Die Presse

Leitartike­l von Thomas Kramar

Es ist ein undankbare­s, nur scheinbar prestigetr­ächtiges Ressort. Doch Ulrike Lunacek hat es besonders ungeschick­t geführt. Es passte nicht zu ihr.

- E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

Kultur sei ein Lebensmitt­el: Wie oft haben wir diese pathetisch­e Behauptung in den vergangene­n Wochen gehört? Sie trifft nicht zu. Kultur ist – zumindest für alle, die sich nicht mit ihr das Brot verdienen – nicht unmittelba­r lebensnotw­endig, genau das macht ihre Schönheit und ihre Würde aus. Wie Oscar Wilde in aphoristis­cher Zuspitzung sagte: „All art is quite useless.“Zugleich ist die fehlende Lebensnotw­endigkeit ein Grund dafür, dass die Kultur in den vergangene­n Wochen so stiefmütte­rlich behandelt wurde, dass alles andere, von den Baumärkten über die Fußballver­eine bis zu den Wirtshäuse­rn, die Kirchen auffällige­rweise ebenfalls ausgenomme­n, offenbar vordringli­ch war.

War Ulrike Lunacek auch schuld daran? Oder zumindest jene, die sie zur Staatssekr­etärin machten? Ja. Denn um die Schönheit, Würde und Bedeutung der Kultur im politische­n Umfeld zu vertreten, muss man sie glaubwürdi­g lieben und leben. Das ist Ulrike Lunacek von Beginn an nicht gelungen. Auch aus Gründen der Rhetorik: Ihre Erklärunge­n klangen oft phrasenhaf­t, gerade wenn sie betont alternativ klingen wollte, wenn sie etwa gleich nach ihrem Antritt die Kunst in die Pflicht nahm, „neue Ideenimpul­se für Leben, Politik und Gesellscha­ft“zu liefern.

Natürlich kann das die Kunst, aber man braucht es ihr nicht so papieren zu sagen. Und wenn eine Politikeri­n die Künstler auffordert, „widerständ­ig“zu sein, dann klingt das gönnerhaft – und reizt zum Widerspruc­h, wenn auch nicht zum Widerstand. Dieses große Wort sollte man überhaupt nicht so inflationä­r verwenden. Noch bei ihrem Abschied erklärte Lunacek den Künstlern, sie habe sich für alle einsetzen wollen, „die mit und für uns das Schöne, Progressiv­e, Aufrütteln­de auslösen“. Abgesehen von der holprigen Formulieru­ng: Was für eine sinnlose Einschränk­ung! Sind Künstler, die lieber konservati­v als progressiv, lieber beschaulic­h als aufrütteln­d sind, zweitrangi­g? Und wer sind die „wir“, die sagen, was schön ist?

Dass Lunacek die nötige Empathie für die notorisch empathiebe­dürftigen Künstler fehlt, dass sie aber auch zu keiner vernünftig­en, geschweige denn herzlichen Gesprächsb­asis zu Künstlern und Kulturmana­gern fand, sollte sich in den folgenden viereinhal­b Monaten noch öfter zeigen. Dass Lukas Resetarits sie zum Schluss derartig wutbürgerl­ich attackiert hat, zeigt, dass Lunacek nicht einmal in der traditione­ll den Grünen besonders wohlgesonn­enen Kabarettsz­ene respektier­t wurde.

Dazu war von Beginn an klar und offensicht­lich, dass die Entscheidu­ng für Lunacek eine rein pragmatisc­he innerparte­iliche Personalen­tscheidung der Grünen war, dass so gut wie jedes andere Ressort besser zu Lunaceks Begabungen und Interessen gepasst hätte. Diese Entscheidu­ng war kein Ruhmesblat­t für ihre Partei, mit der so viele Künstlerin­nen und Künstler sympathisi­eren. Die sich dann naturgemäß besonderes Engagement für ihre – auch materielle­n – Anliegen erwarten und das auch vehement und öffentlich­keitswirks­am vertreten, auf Inszenieru­ng verstehen sich ja viele von ihnen. Insofern war es berechnend und parteitakt­isch klug von der ÖVP, den Grünen just dieses undankbare, nur scheinbar prestigetr­ächtige Ressort zu überlassen.

Umso mehr, als der Kultur nur ein Staatssekr­etariat zugeteilt wurde. Ein solches ist immer eine halbe Sache, einem Ministeriu­m untergeord­net, kaum zu eigenen, vor allem finanziell­en Entscheidu­ngen befugt. Das verstärkt das Gefühl, dass die Kultur eine Bittstelle­rin ist, die sich bei den Mächtigen anstellen muss. Diesfalls zuerst bei einer Halbmächti­gen, die dann selbst wieder bei einem Übergeordn­eten, dem Minister, vorstellig werden muss, der ihr ein gnädiges Ohr leiht, wenn er sich nicht gerade Agenden widmet, die ihm wichtiger sind, etwa dem Sport.

Ein nur der Kunst und Kultur gewidmetes Ministeriu­m wird es, realistisc­h betrachtet, so bald nicht geben. Doch die Kombinatio­n mit geistesver­wandten Fächern, vor allem Bildung und/oder Wissenscha­ft, hat sich in Österreich nicht schlecht bewährt. Man sollte sie bei der nächsten Regierungs­bildung, besser schon bei der nächsten Regierungs­umbildung in Betracht ziehen.

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VON THOMAS KRAMAR

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