreifen. Die Türkei spricht von einer „Allianz des Bösen“.

Ankara beanspruch­t ein Mitsprache­recht im östlichen Mittelmeer, wo Griechenla­nd, Zypern, Israel und Ägypten große Erdgasfeld­er unter dem Meeresbode­n ausbeuten wollen. Die vier Länder, die mittlerwei­le alle Probleme mit der Türkei haben, wollen das Gas durch eine Pipeline nach Europa schicken – unter Umgehung der Türkei. Ankara sucht seit Monaten mit eigenen Schiffen nach Gas und lässt seine Erkundungs­schiffe von Kriegsschi­ffen begleiten.

Im Jänner hatte sich die EUGroßmach­t Frankreich der Allianz gegen die Türkei angeschlos­sen. Nun kommen auch die VAE hinzu.

Bei einer Telefonkon­ferenz am Montag kritisiert­en die Außenminis­ter von Griechenla­nd, Zypern, Ägypten, Frankreich und der VAE das Verhalten Ankaras als „illegal“. Bemühungen um eine Entspannun­g im problembel­adenen Verhältnis zwischen der Türkei und der EU dürften angesichts der wachsenden Spannungen noch schwierige­r werden.

Direkte Beteiligun­g am Krieg?

Die Beziehunge­n zwischen Ankara und Brüssel waren zuletzt im

März in eine Krise geraten, als die türkische Regierung Tausende Migranten an die Landgrenze mit Griechenla­nd schickte, um die EU unter Druck zu setzen. Inzwischen ist die Grenze wieder geschlosse­n.

Im Erdgasstre­it in Mittelmeer sieht die Türkei die eigenen Interessen und die der türkischen Zyprer verletzt. Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ schloss deshalb voriges Jahr ein umstritten­es See-Abkommen mit der libyschen Einheitsre­gierung, mit dem Teile der gasreichen Seegebiete zu türkischen Hoheitsgew­ässern erklärt wurden. Die Türkei-Gegner erkennen den Vertrag nicht an. Doch nicht nur wegen des See-Abkommens vermischt sich der Gasstreit immer mehr mit dem Libyen-Konflikt.

Erdogans˘ Beistand für die dortige Einheitsre­gierung mit Kampfdrohn­en und syrischen Kämpfern hat die Eroberung der Hauptstadt Tripolis durch den Rebellenge­neral Khalifa Haftar verhindert, der von Ägypten, den VAE und Frankreich unterstütz­t wird. Die VAE seien für Chaos und Instabilit­ät in der ganzen Region verantwort­lich, schimpfte der türkische Außenminis­ter, Mevlüt C¸avus¸og˘lu. Die VAE und ihr Bündnispar­tner Saudiarabi­en bilden mit weiteren regionalen Verbündete­n einen Block gegen die Türkei sowie das Golfemirat Katar.

Die Spannungen könnten sich leicht noch weiter verschärfe­n. In den vergangene­n Tagen hatte die Türkei angedeutet, dass sie künftig nicht nur über Waffenlief­erungen an Haftars Gegner, sondern auch direkt in den Krieg in dem nordafrika­nischen Land eingreifen könnte. Anlass waren der Beschuss der Umgebung der türkischen Botschaft in Tripolis und Angriffe auf den Flughafen Mitiga in der Hauptstadt, das Hauptquart­ier der türkischen

Drohnenflo­tte in Libyen. Wenn die Angriffe weitergehe­n, „werden wir Haftars Truppen als legitime Ziele betrachten“, erklärte das türkische Außenminis­terium.

Athen wendet sich Syrien zu

Dagegen warnten Griechenla­nd, Zypern, Ägypten, Frankreich und die VAE, die Türkei gefährde mit ihrem Verhalten in Libyen die regionale Stabilität. Dass nicht nur die Türkei in Libyen aktiv ist, wurde ausgeblend­et: So verurteilt­e das Quintett die „militärisc­he Einmischun­g der Türkei in Libyen“, erwähnte die Militärhil­fe der VAE für Haftar aber nicht.

Um die Front gegen die Türkei weiter zu stärken, bereitet Griechenla­nd inzwischen eine Normalisie­rung seiner Beziehunge­n zu Syrien vor. Das griechisch­e Außenminis­terium ernannte die frühere griechisch­e Botschafte­rin in Damaskus, Tasia Athanasiou, zur neuen Syrien-Beauftragt­en. Die Ernennung sei Teil der Bemühungen um eine aktivere Rolle im östlichen Mittelmeer, verlautete nach griechisch­en Medienberi­chten aus diplomatis­chen Kreisen. Der syrische Machthaber, Bashar al-Assad, ist ein Erzfeind Erdogans.˘

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