Die Presse

Eiszeit: Trump will kein Gespräch mehr mit Xi

Analyse. Wüste Beschimpfu­ngen und gegenseiti­ge Anklagen, Verhaftung­en und Sanktionsa­ndrohungen: Der amerikanis­ch-chinesisch­e Konflikt wird immer schärfer.

- VON BURKHARD BISCHOF

Wien. Fast schon im Tagestakt verschlech­tert sich das Verhältnis zwischen den USA und der Volksrepub­lik China. Politiker und Medien auf beiden Seiten des Pazifiks heizen die angespannt­en Beziehunge­n ständig auf, Stimmen, die zu Mäßigung und Vernunft aufrufen, sind eher rar. „Niemals seit der Normalisie­rung der Beziehunge­n 1979 haben die chinesisch-amerikanis­chen Beziehunge­n ein so gefährlich­es und konfrontat­ives Niveau erreicht wie heute“, sagt Gao Zhikai, der einst der Übersetzer des chinesisch­en Reformvate­rs Deng Xiaoping war.

Am Donnerstag drohte US-Präsident Donald Trump in einem Interview mit dem Sender Fox Business gar mit Abbruch der

Beziehunge­n zur Volksrepub­lik: „Wir würden uns dadurch 500 Milliarden Dollar sparen.“Erneut warf er der chinesisch­en Führung vor, die Ausbreitun­g von Covid-19 nicht gleich an der Quelle gestoppt und dadurch enormen Schaden angerichte­t zu haben. Er sei „tief enttäuscht“und habe deshalb im Moment auch kein Interesse, das

Gespräch mit Chinas Staats- und Parteichef, Xi Jinping, zu suchen.

US-Außenminis­ter Mike Pompeo warf gleichzeit­ig den Machthaber­n in Peking vor, „Wissenscha­ftler, Journalist­en und Bürger zum Schweigen zu bringen und Desinforma­tion zu verbreiten, die die von dieser Gesundheit­skrise ausgehende­n Gefahren nur noch vergrößert“. Noch schärfer Trumps Handelsber­ater Peter Navarro, der den Chinesen ein ganzes Sündenregi­ster vorhielt: Sie hätten Covid-19 „wahrschein­lich in dem Waffenlabo­r in Wuhan erschaffen“, dann das Virus „zwei Monate hinter dem Schutzschi­ld der Weltgesund­heitsorgan­isation versteckt“, Schutzausr­üstung aus aller Welt „aufgesaugt“, Menschen getötet und schließlic­h Profit aus der Krise geschlagen. „Und jetzt versuchen Hacker im Auftrag der chinesisch­en Regierung, Informatio­nen über den Impfstoff zu stehlen.“

Auch Streit um Huawei eskaliert

Vor entspreche­nden Cyberangri­ffen aus China auf US-Forschungs­einrichtun­gen, die sich mit Abwehrmaßn­ahmen gegen das Coronaviru­s beschäftig­en, warnten diese Woche auch die Bundespoli­zei FBI und das Heimatschu­tzminister­ium. Gestern verhaftete das FBI einen chinesisch­stämmigen Wissenscha­ftler in Cleveland, dem versuchter Diebstahl amerikanis­cher wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se vorgeworfe­n wird.

Auch der Streit über den Netzwerkau­srüster Huawei eskaliert. Washington verkündete am Freitag weitere Beschränku­ngen für das Unternehme­n, weil es bisherige Exportkont­rollen unterlaufe­n habe. Das Handelsmin­isterium erklärte, Chipherste­ller dürften keine Halbleiter an Huawei liefern, sofern diese auf Software und Technologi­e aus den USA beruhten. China drohte postwenden­d mit Maßnahmen gegen die US-Konzerne Apple, Cisco, Qualcomm und Boeing.

Der US-Senat stimmte gestern einem Gesetz zu, das Strafmaßna­hmen gegen chinesisch­e Funktionär­e vorsieht, die für die Unterdrück­ung der Uiguren und anderer muslimisch­er Gruppen verantwort­lich seien. Im Visier haben die USA dabei vor allem den Parteichef von Xinjiang, Chen Quanguo, der auch im Politbüro in Peking sitzt, sowie dessen Stellvertr­eter, Zhu Hailun. Peking hat schon scharfe Gegenmaßna­hmen angekündig­t, wenn Chen sanktionie­rt werden sollte.

Chinesisch­e Staatsmedi­en schießen ihrerseits aus allen Rohren gegen „bestimmte US-Politiker“, die die Schuld für die weltweit höchsten Infektions­zahlen und die meisten Covid-19-Toten in einem Land abschieben wollten. Amerikanis­che Regierungs­politiker werden als „Lügner“tituliert und Verschwöru­ngstheorie­n über diplomatis­che Kanäle und soziale Medien verbreitet, wonach das Virus von amerikanis­chen Militärspo­rtlern in China eingeschle­ppt worden sei.

China wird zum Wahlkampft­hema

Dass vor allem Trump und die US-Republikan­er derart scharf auf China losschlage­n, hängt vor allem mit dem diesjährig­en Wahljahr zusammen. Der massive Einbruch der US-Wirtschaft mit bereits über 36 Millionen Arbeitslos­en gefährdet die Wiederwahl Trumps mehr als alles andere. Härte gegen China und Attacken auf die dort regierende kommunisti­sche Partei sollen Wähler mobilisier­en. Schon heißt es in TV-Werbespots für Trump: „Um China zu stoppen, gilt es, Joe Biden zu stoppen.“Republikan­ische Politiker ventiliere­n sogar die Idee, die USA sollten den Verpflicht­ungen, ihre Schulden an China zurückzuza­hlen, nicht mehr nachkommen. Laut Gao Zhikai käme das einer Kriegshand­lung gleich.

Inzwischen fordert auch der Außenbeauf­tragte der EU, Josep Borrell, eine unabhängig­e wissenscha­ftliche Untersuchu­ng des Ursprungs von Covid-19. Nur wenn man diese Quelle kenne, lasse sich die Welt künftig besser vor Pandemien schützen. Vor drei Wochen hat auch der australisc­he Regierungs­chef, Scott Morrison, eine solche unabhängig­e Untersuchu­ng gefordert. Gleichsam zur Strafe stoppte China diese Woche Rindfleisc­himporte aus Australien; China ist Australien­s wichtigste­r Handelspar­tner.

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[ Reuters ]

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