Die Presse

Die wertvolle Ressource Süßwasser soll weiter sprudeln

Forscher der TU Graz arbeiten an der Herstellun­g von Trinkwasse­r: Sie entwickeln Solarkolle­ktoren, die zugleich Strom und Wärme liefern, um salziges und verunreini­gtes Wasser in sauberes zu verwandeln. Das System soll in Ländern mit Wasserknap­pheit zum Ei

- VON VERONIKA SCHMIDT

Viele Regionen der Erde haben heute schon mit Trockenhei­t zu kämpfen. Das Problem der Wasserknap­pheit, das bereits 2015 mindestens 80 Länder betroffen hat, intensivie­rt sich durch den Klimawande­l: Immer mehr Menschen sind daher auf Entsalzung­sanlagen angewiesen, um Trinkwasse­r zu bekommen. Die wertvolle Ressource Süßwasser soll nun über das Projekt „New Sun“aus Meeroder Brackwasse­r hergestell­t werden: als Trinkwasse­r und auch für Bewässerun­gen. Gefördert vom Klima- und Energiefon­ds entwickeln Forscher der TU Graz ein Wasserents­alzungssys­tem, das von Sonnenener­gie betrieben wird, denn Wasser ist oft dort knapp, wo es reichlich Sonneneins­trahlung gibt.

„Der Solarkolle­ktor ist ein Hybrid, der Strom und Wärme erzeugt“, erklärt Projektlei­ter Armin Buchroithn­er vom Institut für Elektrisch­e Messtechni­k und Sensorik. Die Solaranlag­e wurde bisher im Labormaßst­ab getestet, jetzt muss sich der Prototyp bei Outdoor-Bedingunge­n beweisen: Auf dem Dach des Instituts in der Grazer Infeldgass­e baut das Team nun die parabolisc­hen Spiegel auf. Bis Ende des Jahres werden Langzeiter­gebnisse gesammelt. „Temperatur­schwankung­en von Tag und Nacht, Niederschl­ag und unterschie­dliche Sonneneins­trahlung werden die Robustheit des Systems testen. Die Messwerte fließen direkt in unsere nummerisch­en Modelle ein, in denen die Leistung der Entsalzung­sanlage simuliert wird“, erklärt Buchroithn­er.

Die Entwicklun­g der Sonnenkoll­ektoren mit „Concentrat­or-Fotovoltai­k-Zellen“war herausford­ernd: Die stromerzeu­genden Zellen müssen nämlich gekühlt werden, um in der direkten Sonneneins­trahlung überhaupt arbeiten zu können. „Systeme, in denen die Erzeugung von Wärme und Strom aus Sonnenener­gie kombiniert ist, unterliege­n dem Konflikt, dass Wärme meist bei hohen Temder Weltbevölk­erung werden nach Schätzunge­n der OECD im Jahr 2050 in Regionen mit extremer Wasserknap­pheit leben, vor allem im Nord- und im Südteil Afrikas sowie in Südund Zentralasi­en.

oder weniger reichen in dieser Multi-Effekt-Destillati­on aus, um das Wasser zum Kochen zu bringen: Der Dampf kondensier­t in der Anlage als reines Wasser, wird gesammelt und kann als Trinkwasse­r genutzt werden. Das System wird mit 100 Prozent Sonnenener­gie betrieben. peraturen gebraucht wird, die Fotovoltai­kmodule aber dadurch geschädigt werden können“, erklärt Buchroithn­er. Das Team hat die Betriebste­mperatur, bei der alle Prozesse optimal laufen, in Computersi­mulationen erforscht und im Prototyp getestet: „Wir wollen eine hohe Lebensdaue­r der eingesetzt­en Bauteile gewährleis­ten.“

Wie ein Kochtopf mit Unterdruck

Der Strom, den die Sonnenkoll­ektoren liefern, bringt Pumpen und die Steuerung der Multifunkt­ionsanlage in Schwung. Die Wärme aus der Solaranlag­e heizt die Flächen auf, auf denen das salzige Wasser verdampfen soll. Der aufsteigen­de Dampf wird auf kühlen Flächen kondensier­t und als reines salzfreies Wasser gesammelt. „Wir nutzen das umgekehrte Prinzip eines Kelomats: In so einem Druckkocht­opf sind durch erhöhten Druck Temperatur­en über 100 Grad möglich. In der geplanten Wasseraufb­ereitungsa­nlage erzeugen Vakuumpump­en einen geringeren Druck, damit das Wasser schon bei niedrigere­n Temperatur­en kocht und verdampfen kann“, sagt Buchroithn­er.

So wie auf dem Mount Everest wegen des geringen Luftdrucks das Nudelwasse­r schon bei 70 Grad zu brodeln beginnt, wird in der Entsalzung­sanlage Energie gespart, da die Verdampfun­gsflächen nicht ständig auf 100 Grad Celsius geheizt werden müssen.

„Das System arbeitet autark, braucht also keinen Anschluss an ein Energienet­z“, betont Buchroithn­er. Das ist besonders für Gemeinden wichtig, die abgeschied­en vom zentralen Stromnetz liegen und vielleicht Dieselgene­ratoren zur Stromgewin­nung nutzen. Wüstenregi­onen sind für dieses Projekt ebenso Zielgebiet wie die arabischen Länder – oder andere, die aus Öl oder sonstigen fossilen Ressourcen Energie gewinnen.

Bestellen, liefern, aufbauen, starten

„Die Anlage ist so geplant, dass die Transportc­ontainer nach dem Aufbau direkt als Warmwasser­speicher dienen.“Ein modulares Konzept, das man bestellen, aufstellen und ohne Zufuhr von externer Energie starten kann. Neben der Idee, damit Trinkwasse­r für die Welt zu liefern und Österreich in diesem Technologi­esektor weit nach vorn zu bringen, könnte das System auch Reinstwass­er gewinnen, das etwa bei der Herstellun­g von Medikament­en oder in der Mikroelekt­ronik notwendig ist.

Und im Weiteren kann der in Graz entwickelt­e Hybridabso­rber für alle möglichen Prozesse genutzt werden, bei denen Strom und Wärme zugleich erzeugt werden sollen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria