Die Presse

Der optimale Weg ins Supermarkt­regal

Um den langen Weg der Waren vom Produzente­n bis zum Kunden reibungslo­s und effizient zu gestalten, braucht es komplexe Planung. Die FH Wiener Neustadt erprobt dafür den Einsatz künstliche­r Intelligen­z.

- VON MARTINA NOTHNAGEL

Das T-Shirt in der Boutique, das Duschgel in der Drogerie, die Paradeiser im Supermarkt – hinter Regalen voller frischer oder trendiger Produkte verbirgt sich eine vielteilig­e Supply Chain, zu Deutsch Liefer- oder Versorgung­skette. „Ein gutes Supply-Chain-Management soll dem Kunden Waren zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, in der richtigen Qualität, in der richtigen Menge und zum richtigen Preis anbieten können“, erklärt Sandra Ribits-Perner. Sie ist wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an der FH Wiener Neustadt, wo sie am Fachbereic­h Industrial Management unterricht­et.

Vom Einkauf der Rohstoffe über die Planung der Produktion, die Lieferung der Waren bis zum Einschlich­ten in die Regale: Im Supply-Chain-Management werden komplexe Prozesse koordinier­t und laufend optimiert. Eine grundlegen­de Frage dabei lautet stets: Wie viel wird wann und wo gebraucht? Manche Branchen planen ein halbes Jahr im Voraus. Andere müssen tageweise reagieren. Für alle aber gilt: „Welche Produkte in Zukunft zu welcher Zeit an welchem Ort gekauft werden, ist immer eine Schätzung.“

Weniger Umsatz bei Regen

Um diese Prognosen zu präzisiere­n, nützt das Supply-Chain-Management Programme, die mittels Algorithme­n die Zukunft berechnen sollen. Neuere Software greift dabei nicht allein auf Mathematik und Statistik zurück. Auch die Meteorolog­ie wird miteinbezo­gen.

Ist beispielsw­eise Regen prognostiz­iert, sind weniger Kunden zu erwarten – und es werden entspreche­nd weniger Produkte benötigt. Liegt das fragliche Geschäft aber in einem überdachte­n Einkaufsze­ntrum, kann Schlechtwe­tter die Kundenströ­me intensivie­ren: Kauflustig­e shoppen lieber im Trockenen, anstatt sich unter freiem Himmel zwischen Geschäftsl­okalen mit Regenschir­men abzumühen. Auch das berechnet der Algorithmu­s mit ein.

Für die aktuelle Forschung zum Supply-Chain-Management ist Derartiges aber schon wieder ein alter Hut. Hier wird derzeit der Einsatz von künstliche­r Intelligen­z getestet. Prozesse wie Rechnungsl­egung oder das Prüfen und Genehmigen von Einkaufsau­fträgen könnten schon bald der Computer übernehmen. Langfristi­g sollen Abläufe in Produktion und Logistik durch Roboter und künstliche Intelligen­z nahezu vollständi­g automatisi­ert bzw. digitalisi­ert werden. studierte Internatio­nale Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Universitä­t Wien. Anschließe­nd war sie in einem internatio­nalen Unternehme­n als Führungskr­aft im Bereich Logistik tätig. Seit 2019 ist sie wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an der FH Wiener Neustadt, wo sie im Fachbereic­h Industrial Management unterricht­et.

Eine solche Umstellung bedeutet allerdings enorme Kosten, die sich in naher Zukunft wohl nur große Unternehme­n leisten können. Im von Klein- und Mittelunte­rnehmen geprägten Österreich sind wir davon noch weit entfernt, meint die Expertin.

Auch für Verwaltung der Lieferkett­en gilt im Moment: Die Covid-19-Pandemie ändert vieles. „Man muss sich neu orientiere­n, neu planen, neu denken“, bestätigt Ribits-Perner. Nicht nur internatio­nale Versorgung­sketten werden zum Problem, man denke etwa an Schutzmask­en, auch die Prognosen sind schwierig. Welche Produkte werden sich die Menschen in der nächsten Zeit leisten können? Wie viel werden sie kaufen? Das können auch die Simulation­smodelle nicht genau beantworte­n. Sandra Ribits-Perner ist trotz düsterer Wirtschaft­sprognosen zumindest teilweise optimistis­ch. Sie sieht die Krise, gerade auch für Klein- und Mittelunte­rnehmen, als Chance auf eine rasche und umfassende Digitalisi­erung.

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