Distanz und Maske: Was sich im Kino ab wann ändern wird
Film. Unter Auflagen dürfen ab Juli Filme gezeigt werden. Der Start hängt aber auch von den globalen Strategien der Verleiher ab.
Wien. Seit Freitag steht auch der Fahrplan für das Hochfahren des Kulturbetriebs in Österreich fest. Kinos dürfen ab 1. Juli wieder aufsperren – und kommen damit mehrere Wochen nach dem Handel, der Gastronomie und den Sportstätten an die Reihe.
„Der Kultursektor im Allgemeinen und die Kinos im Speziellen haben für die Regierung ganz offensichtlich nicht denselben Stellenwert wie andere Bereiche des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft“, sagt Mario Hueber, Geschäftsführer der Hollywood-Megaplex-Gruppe mit Kinos in ganz Österreich. „Das hat sich auch beim Gezerre rund um die Eröffnung des Autokinos in Wien gezeigt. Dabei muss ich kein Virologe sein, um zu wissen, dass das Übertragungsrisiko in einem Autokino geringer ist als im Supermarkt.“
Hueber hatte, wie auch andere Kinobetreiber, schon länger eine „konkrete Perspektive“gefordert, um in Absprache mit den Filmverleihern die Wiederaufnahme des Betriebs zu planen.
Warum nehmen Kinos eine Sonderrolle innerhalb der Kultur ein?
Weil Kinos in hohem Maß von der Strategie der großen Verleiher wie etwa 20th Century Fox, Constantin Film, Warner Bros. und Sony Pictures abhängig sind, die ihre Filme zumeist weltweit zeitgleich auf den Markt bringen.
Zum einen, weil der Kinostart mit nur einer großen Kampagne und damit effizienter beworben werden kann; und um zu vermeiden, dass in manchen Ländern in großem Stil Raubkopien in Umlauf gebracht werden, noch bevor der Film angelaufen ist. Dass also ein Film im Sommer in den USA herauskommt, im Herbst in Europa und rund um den Jahreswechsel auf dem asiatischen Markt, ist schon seit mindestens 20 Jahren nicht mehr üblich.
Für Österreich bedeutet das, dass auch europaweit der Großteil der Kinos wiedereröffnen müsste, damit sich Filmstarts für die Verleiher, die für das weltweite Marketing oft mehrere zehn Millionen Euro investieren, hierzulande lohnen. Die Gespräche laufen über den europäischen Kinoverband.
Wird es schon im Juli eine größere Auswahl an Filmen geben?
Wahrscheinlich schon, weil es bis dahin wieder einen Markt dafür geben dürfte. Einige Bundesländer in Deutschland wollen den Betrieb schon Ende Mai aufnehmen, Norwegen und Tschechien haben das bereits in den vergangenen Tagen getan – und die Kinos wurden regelrecht gestürmt.
Aber was noch wichtiger ist: Auch der amerikanische Markt hat den Saisonbeginn für Anfang Juli angekündigt, dann starten mit dem Thriller „Unhinged“mit Russell Crowe sowie „Tenet“, dem neuen Science-FictionSpektakel von Regisseur Christopher Nolan („The Dark Knight“), zwei potenzielle Blockbuster. Weitere Starts dürften folgen. In den USA zeichnet sich mit Blick auf die Reservierungen ebenfalls eine starke Nachfrage ab.
Traditionell gehören die Sommermonate – entgegen den Aussagen der zurückgetretenen Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek – zu den wichtigsten des Jahres. Auch in Österreich. 2019 waren der Juli und August (mit Filmen wie „König der Löwen“) nach Dezember die beiden umsatzstärksten Monate. „Ich weiß nicht, warum Ulrike Lunacek das gesagt hat“, so Hueber. „Im besten Fall ist es Unwissenheit. Im schlechtesten Fall Ignoranz gegenüber einer ganzen Branche.“
Die Kinos und Verleiher werden also alles daransetzen, zumindest einen Teil des Sommergeschäfts 2020 mitzunehmen. Das zeigen auch bereits nachdrückliche Forderungen in Deutschland, sich auf einen bundesweiten Eröffnungstermin für Kinos zu verständigen. Deutschland gehört zu den wichtigsten Märkten in Europa.
Was wird bei einem Kinobesuch künftig anders sein?
Die Vorgehensweise in Deutschland, Norwegen und Tschechien ist Hueber zufolge auch in Österreich ein gangbarer Weg – und wurde am Freitag auch von Kulturminister Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne) angekündigt. Diese umfasst die Maskenpflicht beim Betreten und Verlassen des Saals sowie eine halbe Auslastung. Ein Sitz wird also immer freigelassen, um einen Meter Abstand zum Nachbarn zu halten – außer bei Familien, Paaren und Menschen, die im selben Haushalt leben. Sie dürfen auch direkt nebeneinander sitzen.
„Zudem müssten an den Schaltern, am Buffet sowie beim Betreten und Verlassen des Saals die Abstandsregeln eingehalten werden“, sagt Hueber. „Aber das wird in keinem Kino ein Problem sein. Darüber hinaus könnten wir zwischen Vorführungen längere Pausen einlegen, damit die Luft im Saal durch die Belüftungssysteme besser gereinigt wird.“
Kinosäle sind selten ausverkauft, wo liegt das Problem?
Das Dilemma in den meisten Kinos ist der Stoßbetrieb. Läuft ein Blockbuster an, sind die Vorstellungen – insbesondere das Hauptabendprogramm am Wochenende – in den ersten Wochen beinahe ausverkauft. Andere Filme hingegen schaffen es nicht einmal am Anfang, einen Saal zur Hälfte zu füllen, schon gar nicht bei den Nachmittagsoder Spätvorstellungen. Von den Gästen zu erwarten, Vorführungen auch zu weniger attraktiven Zeiten zu besuchen, damit die Säle nicht überfüllt sind, birgt also ein gewisses Risiko und muss erst ausprobiert werden.
„An einen Gewinn ist in den ersten Monaten ohnehin nicht zu denken, für kein Kino in Österreich“, sagt Hueber. „Aber die Inbetriebnahme mit geringerer Auslastung und Abstandsregeln wäre ein Anfang, um schrittweise zur Normalität zurückzukehren.“