Die Presse

Anders, aber nicht schlechter?

Verkehr. Die Mobilität war schon vor Corona im Wandel. Einschränk­ungen bringen weitere Impulse. Postgradua­le Lehrgänge vermitteln Wissen, um die Veränderun­g zu gestalten.

- VON CLAUDIA DABRINGER

Wenn sich am 15. Juni die Grenze zu Deutschlan­d wieder öffnet, freut sich vor allem die Tourismusb­ranche. Doch es stellt sich die Frage: Werden die Erkenntnis­se der zurücklieg­enden Wochen etwas an der künftigen Art des Reisens ändern? „Wir werden eine andere Welt vorfinden, aber keine schlechter­e“, sagt Holger Friehmelt, Leiter des Instituts Luftfahrt an der FH Joanneum. Dort wird der Masterstud­iengang Luftfahrt durchgefüh­rt, dessen Schwerpunk­te Flugzeugba­u und -systeme sowie AviationMa­nagement sind: „Die Kabine eines Flugzeugs ist ein relativ sicherer Ort, weil dort die Luft alle zwei bis drei Minuten ausgetausc­ht wird.“

Flughäfen besser organisier­en

„Will man die Passagiere dorthin bringen, wird man sich als Flughafen oder Airline die gesamte Mobilitäts­kette im Vorfeld einer Reise anschauen müssen“, sagt Friehmelt. Um größere Menschenan­sammlungen zu verhindern, könne man etwa Möglichkei­ten schaffen, Koffer außerhalb des Flughafens abzugeben oder die Passagiere früher über Verspätung­en informiere­n. Da sei Aviation-Management gefragt. Das Masterstud­ium bietet dazu eine Spezialisi­erung – ebenso für Luftfahrtt­echnik oder Forschung und Entwicklun­g.

Für eine internatio­nale Regelung von Maßnahmen der Gesundheit­spräventio­n spricht sich Fritz Zibuschka aus. Er leitet den Masterstud­iengang Airport City Management an der FH Wiener Neustadt und erinnert an die Sicherheit­svorschrif­ten nach 9/11: „Hier gibt es weltweit einheitlic­he Regeln, die überall funktionie­ren und für Behörden, Luftfahrtu­nternehmen und Passagiere eingespiel­t sind. Internatio­nale Regeln wären auch für Maßnahmen der Gesundheit­spräventio­n nach Covid-19 sinnvoll.“Das macht ein Miteinande­r erforderli­ch, dem sich auch der englischsp­rachige Studiengan­g widmet – mit den Themen Strategie und Geschäftsm­odell, Organisati­on des operativen Betriebs und der Entwicklun­g von Non-AviationBe­reichen. „All diese Faktoren müssen wie Zahnräder ineinander greifen. In der Krise wird dieses Zusammensp­iel noch viel wichtiger.“

Bahn: Potenzial heben

Seit 11. Mai folgt die ÖBB wieder ihrem Regelfahrp­lan, doch läuft hier alles wie in „alten Zeiten“? „Was jahrelang undenkbar war, geht auf einmal: Fahrkarten des VOR gelten auch in der Westbahn. Die Züge von ÖBB und Westbahn verkehren abgestimmt zwischen Wien und Salzburg“, sagt Otfried Knoll, Leiter des Department­s Bahntechno­logie und Mobilität der FH St. Pölten. Die Bahn weise vor allem bei mittleren Distanzen unschlagba­re Qualitäten auf, um unwirtscha­ftlich gewordene Kurzstreck­enflüge zu ersetzen. „Das noch ungehobene Potenzial der Bahn muss rasch nach der Krise mit einer profession­ellen Kampagne zur Bewusstsei­nsbildung vermittelt werden. Und: Propagiert­e Annehmlich­keiten muss die Bahn auch bieten – selbst zur Hauptreise­zeit und im Winter.“Der Masterstud­iengang Bahntechno­logie und Management von Bahnsystem­en bietet Spezialisi­erungen in den Bereichen Fahrzeugte­chnik, Energiever­sorgung, Management, Signaltech­nik oder Bautechnik. In drei davon werden Absolvente­n gezielt in Notfallman­agement und der Bewältigun­g von außergewöh­nlichen Kommunikat­ionssituat­ionen ausgebilde­t. Die Absolvente­n sind „Systemvers­teher, die über Schnittste­llen und Organisati­onsbereich­sgrenzen hinaus zu denken bereit sind“, sagt Knoll.

Chance für Elektromob­ilität

Durch die sparsame Nutzung des Autos sind die daraus ableitbare­n Emissionen nachweisli­ch zurück gegangen. Jetzt wird es auf den Straßen wieder lauter, die Luft wieder „dicker“. „Die Automobili­ndustrie und ihr Umfeld wären gut beraten, diese Krise als Chance wahrzunehm­en, und den Mobilitäts­bereich nachhaltig zu ökologisie­ren, die Elektromob­ilität ist hierbei ein Baustein“, sagt Andreas Petz, Leiter des Masterstud­iengangs Green Mobility an der FH Campus Wien. Dieser beschäftig­t sich mit technische­n Komponente­n für Hybridund Elektrofah­rzeuge, deren Schnittste­llen und der erforderli­chen Infrastruk­tur und vermittelt ökonomisch­es, ökologisch­es und rechtliche­s Know-how. Petz: „Der Lehrgang ist eher als Reaktion auf eine Krise zu verstehen, deren Auswirkung­en die Gesellscha­ft wahrschein­lich noch länger beschäftig­en wird als der durch das CoronaViru­s initiierte Notstand – nämlich die Klimakrise.“

Web: www.fh-campuswien.ac.at www.fhwn.ac.at, www.fhstp.ac.at, www.fh-joanneum.at

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[ APA/Schedl] Mehr noch als Corona befördert die Klimakrise die Elektromob­ilität. Das technische und ökonomisch­e Wissen dazu wird etwa an der FH Campus Wien vermittelt.

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