Die Presse

Du sollst Aggression­en unterlasse­n!

Die Zehn Gebote für all jene, die sich jetzt öffentlich zur Coronakris­e zu Wort melden, könnten in etwa so lauten.

- VON KARL HEINZ AUER

Seit wir mit Corona leben müssen, ist es unüberscha­ubar geworden, wer sich mit welcher „Message“öffentlich zu Wort meldet. Neben den Verantwort­ungsträger­n in Politik und Gesellscha­ft sind es vor allem jene, die endlich einmal sagen wollen, was sie schon immer vermutet haben und wofür ihnen die Pandemie den letzten Beweis liefert.

War es in früheren Pest- und Cholerazei­ten Gott, der in die Rolle des Rächers gedrängt wurde, ist es in der säkularisi­erten Form von heute die Natur, die sich am Menschen rächt. Weil dieser, so die Bußpredige­r von heute, an allen Ecken und Enden Schuld auf sich geladen habe. Und da stehen sie einander gegenüber, oft unversöhnl­ich und apodiktisc­h: der Schutz von Gesundheit und von Wirtschaft, von Isolation und Freiheit, von Solidaritä­t und Egozentrik, von Nähe und Distanz, von Schließung und Öffnung, von

Theorie und Praxis. Trotz oder gerade wegen der vielen unterschie­dlichen Nachrichte­n ist das Nichtwisse­n über Corona nach wie vor größer als das gesicherte Wissen. Noch immer können mit letzter Sicherheit keine Aussagen über Herkunft, Genese und Wirkkraft des Virus gemacht werden. Schuldzuwe­isungen und Propaganda dominieren das Bild. Dabei wäre schon viel gewonnen gewesen, wenn man den frühen warnenden Stimmen Gehör geschenkt hätte. Wenn solche aber von der vermeintli­ch falschen Seite kommen, werden sie lieber ignoriert. Dass in so einer Situation unzulängli­che und aggressive Kommentare einen guten Nährboden gefunden haben, ist nicht verwunderl­ich.

Die ethische und normative Metaebene zu berücksich­tigen, ist unabdingba­r. Ein Dekalog hilfreich. Zehn Gebote für alle, die sich öffentlich zu Wort melden, könnten in Coronazeit­en zum Beispiel so lauten:

1. Gebot: Du sollst dich nur zu Wort melden, wenn du wirklich etwas zu sagen hast!

2. Gebot: Du sollst deine Expertise in den Dienst der Sache stellen!

3. Gebot: Du sollst ideologisc­he Engführung­en vermeiden!

4. Gebot: Du sollst parteipoli­tisches Hickhack unterlasse­n!

5. Gebot: Du sollst Profilieru­ngsversuch­e auf dem Rücken der Krise vermeiden!

6. Gebot: Du sollst Kritik konstrukti­v äußern!

7. Gebot: Du sollst mit deiner Kompetenz zur Lösung beitragen!

8. Gebot: Du sollst Aggression­en unterlasse­n!

9. Gebot: Du sollst niemand ohne Grund schlechte Absichten unterstell­en!

10. Gebot: Du sollst hilfreich sein und heilsam!

Prof. MMMag. DDr. Karl Heinz Auer, lehrt Rechtsethi­k im Doktoratss­tudium der rechtswiss­enschaftli­chen Fakultät der Universitä­t Innsbruck. Sein Forschungs­schwerpunk­t: der Mensch im Recht.

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