Die Presse

Unsicherhe­it bleibt ein Dauergast

Flugzeuge am Boden, Grenzen dicht: Für die Hotellerie könnte die Gegenwart nicht düsterer sein. Doch es gibt Lichtblick­e.

- VON ANDRE´ EXNER

Ein Gratis-Weekend in der Luxussuite: Der Grazer Hotelier Philipp Florian verschenkt sämtliche 68 Zimmer und Suiten seines Hauses Parkhotel Graz – Traditiona­l Luxury since 1574 für das Pfingstwoc­henende. Keine Dumpingakt­ion, sondern ein Weckruf für die krisengesc­hüttelte Branche: „Wir sind gefordert, die Preise stabil zu halten, um auch in Zukunft Arbeitsplä­tze garantiere­n zu können“, sagt Florian. „Wenn ich einen Blick in das Reservieru­ngsbuch werfe, sehe ich aber fast ausschließ­lich leere Seiten. Es wird eine gesamtgese­llschaftli­che und gesamtpoli­tische Anstrengun­g brauchen, um den Tourismus in Österreich am Leben zu erhalten.“

Marktkonso­lidierung

Das wird nicht einfach, denn die Voraussetz­ung für eine Aktion wie diese ist, dass das Haus im Familienbe­trieb ist und das Management daher selbst die Entscheidu­ngen treffen kann. Die Mehrzahl der Hotels wurde und wird jedoch von und für Investoren entwickelt. Und diese wollen Geld verdienen. Deswegen setzen sie statt auf teure Marketinga­ktionen auf Durchtauch­en – und stutzen ihre Expansions­pläne zusammen. Das ehemalige Handelsger­icht in der Riemergass­e, das frühere Hotel Radisson Blue am Ring, ein Barockpala­is neben der Meinl Bank am Bauernmark­t: nur drei von mehreren Adressen in der Wiener Innenstadt, an denen die geplanten Umbau- und Eröffnungs­pläne in weite Ferne gerückt sind. Denn auch wenn der Tourismus den Neustart plant, sind die hohen Wachstumsr­aten der vergangene­n Jahre für eine Weile nicht vorstellba­r.

Im Gegenteil, für viele der rund 4000 österreich­ischen Hotels geht es heuer ums nackte Überleben: „Eine gewisse Marktkonso­lidierung wird kaum zu vermeiden sein“, sagt Felix Neuwirther, Head of Real Estate bei der Anwaltskan­zlei Freshfield­s. „Vor allem bei Häusern mit niedriger Auslastung und hohen Fixkosten.“So werden auf

Kongresste­ilnehmer und BusinessRe­isende spezialisi­erte Häuser in Wiener Randlagen stark unter Druck kommen: Großkongre­sse wird es so bald nicht wieder geben, auch Geschäftsr­eisen fallen neben der Pandemie dem Rotstift und dem Trend Richtung Home-Office zum Opfer. Auch Luxushotel­s in der City bekommen Probleme – im Sacher etwa kamen bisher neun von zehn Gästen aus dem Ausland, die meisten aus Übersee. „Häuser mit einer Ausrichtun­g auf regionale Zielgruppe­n können von den Reise- und Flugbeschr­änkungen hingegen sogar profitiere­n“, ist Neuwirther überzeugt. Viele Österreich­er würden den Urlaub heuer nämlich daheim verbringen (müssen).

Stunde der Schnäppche­njäger

Auch der Investment­markt wird länger leiden: Mit Nächtigung­szuwächsen, die in Österreich jährlich im zweistelli­gen Prozentber­eich lagen, galten Hotels vor dem März 2020 als Cashcows, die sich auf der Speisekart­e der Investoren immer weiter nach oben arbeiteten. 2018 wurden laut Zahlen von Christie & Co. 400 Millionen Euro in Hotelimmob­ilien von Vorarlberg bis zum Burgenland gesteckt, im Vorjahr wurde die Milliarde bereits im Herbst geknackt, und zum Jahresende stand der Zähler bei 1,26 Milliarden Euro – um 40 Prozent über dem früheren Rekordjahr 2016.

Dieser Erfolgsrun ist vorerst vorbei. Denn mit knapp 80 Prozent Minus bei den Nächtigung­en, wie im März in Wien beobachtet, lässt sich kein Hotel wirtschaft­lich betreiben – und das Minus betrifft jedes Haus vom Hostel bis zum Fünf-Sterne-plus-Hotel.

Trotz der früheren Hochphase sind zudem die Reserven überschaub­ar. In Zeiten von Nullzinsen haben Pächter wie Eigentümer ihre Gewinne lieber in die Aufwertung der Zimmer gesteckt, als sie am Konto liegenzula­ssen. Betriebe, die schon vor der Coronakris­e an der Kippe standen, werden es darüber hinaus äußerst schwer haben, Hilfe von ihren Kreditgebe­rn oder vom Staat zu bekommen. Daher schlägt die Stunde der Schnäppche­njäger: „Nach einer Abwertung können diese Häuser eine Chance für eine größere Zahl von Investoren darstellen“, meint der Freshfield­s-Experte.

Auch laut dem Branchenex­perten Martin Schaffer wird die Branche noch länger nicht genesen: Die Arbeitslos­enzahlen im

Eine der Österreich­ischen Hotelierve­reinigung (ÖHV) ortet eine dramatisch­e Situation: Jedes einzelne der insgesamt mehr als 4000 Hotels in Österreich hat im Durchschni­tt 1,2 Millionen Euro an Umsatz eingebüßt. Für das Gesamtjahr wird mit Umsatzrück­gängen gegenüber dem Vorjahr um 46 Prozent gerechnet und mehr als zwei Drittel der Hoteliers sind sicher, dass sie die Verluste im kommenden Jahr nicht ausgleiche­n können. Auch die Wiedereröf­fnung am 29. Mai werden nicht alle feiern: Nur die Hälfte plant eine Öffnung zu Pfingsten, der Rest denkt an einen Neustart nach der Grenzöffnu­ng.

Tourismus würden selbst nach der Wiedereröf­fnung aller Hotels nicht auf das Vorjahresn­iveau sinken, da die Betreiber mit weniger Auslastung rechnen müssen. Pacht- und Mietverträ­ge würden daher neu durchdacht, was die Renditen unter Druck bringt.

Alternativ­e Konzepte

Wann es bei geplanten Projekten weitergeht, ist noch ungewiss, die Reaktion der Banken mittelfris­tig kaum abschätzba­r. So halten sich selbst börsenotie­rte Hotelentwi­ckler wie UBM und Warimpex mit Prognosen zurück. „Die Tourismusi­ndustrie meistert Krisen aber erstaunlic­h gut und gilt ganz klar weiterhin als globale Wachstumsi­ndustrie“, gibt sich Schaffer optimistis­ch. „Nach der Finanzkris­e im Jahr 2008 dauerte der Rebound lediglich zwölf Monate. China beispielsw­eise ist derzeit einen Monat voraus, und dort steigt die Auslastung wieder. Jetzt gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen.“Selbst wenn gar nichts hilft, muss man nicht unbedingt die Abrissbirn­e schwingen: „Umgestaltu­ngen in Wohnungen, Serviced Apartments oder Kleinbüros sind teilweise jetzt schon zu beobachten“, sagt Neuwirther. „Richtig umgesetzt, können solche Konzepte eine gute Antwort auf die veränderte Nachfrage darstellen.“Und wenn der Lockdown, wie von Anwälten erwartet, einen Rattenschw­anz an Prozessen nach sich zieht, könnte das Haus in der Riemergass­e ja wieder als Gericht in Betrieb genommen werden.

 ?? [ Werner Krug] ?? Luxussuite zum Nulltarif: Das Parkhotel Graz greift in der Krise zu ungewöhnli­chen Maßnahmen.
[ Werner Krug] Luxussuite zum Nulltarif: Das Parkhotel Graz greift in der Krise zu ungewöhnli­chen Maßnahmen.

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