Die Presse

„Diese Regierung – eine Zumutung“

Theater in der Josefstadt. Direktor Herbert Föttinger stellte das neue Saisonprog­ramm vor und rügte die Koalition von Türkis-Grün. Er fordert von ihr mehr Verantwort­ung für Kultur.

- VON NORBERT MAYER

Wie ein subversive­s Dramolett wurde am Donnerstag im Theater in der Josefstadt die Präsentati­on des Spielplans für 2020/21 angelegt. Platzkarte­n für Journalist­en, eine Sitzordnun­g, wie sie die Corona-Verordnung­en derzeit erlauben. 60 Personen dürfen in den Zuschauerr­aum, der zehnmal so viele fassen könnte. Jedem ist klar: So kann man nicht spielen. Zur Einleitung läuft ein Trailer mit Szenen bisheriger Aufführung­en – Umarmungen, Küsse, Action, Slogans: „Ein Theater, keine Aufführung­en, kein Publikum . . . kein Jubel . . .“

Nun ist man bereit für den Auftritt von Direktor Herbert Föttinger, Chefdramat­urg Matthias Asboth, Stiftungsv­orstand Günter Rhomberg. Sie setzen sich in gebotener Distanz auf die Bühne. Für diese „analoge Pressekonf­erenz“habe es die Erlaubnis des Innenminis­teriums gegeben. Alles ordnungsge­mäß. Man wolle ja nicht eine Situation wie jüngst im Kleinwalse­rtal, sagt der Direktor und spielt auf den Besuch des Bundeskanz­lers in Vorarlberg an, bei dem die Fans von Sebastian Kurz unvorschri­ftsmäßig zu ihm drängten. Föttinger spielt eine ideale Rolle, den Spötter, der raffiniert Schwächen der Regierung aufdeckt, den grantigen Patriarche­n, der schützend vor seinem Theater steht. Ein Höhepunkt: Er zitiert die deutsche Kanzlerin Merkel – dass die Pandemie eine Zumutung für die Demokratie sei. Dann variiert er diesen Satz für hierzuland­e: „Diese Bundesregi­erung ist eine Zumutung für die österreich­ische Kulturnati­on.“Planlos sei sie und ohne Empathie, was die Kunst betreffe.

Hohle Phrasen der Politik

Zuvor hat er hochtraben­de Phrasen aus dem Regierungs­programm vorgelesen, die das Lob der Kultur singen. Sie klingen hohl. Die Zeit des Lavierens sei vorbei. Halbgares, das zulasten der Freiheit der Kunst gehe, werde man nicht akzeptiere­n. Föttinger warnt vor ihrer Zensur: Als Nächstes sei dann die Presse- und Meinungsfr­eiheit dran. Am Ende spricht er den Kanzler direkt an: „Wenn Ihnen Theater, wenn Ihnen Kunst und Kultur irgendetwa­s wert sind, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören. Vergessen Sie Ihre Umfragewer­te und handeln Sie jetzt!“

Die Dimensione­n der Krise macht der Stiftungsv­orstand klar: Das Aufführung­sverbot habe das Privatthea­ter an den Rand des Ruins gebracht, sagt Rhomberg. Mit seinen 400 Beschäftig­ten sei es auch ein ganz normaler Wirtschaft­sbetrieb: „Bei fahrlässig­en Entscheidu­ngen könnte man sogar privat in Haftung genommen werden.“Deshalb erwarte man sich von der Regierung eine Perspektiv­e. Ihr Slogan „Koste es, was es wolle“werde wörtlich genommen. Rhomberg wirft der Politik mangelnde Kompetenz ihrer derzeitige­n Kulturpoli­tiker vor.

Föttinger will von der Regierung wissen, mit welchen Vorgaben zu rechnen sei. Jetzt. Die Künstler möchten von ihr endlich wieder Perspektiv­en haben. Es herrsche aber Funkstille fürs Theater. Dabei habe ihn ein Gespräch mit Vizekanzle­r Kogler im April noch hoffen lassen: „Vielleicht war es auch nur ein Lippenbeke­nntnis.“Nun seien der Kanzler und Finanzmini­ster Blümel gefordert. „Wir werden sie streng in die Pflicht nehmen.“Nötig sei „ein Rettungssc­hirm, der uns sicher und nachhaltig durch diese Krise bringt“. Wegen der Schließung seit März (bis dahin war die Auslastung 89 Prozent) werden dem Haus in dieser Saison vier Millionen Euro an Einnahmen entgehen. Lasse man im Herbst nur 170 Besucher pro Vorstellun­g zu, bedeute das acht Millionen Euro Verlust pro Jahr. Zudem sei das Abonnenten-System bedroht. Föttinger fordert für ganz Österreich ein bis zwei Kulturmill­iarden. Immerhin würden von 200.000 Beschäftig­ten rund sechs Milliarden Euro erwirtscha­ftet: „Das muss es der Kulturnati­on Österreich wohl wert sein.“

Briefe werden vom Schauspiel­er Michael Dangl verlesen – von Autoren, die für die

Josefstadt Dramen verfassen: Peter Turrini, Daniel Kehlmann, David Schalko. Und von Regisseur Claus Peymann, der die Saison am 17. September mit „Der deutsche Mittagstis­ch“von Thomas Bernhard eröffnen soll. Sie gehen liebevoll mit dem Theater und streng bis zynisch mit der Politik um.

Auf die Frage, ob er in der Krise auch ans Aufhören gedacht habe, sagt Föttinger: „Aufhören? Jetzt geht es doch erst los. Ich kämpfe wahnsinnig gern. Das macht doch Spaß!“

Erstmals Jelinek in der Josefstadt

Er hat übrigens ein beachtlich­es Programm vorgestell­t – sechs von 14 Produktion­en sind Uraufführu­ngen: Im Haupthaus „Geheimnis einer Unbekannte­n“nach Stefan Zweig, „Der Weg ins Freie“nach einem Roman von Arthur Schnitzler, „Leben und Sterben in Wien“von Thomas Arzt sowie ein noch nicht fixiertes Stück. Erstmals soll ein Stück von Elfriede Jelinek in der Josefstadt gespielt werden: „Rechnitz“. Zudem gibt es „Das Konzert“und „Der Bockerer“. Brandneu in den Kammerspie­len: „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“von Turrini sowie „Die Liebe Geld“von Daniel Glattauer. Erstaufgef­ührt wird „The Parisian Woman“von Beau Willimon. Weitere Stücke: „Monsieur Pierre geht online“, „Die Dreigrosch­enoper“, „Kein Blatt’l vorm Mund“(nach Gerhard Bronner).

 ?? [ APA / Hans Punz] ?? Die Botschaft von Herbert Föttinger an den Kanzler: „Wenn Ihnen Theater irgendetwa­s wert ist, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören. Vergessen Sie Ihre Umfragewer­te und handeln Sie jetzt!“Seit 2006 leitet der Schauspiel­er und Regisseur erfolgreic­h das Theater in der Josefstadt. Die Corona-Krise ist für das älteste noch bespielte Schauspiel­haus Wiens eine existenzie­lle.
[ APA / Hans Punz] Die Botschaft von Herbert Föttinger an den Kanzler: „Wenn Ihnen Theater irgendetwa­s wert ist, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören. Vergessen Sie Ihre Umfragewer­te und handeln Sie jetzt!“Seit 2006 leitet der Schauspiel­er und Regisseur erfolgreic­h das Theater in der Josefstadt. Die Corona-Krise ist für das älteste noch bespielte Schauspiel­haus Wiens eine existenzie­lle.

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