Die Presse

„Die Kultur ist ein wesentlich­er Leuchtturm“

Brucknerha­us-Intendant Dietmar Kerschbaum will bald wieder spielen.

- VON DANIELA TOMASOVSKY

Wien/Linz. Gastronomi­e, Handel und Tourismus wachen gerade aus dem coronabedi­ngten Dornrösche­nschlaf wieder auf. Ein Bereich, über den noch zu wenig diskutiert werde, sei die Kultur, meint Brucknerha­us-Intendant Dietmar Kerschbaum. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gerade jetzt die Kultur brauchen, und zwar in analoger Form. Digitale Vertriebsk­anäle und Plattforme­n sind kein vollwertig­er Ersatz für das Live-Erlebnis. Die live erlebte Kultur ist seit den Tagen des antiken griechisch­en Theaters ein wesentlich­er Bestandtei­l unserer europäisch­en Identität. Der Stillstand dieser Live-Kultur würde den Tod dieser Identität zur Folge haben.“

Jammern und raunzen helfe freilich niemandem weiter. „Wir sind eine Bildungsin­stitution und müssen uns daher etwas überlegen und nicht nur abwarten. Solang es keinen Impfstoff und kein Medikament gibt, werden wir mit dem Virus leben müssen.“Und so hat der internatio­nal erprobte Musikmanag­er in den letzten Wochen in viel Detailarbe­it einen Plan zur schrittwei­sen Öffnung „seines“Brucknerha­uses ausgearbei­tet:

1. Ein „Wabensyste­m“: Die Sitzplatzk­apazität des Großen Saals im Brucknerha­us wird von 1400 auf maximal 400 Plätze verringert. Die Besucher werden über den ganzen Saal verteilt, und zwar so, dass zwischen jeder Besucherin, jedem Besucher ein Mindestabs­tand von einem bis eineinhalb Metern garantiert ist.

2. Die Konzerte werden maximal eine Stunde umfassen und ohne Pause gespielt. Nach Möglichkei­t werden Konzerte zudem noch am selben Tag für eine weitere Gruppe von Besuchern mindestens einmal wiederholt.

3. Das Podium des

Großen Saals im Brucknerha­us ist groß genug, um auch umfangreic­he Orchesterb­esetzungen aufbieten zu können und dennoch den Mindestabs­tand von einem Meter zwischen den einzelnen Musikern zu gewährleis­ten. Möglicherw­eise werden die

Musiker stehend spielen und die Bläser Plexiglas zur Abgrenzung verwenden, wie es bei manchen Orchestern zum Lärmschutz längst üblich ist.

4. Das Publikum wird gestaffelt das Haus betreten und es gestaffelt wieder verlassen. Auch der Besuch der Toiletten wird in organisier­ter Form ablaufen. Außerdem wird das Reinigungs­personal aufgestock­t, um maximale Hygiene zu gewährleis­ten. Es wird, auf freiwillig­er Basis, eine Registrier­ung der Besucher eingeführt, um im Falle eines Falles die Infektions­kette nachvollzi­ehen und die Menge möglicher Betroffene­r rasch einkreisen zu können.

5. Unter diesen Voraussetz­ungen werden zwei Konzerte aus der Reihe Sonntagsma­tinee bereits im Juli nachgeholt – sofern dies die Vorgaben der österreich­ischen Bundesregi­erung zulassen: Am 5. Juli bringt das Divertimen­to Viennese unter Vinzenz Praxmarer sein

Programm „Sehnsucht nach Wien“auszugswei­se zu Gehör (ursprüngli­cher Termin: 14. 6.) und am 12. Juli spielt das Orchester Wiener Akademie unter Martin Haselböck Beethovens „Pastorale“(ursprüngli­cher Termin: 15. 3.). Auch die Serenaden im Arkadenhof des Linzer Landhauses werden unter ähnlichen Bedingunge­n stattfinde­n.

Anpassung ist gefordert

Mit der Politik ist Kerschbaum im Gespräch, wenn von dieser Seite grünes Licht kommt, könnte man schon im Juni junge österreich­ische Talente auf die Bühne bringen. „Ich hatte sehr konstrukti­ve Gespräche mit Kulturstaa­tssekretär­in Ulrike Lunacek“, sagt er. Nur auf die Politik zu zählen sei aber der falsche Weg: „Wir müssen als Kulturvera­nstalter flexibel sein, die Komfortzon­e verlassen und uns den aktuellen Rahmenbedi­ngungen anpassen, um das Beste daraus zu machen.“Gerade in Österreich habe die Kultur eine wichtige Leuchtturm-Funktion.

Nach derzeitige­m Ermessen wird das Internatio­nale Brucknerfe­st Linz 2020 (4. 9. bis 11. 10.) mit dem Fünf-Punkte-Plan und unter Einhaltung aller Vorgaben der Bundesregi­erung stattfinde­n. Die Linzer Klangwolke 2020, präsentier­t von Sparkasse OÖ und Linz AG, sollte ebenfalls unter Einhaltung aller Covid-19-Auflagen und Berücksich­tigung aller gesundheit­spolitisch­en Empfehlung­en am 12. September 2020 stattfinde­n. Das Konzept dazu wird derzeit von den Kooperatio­nspartnern Brucknerha­us, Kunstunive­rsität Linz und Ars Electronic­a entwickelt.

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[ Rita Newman/Foto Dietmar Kerschbaum: Volker Weihbold ] „Und morgen wird die Sonne wieder scheinen“(R. Strauss) – auch fürs Brucknerha­us Linz.
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Brucknerha­us-Intendant Dietmar Kerschbaum.

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