Markt, Palast und kein Gedränge
Post-Corona-Reiseziel: Die Lage an den Hängen des Kaukasus, die traditionelle Architektur, die Begegnungen auf dem Markt: Die ehemalige Seidenstraße-Stadt Sheki in Aserbaidschan begeistert schon bei einem kurzen Besuch.
Ein Marktbesuch ist immer so etwas wie ein Freundlichkeitsbarometer einer Stadt. Sheki im Nordwesten Aserbaidschans, ehemaliger Ort der Seidenstraße und Handelsplatz, erreicht da sehr hohe Werte. „Wer seid ihr, woher kommt ihr, was bringt euch hier her, wollt ihr kosten, was wollt ihr kaufen?“, scheinen die Händler zumindest die offensichtlich fremden Besucher zu fragen. Würden diese einwandfrei Aserbaidschanisch, Russisch oder Türkisch sprechen, wäre die Kommunikation sicher einfacher. Aber schon ein paar Brocken genannter Sprachen, der Einsatz von Händen und Füßen und mit Glück ein Gegenüber, das zumindest ein paar Sätze auf Deutsch oder Englisch beherrscht, lässt Barrieren rasch verschwinden. Freundlich, offen, zu einem Plausch bereit zeigen sich die Einwohner.
Der Basar mit mehr Sowjet- als orientalischem Souk-Flair besteht aus einfachen Geschäften, Hallen sowie Ständen unter Plastikplanen und gibt alles her, was für das tägliche Leben gebraucht wird: Fleisch, Hühner, Eier, Obst, Gemüse, Kräuter, Brot, Käse, Süßes, Kleidung, Haushaltsartikel in Hülle und Fülle. Ältere Damen in wild gemusterten Kleiderschürzen, zuweilen mit Kopftuch und Goldzähnen, breiten die Waren vor sich aus und hoffen auf gutes Geld. Touristen kaufen gern frische Kirschen, Tee, ShekiReis und Gewürze.
Russisch im Kaffeehaus
Obwohl die Kaffeehäuser direkt auf dem Markt hauptsächlich von Männern besucht werden, wird westlichen Besucherinnen gern ein Tisch – und wenn’s sein muss, ein eigener, rauch- und fernsehfreier Raum – frei gemacht. Dank Vokabelliste, Pantomime und Geduld gibt’s auch Brot, Käse und Kaffee zum Frühstück. Hier lässt sich das Alltagsgeschehen, das ohne unangenehmes Gedränge touristischer Märkte auskommt, gut beobachten. Umgekehrt werden auch die Gäste neugierig inspiziert.
Über die Jahrhunderte wurde Aserbaidschan von den unterschiedlichsten Herrschaften (Perser, Araber, Türken, Russen) beeinflusst, was einen Mix aus Nationalitäten, Religionen und Sprachen zufolge hat. Obwohl muslimisches Land, ist es durch die 70-jährige Sowjetherrschaft säkular geprägt.
Während etwa in Baku heute immer mehr Aserbaidschanisch gesprochen wird, ist auf dem Land, etwa in der Region Sheki, mehrheitlich Russisch Alltagssprache.
Bohrtürme und Dünen
Sheki liegt etwa fünf Autostunden von der modernen Hauptstadt Baku entfernt, nahe der georgischen und russischen Grenze, am Fuß des Kaukasus. Auf der Fahrt von Baku am Kaspischen Meer aus passieren die Reisenden auf der Autobahn erst Ölfelder mit Bohrtürmen, Öl- und Gasleitungen, Fabriksgebäuden und Eisenbahnwaggons. Dann tut sich eine Wüstenlandschaft aus Dünen und großer Weite auf. Nach einigen Kilometern wird es wieder grün-hügelig, mit riesigen landwirtschaftlichen Flächen, Plantagen, Bäumen entlang der Straße, Ständen am Wegesrand, an denen Obst, Gemüse, Trockenfrüchte oder Honig verkauft wird. Je grüner es wird, umso mehr Picknickplätze in den Wäldern sowie kleine Freizeitparks mit See, Boots- und Kutschenfahrten motivieren zum Stehenbleiben. Aussteigen und wandern. Und bald kommen auch die Berge des Kaukasus immer näher.
So ist es auch nicht der Markt, der zu Shekis Berühmtheit führte, sondern der Khanspalast aus dem 18. Jahrhundert, Prunkstück und ehemalige Sommerresidenz in den Bergen des Sheki Khans und seines Gefolges innerhalb einer Festungsanlage, die Karawansereien sowie die ehemalig groß angelegte Seidenproduktion.
Die Altstadt wurde erst 2019 zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt. Spaziert man vom „modernen“Ort die gepflasterten Straßen hinauf, thront ganz oben der Palast im osmanischen Stil. Er ist außen, aber vor allem innen mit Malereien, Mosaiken und Fliesen, die Blumen, Vögel, Ornamente, Kampf
Sheki Saray Hotel, schönes Dreisternehotel mit Restaurant und Cafe-´Bar, shekisaray.az
Garin, Restaurant mit lokalen Spezialitäten, Terrasse und Blick auf die Altstadt und Sonnenuntergang,
Azadlyg St., facebook.com/QaqarinSheki/Khan Winehouse in Sheki, M.F. Akhundzade prospect, www.facebook. com/khan.winehouse
mit vielen Stopps und Möglichkeiten, um in die Natur des Landes einzutauchen: Gobustan-Nationalpark (Qobustan), fast menschenleere Landschaft aus Schlammvulkanen; in einem anderen Teil des Areals steinzeitliche Felsgravuren an Wänden und in Höhlen. oder Jagdszenen zeigen, reich dekoriert. Die bunten Holz-GlasFenster, die ohne Kleber oder Nägel in besonderer Kunstfertigkeit zusammengesteckt wurden, leuchten in satten Farben und lassen warmes Licht hereinfluten. Über die Arbeitsprozesse der Glasmanufaktur („Shebeke“) kann man noch mehr in den nahe gelegenen Werkstätten erfahren. Vom ersten Stockwerk des Palastes wird den Besuchern ein Blick auf den grünen Garten, den Brunnen und die bewaldeten Hügel und Berge der Umgebung geschenkt.
Shamakhi, eine beliebte – weil grüne – Ausflugsregion der Bevölkerung Bakus. Gabala ist ein beliebtes Ausflugsziel für Naturliebhaber mit Bergen, Wäldern, Seen, Seilbahnen.
Eine Stunde von Gabala mit den Gipfeln des Kaukasus und dem Savalan-Tal im Hintergrund befindet sich die Savalan Winery: Einblicke in die Jahrhunderte alte Weinkultur und Verkostungen. Bergdorf Lahic (Lahıc): von tiefen Schluchten umgebener Ort, ein Schmuckstück mit Kopfsteinpflaster, Stein-Holz-Häusern und Kupferschmieden. azerbaijan.travel
Die Reise erfolgte 2019 auf Einladung des Azerbaijan Tourism Board.
In einem Nebengebäude sind noch weitere Werkstätten und viele Souvenirshops untergebracht. Sehenswert ist auch der „Winterpalast“außerhalb der Burgmauern, der vielleicht nicht so spektakulär wirkt, innen jedoch aufwendig gestaltete Wände hat. Die Straße hinunter ins Stadtzentrum wird gesäumt von großteils renovierten historischen Bauten mit Ziegelfassaden, Holzfenstern, schmiedeeisernen Balkonen und Fenstergittern. Der Weg führt vorbei an der alten Karawanserei – heute ein Veranstaltungszentrum, Hotel und Restaurant. Weiter geht’s vorbei an Shops für Sheki-Seide, Halva (traditionelle Süßigkeit aus Nüssen und Honig) oder Souvenirs sowie an der Moschee, an einfachen Wohnhäusern mit kleinen Vorgärten und größeren nach hinten zum Bach. Je weiter unten im Ort, umso weniger „touristisch“und renoviert, oft schäbig, ist er, aber kleine Parks und Gärten, Villen, Restaurants und Cafes´ sind immer noch zu finden. Sowie der große Markt.
Sommerfrische und Kultur
Viele Kulturinteressierte kommen nach Sheki, das, speziell im Sommer, eine „Konkurrenz“zu Baku darstellt, wie Sabina Yadullayeva vom Azerbaijan Tourism Board der Region Sheki erzählt. Aber auch viele junge Leute und Naturliebhaber zieht es her, um hier zu wandern und die Natur zu genießen. Wer kreativ sein will, kann zudem an Workshops (zum Beispiel Seidenmalerei oder Glaskunst) teilnehmen.
Ein Ausflug bietet sich zudem auch nach Kisch an, ein kleiner Ort in den Bergen mit der Museumskirche aus dem 12. Jahrhundert. An einer besseren Ausschilderung der Wanderwege und an den Ausbau von Hostels und Hotels sowie des Abendprogramms (Pubs und Bars) werde noch gearbeitet, erklärt Yadullayeva. Ein Besuch wert ist jedenfalls das Winehouse Sheki, das in netter Atmosphäre einige der besten Weine Aserbaidschans kredenzt.
Die Stadt verzaubert ein wenig, meint Yadullayeva, die zuvor in anderen Landesteilen gearbeitet hat. Aber in Sheki habe sie sich sofort verliebt. „Am schönsten ist es, am Abend auf einer Terrasse zu sitzen, mit Blick auf die Altstadt und auf die Berge. Wenn der Muezzin zu hören ist, das Licht sich verändert und die leichte Brise aus den Bergen auf der Haut zu spüren ist.“