„Die Kultur ist ein wesentlicher Leuchtturm“
Brucknerhaus-Intendant Dietmar Kerschbaum will bald wieder spielen.
Wien/Linz. Gastronomie, Handel und Tourismus wachen gerade aus dem coronabedingten Dornröschenschlaf wieder auf. Ein Bereich, über den noch zu wenig diskutiert werde, sei die Kultur, meint Brucknerhaus-Intendant Dietmar Kerschbaum. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gerade jetzt die Kultur brauchen, und zwar in analoger Form. Digitale Vertriebskanäle und Plattformen sind kein vollwertiger Ersatz für das Live-Erlebnis. Die live erlebte Kultur ist seit den Tagen des antiken griechischen Theaters ein wesentlicher Bestandteil unserer europäischen Identität. Der Stillstand dieser Live-Kultur würde den Tod dieser Identität zur Folge haben.“
Jammern und raunzen helfe freilich niemandem weiter. „Wir sind eine Bildungsinstitution und müssen uns daher etwas überlegen und nicht nur abwarten. Solang es keinen Impfstoff und kein Medikament gibt, werden wir mit dem Virus leben müssen.“Und so hat der international erprobte Musikmanager in den letzten Wochen in viel Detailarbeit einen Plan zur schrittweisen Öffnung „seines“Brucknerhauses ausgearbeitet:
1. Ein „Wabensystem“: Die Sitzplatzkapazität des Großen Saals im Brucknerhaus wird von 1400 auf maximal 400 Plätze verringert. Die Besucher werden über den ganzen Saal verteilt, und zwar so, dass zwischen jeder Besucherin, jedem Besucher ein Mindestabstand von einem bis eineinhalb Metern garantiert ist.
2. Die Konzerte werden maximal eine Stunde umfassen und ohne Pause gespielt. Nach Möglichkeit werden Konzerte zudem noch am selben Tag für eine weitere Gruppe von Besuchern mindestens einmal wiederholt.
3. Das Podium des
Großen Saals im Brucknerhaus ist groß genug, um auch umfangreiche Orchesterbesetzungen aufbieten zu können und dennoch den Mindestabstand von einem Meter zwischen den einzelnen Musikern zu gewährleisten. Möglicherweise werden die
Musiker stehend spielen und die Bläser Plexiglas zur Abgrenzung verwenden, wie es bei manchen Orchestern zum Lärmschutz längst üblich ist.
4. Das Publikum wird gestaffelt das Haus betreten und es gestaffelt wieder verlassen. Auch der Besuch der Toiletten wird in organisierter Form ablaufen. Außerdem wird das Reinigungspersonal aufgestockt, um maximale Hygiene zu gewährleisten. Es wird, auf freiwilliger Basis, eine Registrierung der Besucher eingeführt, um im Falle eines Falles die Infektionskette nachvollziehen und die Menge möglicher Betroffener rasch einkreisen zu können.
5. Unter diesen Voraussetzungen werden zwei Konzerte aus der Reihe Sonntagsmatinee bereits im Juli nachgeholt – sofern dies die Vorgaben der österreichischen Bundesregierung zulassen: Am 5. Juli bringt das Divertimento Viennese unter Vinzenz Praxmarer sein
Programm „Sehnsucht nach Wien“auszugsweise zu Gehör (ursprünglicher Termin: 14. 6.) und am 12. Juli spielt das Orchester Wiener Akademie unter Martin Haselböck Beethovens „Pastorale“(ursprünglicher Termin: 15. 3.). Auch die Serenaden im Arkadenhof des Linzer Landhauses werden unter ähnlichen Bedingungen stattfinden.
Anpassung ist gefordert
Mit der Politik ist Kerschbaum im Gespräch, wenn von dieser Seite grünes Licht kommt, könnte man schon im Juni junge österreichische Talente auf die Bühne bringen. „Ich hatte sehr konstruktive Gespräche mit Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek“, sagt er. Nur auf die Politik zu zählen sei aber der falsche Weg: „Wir müssen als Kulturveranstalter flexibel sein, die Komfortzone verlassen und uns den aktuellen Rahmenbedingungen anpassen, um das Beste daraus zu machen.“Gerade in Österreich habe die Kultur eine wichtige Leuchtturm-Funktion.
Nach derzeitigem Ermessen wird das Internationale Brucknerfest Linz 2020 (4. 9. bis 11. 10.) mit dem Fünf-Punkte-Plan und unter Einhaltung aller Vorgaben der Bundesregierung stattfinden. Die Linzer Klangwolke 2020, präsentiert von Sparkasse OÖ und Linz AG, sollte ebenfalls unter Einhaltung aller Covid-19-Auflagen und Berücksichtigung aller gesundheitspolitischen Empfehlungen am 12. September 2020 stattfinden. Das Konzept dazu wird derzeit von den Kooperationspartnern Brucknerhaus, Kunstuniversität Linz und Ars Electronica entwickelt.