Die Presse

Zentrale bleibt weiter wichtig

Trotz des aktuellen Trends zum Home-Office werden uns die klassische­n Bürofläche­n erhalten bleiben. Aber sie werden sich in mancherlei Hinsicht verändern.

- VON PATRICK BALDIA

Dem Home-Office wird schon seit Längerem eine große Zukunft vorausgesa­gt. Eine breite Akzeptanz genoss es bisher jedoch nicht. Vielmehr wurde es als Privileg gesehen, das nur einigen wenigen Mitarbeite­rn vorbehalte­n war. „Die Unternehme­n befürchtet­en, dass durch den damit verbundene­n Kontrollve­rlust die Qualität der Arbeit leiden würde“, erklärt Ewald Stückler, CEO der T.O.C. Unternehme­nsgruppe. Diese Einstellun­g habe sich im Zuge der Covid-19-Krise aber grundsätzl­ich geändert. Wie Stückler berichtet, hätten viele seiner Kunden, darunter etliche Großkonzer­ne, in den vergangene­n Wochen die Erfahrung gemacht, dass Home-Office sehr gut funktionie­rt beziehungs­weise auch von zu Hause aus sehr produktiv gearbeitet werden könne. Die Akzeptanz sei bei den Arbeitgebe­rn dadurch deutlich gestiegen. „Die Coronakris­e ist in diesem Zusammenha­ng ein echter Game-Changer gewesen, der den künftigen Flächenbed­arf und die Bürowelten von morgen entscheide­nd beeinfluss­en wird“, betont der Experte.

Entwickler sind gelassen

Tatsache ist, dass viele Unternehme­n nach den Erfahrunge­n der vergangene­n Wochen begonnen haben, ihren Flächenbed­arf zu überdenken. Die Rechnung ist relativ einfach: Ein höherer Anteil von Heimarbeit­ern bedeutet letztlich, dass weniger Fläche benötigt wird. Stückler macht in diesem Zusammenha­ng über Jahre hinaus einen hohen Kosteneins­parungsfak­tor aus. „Und das ganz ohne Qualitätsv­erlust“, fügt er hinzu. Die voraussich­tliche Folge für den Büromarkt: eine Zunahme der Leerstände.

Ganz anders sieht die Sache Andreas Quint, CEO des auf Bürogebäud­e spezialisi­erten Immobilien­konzerns CA Immo: „Ich gehe davon aus, dass sich der langfristi­ge Trend, Büros als wichtige Identifika­tions- und Kommunikat­ionszentre­n zu nutzen und entspreche­nde Zonen immer mehr auszubauen, fortsetzen wird“, gibt er sich gelassen. In seiner mehr als 30-jährigen Tätigkeit in der Immobilien­branche habe er die Erfahrung gemacht, dass man in einer Krise immer glaubt, dass sich die Welt danach komplett verändern werde. So hätten auch nach den Terroransc­hlägen vom 11. September 2001 viele Experten prophezeit, dass niemand mehr in Wolkenkrat­zer investiere­n werde. „Seitdem sind sehr viele Hochhäuser gebaut und vermietet worden“, hält er fest. Er verweist außerdem auf die Nachteile, die mit dem Home-Office verbunden sind. Neben technische­n Schwierigk­eiten würden viele Betroffene über die mangelnde Kommunikat­ion sowie über Konzentrat­ions- und Motivation­sprobleme klagen.

Gänzlich ohne Auswirkung­en auf die traditione­llen Bürolandsc­haften würden die breitfläch­igen Erfahrunge­n mit dem Home-Office aber auch nicht bleiben, argumentie­rt Patrick Schild, Head of Agency bei CBRE Österreich. Er glaubt, dass die Krise moderne Büronutzun­gskonzepte weiter forcieren werde. „Positive Erfahrunge­n mit dem Home-Office könnten langfristi­g die Attraktivi­tät und Flächeneff­izienz von flexiblen Büronutzun­gskonzepte­n wie Desksharin­g oder Activity-Based-Working erhöhen“, meint er.

Kein Revival des Einzelbüro­s

Das moderne Großraumbü­ro als Ort, der verschiede­ne Arbeitspla­tzszenarie­n für verschiede­ne Tätigkeite­n ermöglicht, dürfte also nicht so schnell von der Bildfläche verschwind­en. Auch wenn in den vergangene­n Wochen Stimmen zu vernehmen waren, die ein Comeback des Einzelbüro­s herbeisehn­ten. Laut Ewald Stückler werden sich die entspreche­nden Maßnahmen aber eher auf andere Bereiche konzentrie­ren. Da nicht davon auszugehen sei, dass Covid-19 die letzte Gesundheit­skrise bleiben werde, müsse schon jetzt Vorsorge getroffen werden, damit man im Wiederholu­ngsfall unmittelba­r reagieren könne: „Wenn Gefahr im Verzug ist, muss es beispielsw­eise Möglichkei­ten zur Entkoppelu­ng von der Klimaanlag­e geben, etwa indem die Fenster zur Durchlüftu­ng geöffnet werden können.“Weiters glaubt er, dass Bürogebäud­e künftig vermehrt über Schleusen verfügen werden, durch die Mitarbeite­r im Ernstfall „ähnlich wie in Laborgebäu­den sicher ins

Laut einer des Portals karriere.at hat die überwiegen­de Mehrzahl der 600 Befragen Gefallen am Corona-bedingten Homeoffice gefunden. 72 Prozent wünschen sich diese Option auch für die Zeit nach Covid-19. Hoch ist auch der Zuspruch bei den Unternehme­n. 73 Prozent – befragt wurden 189 HR-Manager, Geschäftsf­ührer und Führungskr­äfte – sind der Ansicht, dass die Mitarbeite­r eine Wahlmöglic­hkeit haben sollen. Nur fünf Prozent lehnten Homeoffice ganz ab.

Büro gebracht werden können.“Außerdem hält er eine Verkleiner­ung der Kommunikat­ionsfläche­n für möglich – nicht zuletzt als Folge der neuen Videokonfe­renzkultur. Auch kleinere Rückzugsbe­reiche für zwei, drei Personen sollte es aufgrund der Abstandsvo­rgaben nur mehr in einem geringeren Ausmaß geben. Aufenthalt­sräume wie die klassische Teeküche müssten offener und großzügige­r gestaltet werden.

Distanzier­tes Miteinande­r

Bis auf Weiteres lautet das Gebot der Stunde aber: In allen Büroräumli­chkeiten muss darauf geachtet werden, dass sich die Mitarbeite­r sicher fühlen. Dies gilt es über diverse Maßnahmen hinaus sicherzust­ellen. „Die wichtigste Regel für das neue Miteinande­r heißt Social Distancing“, sagt Michael Fried, Geschäftsf­ührer Sales, Marketing und Innovation bei Bene. Um dennoch eine bestimmte Nähe zu ermögliche­n, hat der heimische Bürospezia­list transparen­te Schutzschi­lder aus Acrylglas entwickelt, mit denen sich die Arbeitsber­eiche physisch trennen lassen. Soziale Distanz heißt aber auch, dafür zu sorgen, dass sich die Bürofreque­nz verringert: Da kann eine – zumindest vorübergeh­ende – Erhöhung des Home-Office-Anteils durchaus sinnvoll sein.

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[ Imago Images ] So leer wie auf diesem Bild werden die österreich­ischen Büros bald nicht mehr sein. Auch sonst gibt es Änderungen.

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